Es gab da mal diese Sache in Mathe. Also zu der Zeit, als Mathe nicht mehr Mathe hieß, sondern irgendwie Algebra und noch sowas, Geometrie oder so. Es ging darin sehr viel um Wahrscheinlichkeiten, mit Senf gefüllte Krapfen und irgendjemanden namens Bernoulli oder so. Irgendetwas sehr lästiges jedenfalls, das mir später im Gruselfach Statistik wiederbegegnet ist und auch da nicht sonderlich eingeleuchtet hat. Hier wie dort gab es etwas, das nannte der Lehrkörper Kombinatorik, und ich glaube, damit konnte man ausrechnen, wie viele Menschen ein Los kaufen müssen, um eine Million zu gewinnen. Naja, wahrscheinlich war’s anders, aber ihr wisst schon, was ich meine. In ähnlicher Form ist mir dieser theoretische Kladderadatsch nochmal später in Linguistik begegnet, nur wesentlich einfacher für mich als Dyskalkulatorin, wurde doch hier mit Buchstaben und Wörtern kombiniert und nicht mit dummen Zahlen. Wie dem auch sei: Ich wünschte, ich hätte das alles ein bisschen besser verstanden oder zumindest in den Stunden besser aufgepasst anstatt Comics Lewis Carrolls Jabberwocky als Comic auszuarbeiten. Denn stünde ich jetzt nicht wieder wie der Ochs vorm Berg bzw. wie der Wichtel vor der Weihnachtsplanung. Denn just am gestrigen Tage wurde die alljährliche Angstfrage gestellt: „Wie machen wir’s denn dieses Jahr mit Weihnachten?“ Plötzlich herrschte Stille im Raum, betreten wurde nicht nur geschwiegen, sondern eilig ein Fingernagel kontrolliert und hier und dort ein Stäubchen weggefegt. Tja, wie machen wir’s denn bloß? Früher war das einfach: Am 24.12. wallfahrteten die Hl. Drei Könige (aka meine Geschwister und ich) zum Elternhaus, um dort ein bis drei Tage zu verbleiben und hinterher als prallgefüllte Stopfmägen wieder nach Hause zu rollen. Jedes Jahr dasselbe Schema, keine Diskussionen, kein Chaos, dafür Zuverlässigkeit und wohlige Ordnung. Ein Umstand, nach dem man sich doch grade herzlich sehnt. Nur leider wird das nichts, sondern jedes Jahr schlimmer. Patchworkgroßfamilie macht’s möglich, denn die Verzweigungen und erwünschten (und nicht zu vergessen: unerwünschten!) Menschenkombinationen werden immer zahlreicher. Vatermutterkind? Pfeifendeckel! Es wird sich geschieden und neu verpartnert, Kinder werden erwachsen und ihr eigenes Familienzentrum. Opas versterben unerlaubt, Papas werden einsam und Omas immobil, und am Ende steht man da und muss siebzehn unterschiedliche und teils fremde Parteien irgendwie so unter einen Nikolaushut basteln, dass sich die einstige Kernfamilie wenigstens für ein paar Stunden sehen und singen kann. Es kann sich nur um Stunden handeln, bis mich ein Weihnachtsexcel erreicht oder ein Weihnachtsdoodle. Zum Glück bin ich so pflegeleicht: Ich folge einfach dem Ruf der Speisen. Wer diese zubereitet und gereicht – mir doch egal. Als praller Stopfmagen lieg ich dann auf irgendjemandes Canapé und überleg nochmal, wie dieses Fach gleich wieder hieß. Vielleicht war’s doch Stochastik?
Katharina Wasmeier - Runter vom Sofa!
ɾҽԃҽɳ ιʂƚ ʂιʅႦҽɾ> ʂƈԋɾҽιႦҽɳ ιʂƚ ɠσʅԃ
Freitag, 5. Dezember 2025
Freitag, 28. November 2025
Das Imperium schlägt zurück
Herzlich willkommen zu unserer Serie „Nürnberg leuchtet“.
Nach der letztwöchigen Pilotfolge kommt heute schon Teil 2 in die Kinos. Äh,
Zeitungsseiten: „Das Imperium schlägt zurück“! Unsere Produzenten haben keine
Kosten und Mühen gescheut für ein Spektakel allererster Güte. Ok das ist
gelogen, in Wahrheit hat die Produzentin (ich) massiv Kosten und erstmal auch
sämtliche Mühen gescheut, war aber dennoch nicht willens, das Feld einfach
kommentarlos dem Feind zu überlassen, der inzwischen weiter aufgestockt und
seinen Wohnzimmerbalkon in eine wahre Bumsbude verwandelt hat. Skandal im
Sperrbezirk! Ich nehm’s sportlich und folge, wenn Nebelschwaden, Nieselschnee
und Baustellenschikanen mir mal wieder die Sicht versperren, einfach dem roten
Licht, um nach Hause zu gelangen. Beziehungsweise jetzt neuerdings meinem
eigenen. Nämlich in Gestalt einer diskret leuchtenden Funzel, die in warmweißem
Licht gedachte Sternderlformen mit größter Zurückhaltung an der Scheibe funkeln
lässt und höchstens deswegen blitzt und blinkt, weil jemand (…) nicht begreift,
wie die 6 Stunden Betrieb-18 Stunden Unbetrieb-Funktion der Zeitschaltuhr
funktioniert und deswegen allabendlich erst einmal ein Mordsblinkkonzert
veranstaltet, bis das Ding so läuft, wie ich das will. Und mich mit
Überraschungen auf Trab hält immer dann, wenn einer der Saugnäpfe, mit denen
die Leuchtsache ans Fenster gepappt ist, sich löst und mit Getöse und
Lichtblitzen durchs Wohnzimmer springt. Und während ich mir auf die Schulter
klopf wegen vorbildlichen Adventverhaltens samt Kranz in zurückhaltend Optik
protzen Freunde mit riesigen, opulent geschmückten Weihnachtsbäumen, die ihre
Wohnzimmer weit vor der Zeit in Stimmung bringen. Ich will nicht gehässig sein,
freue mich aber auf Fotos des Liebespaares unterm komplett abgenadelten
Baumskelett zu Weihnachten. Ha! Nun gut. Peanuts – weil schließlich schlägt das
wahre Imperium ab heute Abend ja wirklich zurück. Sobald die kindliche Kaiserin
von ihrem Elfenbeinturm hinab zum Volke spricht, alle Herrn und Fraun zu seinem
Markte einlädt und dann unverständlicherweise auch noch ausnahmslos alle
willkommen heißt (warum heißt es nicht „und wer da kommt, der soll willkommen
sein. Außer JGAs. Und Menschen mit hellen Mänteln. Und solche mit schlechter
Laune. Und die mit den blinkenden Rentierhauben.“? Ich mein, damit wäre doch
wirklich allen geholfen.) geht sie los, die lustige Wallfahrt hinein ins
weihnachtliche Epizentrum. Auf einen Hechtsprung rein ins Glühweinfassl, einmal
durchs Käsefondue gekrault, im Vorbeigehen kurz den Ärmel ins Schaschlik
getunkt, Rohrschachtest mit Senf und Winterjacke, und das alles mit kalten
Füßen und heißem Köpfchen, jede Menge Freunde und Bekannte treffen und alle
anderen in der FeuZaBo-Schlange kurzerhand zu solchen auserkiesen – ich freu
mich drauf. Ein Kerzerl gibt’s am Sonntag auch. Aber nur ein ganz diskretes.
Halleluja!
Freitag, 21. November 2025
Nürnberg leuchtet
Yippie Yah Yei ihr Schweinebacken! Endlich ergibt
alles einen Sinn. Die klirrende Kälte, die macht, dass man sich plötzlich sehr
für die Erfindung „beheizbarer Mantel“ interessiert und nicht so sehr für
nachmittägliche Spaziergänge. Die Lebkuchen, Schokonikoläuse,
Spekulatiuspackungen und Dominosteine, die uns seit August aus den
Supermarktregalen hinterhältig angrienen und die zu erwerben oder gar zu
verzehren wir uns seitdem hartnäckig geweigert haben. Die 17 offenen Tabs am
PC, die mein verzweifeltes Suchen nach „Tageslichtlampe“ und „beheizbares
Fußkissen“ bezeugen. Das nagende schlechte Gewissen, ob es, wirklich jetzt
schon in Ordnung ist, die Heizung ein kleines bisschen weiter aufzudrehen. Die
schaurige Dunkelheit, die Menschen (mich) zum sofortigen Darniederlegen zwingt
(nebst schauriger Erkenntnis, dass im Bürokomplex gegenüber gar nicht
ausschließlich wahnsinnige Highperformer arbeiten, sondern es nicht wie
vermutet mitten in der Nacht, sondern grade mal 17 Uhr ist). Die zahlreichen
Tipps zum Basteln der meisterlichsten Laternen, die meinen Instgram-Feed
fluten. Und der Umstand, dass in meiner Familie bereits ein-, zweimal das
Lieblingsthema „Wie machen wir’s eigentlich an Weihnachten?“ touchiert worden
ist. Alles, was grade noch völlig sinnbefreit erschien, leuchtet mir
urplötzlich ein. Und das im wahrsten Sinn des Wortes, denn: Nürnberg leuchtet!
Ganz besonders leuchtet es bei mir vor der Haustür. Überall auf der Welt sitzen
gerade vermutlich Agenten verschiedenster Geheimeinrichtungen vor ihren
Satellitenbildern und wundern sich. Nanu, denken sie, was ist denn das hier für
ein heller Fleck? und zoomen weiter, immer weiter hinein in die von Düsternis
gezeichnete Welt. Inmitten des schönsten Mitteleuropas leuchtet es strahlend,
der Zoom zeigt Deutschland, Bayern, Franken, Nürnberg, und urplötzlich irgendwo
zwischen Rathenauplatz und Stadtpark einen Feuerwehreinsatz! Oder ein schweres
Polizeiaufgebot? Anders können sie es sich nicht erklären, dass dort auf einmal
die wildesten Lichter zu sehen sind. Sie versuchen, die Morsezeichen im heftig
blinkenden Grell zu dechiffrieren, doch keine Chance. Handelt es sich
vielleicht um Deutschlands größte Disko, die mal kreischend orange, dann
ampelgrün, auf einmal alarmsignalrot und dann wieder neonblau erscheint? Hat
sich da jemand eine private Flugzeug-Landebahn gebaut, die es sogleich zu
melden gilt? Ach nein, liebe Geheimdienste, ich kann euch beruhigen: Es sind
nur meine Nachbarn, die ihre alljährliche Weihnachtsbeleuchtung installiert
haben, vermutlich um für „stimmungsvolles Ambinente“ zu sorgen. Fragt sich nur,
welche Stimmung da herbeigerufen werden soll. Immerhin klappt’s, ich fühl mich
schon sehr nach Glühwein aus dem Tetrapack und RTL2. Adveniat regnum tuum – ich
freu mich drauf!
Freitag, 14. November 2025
Superpower
Ich hatte mal eine Freundin mit einer ganz sehr besonders
speziellen Gabe. Ich würde sogar sagen: eine Superkraft. Diese Freundin konnte
nämlich allein kraft ihres Willens ihre Peristaltik kontrollieren und somit
ungeachtet aller äußeren Umstände ihre Verdauungsprozesse an diese anpassen. So
erfreute sie sich beispielsweise in einem zweiwöchigen Campingurlaub irgendwo
in der kroatischen Walachei eines ausgezeichneten Durch- und Langschlafs ohne
jegliche Verlegenheit, nächtliche Wanderungen durch Fröstel und Regen über den
Campingplatz zum nächsten Klohäusel unternehmen zu müssen und schlief bis spät
in den Tag hinein den Schlaf der Gerechten, ohne dass ein Hauch von Notdurftnot
sie aufzuwecken vermochte. Während wir anderen kaum dass wir uns hingelegt hatten
schon wieder den Schlafsack von uns schälen, uns mit Crocs und Gummistiefeln
oder Regenschirmen bewaffnen und die lästige Reise antreten musste und morgens
mit der ersten Regung Sonnenschein direkt auch sogleich einen dringenden
Klowunsch verspürten, der keinen Aufschub gestattete. An dieser Frau habe ich
gestern Abend gedacht. „Warum bin ich so, dass ich lieber eine halbe Stunde im
warmen Bett liege und versuche, etwas absolut Unausweichliches irgendwie durch
Denkarbeit sich in Luft auflösen zu lassen, obwohl ich weiß, dass ich ohnehin
verliere, anstatt einfach schnell aufzustehen und aufs Klo zu gehen?“ habe ich
laut durch den Palast gewehklagt. „Genau“, hat der Mann klug ergänzt, „und dann
schläfst du dabei ein und musst dafür nachts raus, du Dummerchen.“ Was mir
überraschenderweise lieber ist. Zumal im Winter. Gerade hat man sich endlich
vor der garstigen Dunkelheit und grausigen Kälte der Welt im Allgemeinen und
der Wohnung im Speziellen in die wunderschöne Bettwärme geflüchtet, das Nest
schön vorgeheizt von der Wärmi, alle Körperteile bis hinauf zur Nase sicher
unter Daunen verstaut, und dann drückt die Blase und man soll schon wieder
aufstehen, damit man nachts nicht mehr muss? Pah! Ich sitz bzw. lieg das aus!
Schnell einschlafen und die Blase überlisten ist die Devise, weil viel lieber
geh ich nachts aufs Klo, wo ich nicht über mögliche Kälte nachdenke, sondern
über gar nichts, mir deswegen auf dem Weg die Hand am Türgriff anhaue, den Kopf
am Regalvorsprung und den kleinen Zeh an einer unvermittelt aufgetauchten
Türschwelle. Zurück im Bett fühle ich mich dann gerettet und entspannt und noch
dazu um die große Freude beschenkt, noch drei oder fünf Stunden schlafen zu
können – ein großer Genuss! Meinem Bruder, derzeit in Nepal wanderurlaubend,
stellt sich die Frage nicht: „Es ist hier acht Uhr abends, ich lieg in voller
Merinomontur samt Mütze und Schal im Polarschlafsack in irgendeiner unbeheizten
Baracke, und wie jeden Abend bete ich, dass ich nicht heut Nacht bei
mittlerweile Minus zehn Grad aufs Klo muss“, reiseberichtete es gestern. So
gesehen: Es könnte alles schlimmer sein. Meine Superpower: schlafen!
Freitag, 7. November 2025
Stadttourismus
Letzte Woche war ich in der Stadt. Ich finde es
bemerkenswert, dass ich immer noch „in die Stadt fahren“ sage. In der ersten
Hälfte meines Lebens war das durchaus zutreffend: Im östlichen Speckgürtel
wohnhaft waren Ausflüge in die City etwas Besonderes, das zwar auch nur eine
zehnminütige S-Bahnfahrt nötig gemacht hatte, wofür man sich aber brav
herausgeputzt und für die große Reise fein gemacht hat. Heute lebe ich innen
mitten drinnen im zentralsten Zentrum, habe lange mit mir gerungen, bis ich
soweit war, mich für einen schnöden Besuch beim Discounter um die Ecke nicht
extra in den edlen Ausgangszwirn zu kleiden, sondern mit großer zur Schau
getragener Egaligkeit zum Einkauf auch mit Jogginghose und Unfrisur zu begeben,
und trage diesen Gammellook seit langem stolz als Zeichen echten Urbanismus vor
mir her, derweil ich herausgeputzte Menschen in der Innenstadt verächtlich als
offensichtlich Auswärtige identifiziere. Deren viele schlenderten an besagtem
Tag durch die Gassen und Winkel und störten mein Auge durch blanke Anwesenheit.
Nicht so sehr wegen des Herausputzes, sondern weil sie mein Vorhaben
zerstörten, als wahre Bohemienne mitten am schönsten Werktag durch
bedauernswerte Arbeitstierchen zu flanieren und nach links und rechts großzügig
mitleidige Blicke zu verschenken an all diejenigen, die das Flair nur kurz in
einer Mittagspause genießen durften, derweil ich frei von Zeit und Raum einfach
tun und lassen konnte, was ich wollte. Doch weit gefehlt: In der ganzen
Innenstadt wimmelte es nur so vor Müßiggängern, denen man den Stadttouristiker
schon von weitem ansah – die protestantische Feiertagsextraregelung macht’s
möglich. Meiner Exklusivität beraubt befiel mich ein Verdruss, und ich wandte
mich ab von all der obszön zur Schau gestellten Freizeit, um heimwärts zu
kehren und im stillen Kämmerlein ganz für mich alleine meine Freiheit zu
zelebrieren. Doch wie es der Zufall will wandte ich mich nicht etwa dem Heimweg
zu, sondern versehentlich einem riesengroßen gelben Bus, den ich kurzerhand
bestieg und damit meine Heimkehr um gut zwei Stunden nach hinten verschob … In
dieser Zeit habe ich viel geschaut, primär nämlich über Mauern, über die man
sonst nie schauen kann und hinter denen sich hübsche Gärten und unerwartete
Friedhöfe verbergen. Außerdem viel wichtiges über die Stadt gelernt und ebenso
viel wieder vergessen (bis auf die sehr wichtige Info, dass die beiden roten
Hasen des örtlichen Energieversorgers „Sitz und Flitz“ heißen) … Zwei Stunden
dauert es nämlich, mit der hiesigen „City Line“, einem riesigen gelben
Doppeldecker-Bus durch die Noris zu kreuzen und diese einmal ernsthaft aus
Touristenperspektive zu erfahren. Den Bus hatten wir quasi für uns alleine:
Während die Touris herausgeputzt die Gassen durchstriffen, saßen wir im
urbanistischen Gammellook im Oberdeck und schauten ihnen beim Wuseln zu. Öfter
mal Tourist in der eigenen Stadt sein? Klare Empfehlung! Dafür kann man sich
dann schon auch mal rausputzen.
Freitag, 31. Oktober 2025
Eichhörnchen
„Das Eichhörnchen hält keinen Winterschlaf, es muss also die
ganze Zeit über fressen. Um in den kalten Monaten nicht zu verhungern, legt es
darum überall in seinem Revier Vorräte an“, hat eine salbungsvolle Stimme
dieser Tage in einem salbungsvollen Fernsehbeitrag über die Flora und Fauna in
Wales gesprochen. Ich habe mich dem kleinen braunen Puschel direkt verbunden
gefühlt – konnte also relaten, wie der Franzose sagt. Und das gleich auf sehr
vielen Ebenen, darunter eine mitfühlend, weil auch ich keinen Winterschlaf
halten darf und das zutiefst bedauere. Und wie auch das Eichhörnchen war ich in
den letzten Wochen ausnehmend viel damit beschäftigt, Vorräte anzulegen. Die
mich zwar nicht über den Winter bringen werden, dorthinein aber zumindest
gelegentlich ein bisschen Sommergeschmack bringen können. Unter diesen
angelegten Vorräten befinden sich mehrere Kilo entsteinte und tiefgekühlte
Zwetschgen (oder „Quetzgschen“, wie der Zwerg zu sagen pflegt), viele Gläser
grünleuchtendes Pesto, ein TK-Fach voller köstlicher Apfelvollkornbrote, nicht
zu wenig Apfelstreuselkuchen, fein säuberlich als leuchtend rote Perlenmatte
eingefrorene Johannisbeeren, die sich an die letzten, wirklich allerletzten und
artig vorgeschnittenen Zucchini schmiegt und literweise Apfelmus. Ja, es ist
vielleicht ein bisschen einseitig, aber so hat’s die Natur eben geschenkt, da
kann man eben nicht sagen „Du, Apfelbaum, es wäre mir schon recht, wenn du
jetzt auch einmal einen schönen Käse wachsen lassen könntest oder eingelegte
Oliven.“ Selbstverständlich hat meine Betätigung allerlei Lästerbacken auf den
Plan gerufen. „Bist du jetzt auch eine Tradwife oder was?“ krieg ich zu hören,
wenn ich sage, ich kann jetzt schon wieder nicht telefonieren weil der Teig.
„Ja“, sag ich dann, „so wird es wohl sein. Ich bin heute Morgen um 5 Uhr
aufgestanden, um dem Göttergatten eine feine Vesperdose zu kreieren. Dann habe
ich mich geduscht, sorgfältiges Makeup aufgelegt, das mich für alle
Eventualitäten des Tages rüstet (Postbote, Müllabfuhr, spontane Videodrehs),
mein Schnittlauchhaar gebürstet und geglättet, mich anschließend in ein figurbetonendes
Mieder gezwungen und darüber das feine Blümchenkleid samt Petticoat gedrillt
und dazu die leichten Alltagsstöckel mit nur 8 cm Absatzhöhe gewählt. So stehe
ich hier den ganzen Tag, schäle und zermuse Äpfel und warte, dass der
Göttergatte nach Hause kehrt und ich ihm das Abendessen zum den staubigen Bart
schmieren kann …“ Dann höre ich, wie es am anderen Ende der Leitung schwer
schluckt, lache in mich hinein und schaue an mir herunter: eine konturenlose
Jogginghose, ein altes Shirt voller Mehl und Butter, Kuschelsocken in
Plüschlatschen, auf dem Kopf eine formvollendete Frisur namens „grade
aufgestanden“, mit der ich eigentlich niemandem begegnen will. Wer Essen will,
braucht keine Frisur. Auch das habe ich mit dem Eichhörnchen gemein.
Freitag, 24. Oktober 2025
Zeitumstellung
Die Ankündigung „es ist wieder soweit“ deutet meistens auf ein Ereignis hin, dass regelmäßig und zum gleichen Zeitpunkt wiederkehrt, unabwendbar ist, niemanden besonders überrascht und darob gänzlich überflüssig ist. Die Ankündigung. Manchmal auch das Ereignis selbst. Manchmal beides. Derlei Ereignisse stehen in der kommenden Zeit (ich sag’s ungern, aber heute in acht Wochen ist Weihnachten. Oder „in zwei Monaten“, falls das weniger bedrohlich klingt) zahlreich an, keines ist dazu angetan, uns sonderlich zu überraschen, weil man kann eh nichts dagegen tun. Wer jetzt spontan Christkindlesmarkt, Stille Feiertage und Jahreswechselzinnober (gerade gelernt: Beim „Zinnober“ handelt es sich um ein aus der Verbindung von Quecksilber und Schwefel entstehendes rotes Mineral, denkt mal drüber nach!) im Sinn hat: ja, stimmt schon, aber – gemach! Erst einmal steht jetzt ein anderes Ereignis bevor, das absolut unabwendbar ist, jährlich sogar gleich zweimal wiederkehrt und uns dennoch von Mal zu Mal aufs Neue völlig überrascht. Mich zumindest. Die Rede ist selbstverständlich von der Zeitumstellung, denn jetzt, liebe Lesende, „ist es wieder soweit“. So gewiss wie das Ereignis selbst ist auch die Debatte, die so nicht im Vorfeld mindestens in den Folgewochen geführt werden wird. Abschaffen ja/nein, Winter- vs. Sommerzeit, alles ist auf einmal schrecklich, Deutschland im kollektiven Jetlag, von dem ich ja behaupte, es handele sich hierbei lediglich um eine willkommene Begründung für die seit Wochen mangels Sonnenlicht vermehrte Schläfrigkeit. Nachdem ich die ohnehin immer habe und den Rest das Digitaluhrwesen für mich regelt, könnte mir die Zeitumstellung weitestgehend schnurz sein. Ist sie auch. Doch was mich zweimal jährlich aufs äußerste beschäftigt ist: Wie wird eigentlich umgestellt? Eine Frage, die ich mir einfach nicht beantworten kann. Die ganz Schlauen kommen mir dann immer mit klugen Merksätzen, doch genau so gut könnte man mir die sprichwörtlichen „böhmischen Dörfer“ runterbeten. Ein besonders gern genutztes Beispiel ist das mit irgendwelchen Möbeln, die man je nach Saison in die Garage stellt oder in den Keller und bei Bedarf wieder herausholt. So war das doch, oder? Leider verstehe ich nicht, wie mir das als Eselsbrücke zur Zeitumstellung helfen soll. Bedeutet das: Im Winter hängen wir am besten alle Uhren ab oder werfen Tücher drüber, weil sowieso ist die Uhrzeit egal, wenn es den ganzen Tag nur finster ist? Schätze, so wird es gemeint sein. Morgens dunkel, abends auch, dazwischen Frieren, Dämmerung und Miesepeterei. Herrliche Aussichten! Insofern würde es mir völlig reichen, am Sonntag zu überhaupt irgendeiner Uhrzeit einmal aufzuwachen. Welche, ist mir schnuppe. Und überhaupt: Ich geh mir jetzt eine Tageslichtlampe kaufen. Dann bin ich frei von Raum und Zeit. Und damit auch von allem, wofür es „endlich wieder soweit ist“.