Freitag, 31. Mai 2024

Ökosystem Wohnung

Ich habe neue Bettwäsche gekauft. Das könnte man als alltagsdurchschnittlichen Vorgang ohne jegliche individuelle bis weltpolitische Tragweite und ergo nicht der Rede wert verbuchen. Hätte man (ich) nicht in der jüngeren Vergangenheit gelernt, dass ein wie auch immer gearteter Eingriff ins Ökosystem „Wohnung“ dieses empfindlich ins Wanken bringt und noch der kleinste Flügelschlag ein Erdbeben biblischen Ausmaßes nach sich ziehen kann (vgl. Butterfly-Effekt, der). Gerne würde ich deswegen mit einem anklagenden Finger auf den mitbewohnenden Mann zeigen, jedoch ist dieser bei genauerer Betrachtung zwar oft (qua Geburt) an einer Misere schuld, doch halt nicht immer. Die Schuld liegt stattdessen meist allein im Umstand begründet, nicht in einem ehemaligen Gestüt auf dem Land zu wohnen, auch nicht in einer geerbten Stadtvilla oder sonstig pompös, sondern in einer, nennen wir es: zeitgemäßen urbanen Kompaktwohnung, die dafür das Nonplusultra an Infrastruktur bietet. Und psychologisch auch nur Vorteile bringt, weil sie einen vor dem sinnlosen Ansammeln von Dingen bewahrt durch schlichten Platzmangel. So entsteht ein Circle of Life, in dem manchmal Dinge in die Wohnung wandern, wofür andere aus dieser weichen müssen, dann in den Müll oder Keller wandern, und wenn dieser zu zerbersten droht, unter schweren Mühen, großem Ächzen und manchmal auch Tränen eine mittlere bis schwere Aktion getätigt werden muss. Es gibt deshalb eine sogenannte „Transitzone“ in der Wohnung für Dinge, deren weiterer Verbleib noch zu klären ist, doch das möchte ich einmal separat besprechen. Jetzt geht es ja um Bettwäsche. Wo neue Bettwäsche hineinkommt, droht erstens die Gefahr einer Schlafzimmergesamtumgestaltung („Oh wie schön, dieses wärmende Gelb! Aber das passt ja jetzt gar nicht mehr zum ganzen Rest?!“), vor allem aber muss gemäß der obenstehenden Rahmenbedingungen eine alte hinaus wegen drohender Schrankexplosion, was eine ganz grundsätzliche Durchsicht und Neuordnung des Bestandes zur Folge hat sowie eine existenzielle Fragestellung: „Kannst du“, frug ich den Mann inmitten diverser Vakuumierbeutel, Unterbett- und Oberschrank-Truhen, „mir bitte sagen, wieso wir ELF Kissen im Haus haben?“ Er konnte nicht, jedoch sich auch den Satz nicht verkneifen, es schiene ihm, als habe ich (!) mein (!) Kissen-Game nicht im Griff, weswegen ich den dringenden Wunsch verspürte, allsämtliche Kissen zu ergreifen und damit ein derartiges Game zu veranstalten, dass selbst Frau Holle noch in Hochachtung verfallen wär … Die Problemlösung wurde auf später und die Kissenboxen wieder unters Bett geschoben. Wage vorsichtige Prognose: Das Epizentrum des nächsten, gewaltigen Erbebens wird sich genau dort befinden. Nur der Auslöser bleibt fraglich. Vermutlich ein heruntergefallener Socken oder so.

 

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