Freitag, 2. Mai 2025

Frühlingsgestank

Noch mehr Powersätze für den Frühling! Neben den bereits bekannten („Boah ist das heiß in der Sonne“, „Wenn die Sonne weg ist, ist es direkt total kalt“, „Wenn nur dieser kalte Wind nicht wäre“) möchte ich dringend noch einen ergänzend hinzufügen, nämlich: „O mei, und wie gut das hier rieeeeeecht!“ Selbstverständlich wissen wir alle, dass wenn der Frühling sein blaues Band durch die Lüfte flattern lässt, süße, wohlbekannte Düfte ahnungsvoll durchs Land streifen. Das war allerdings nicht ganz der Satz, den ich im Kopf hatte, als ich gestern aus der U-Bahn stieg. Sondern eher sowas wie „Fuck, haben die oben an der Baustelle jetzt die Kanalisation endlich versehentlich gesprengt oder was ist jetzt hier los?“ und verbarg meine Nase tief im Revers. Um mich herum grünte und blühte es gar wunderbar, doch leider stank es dazu auch wie inmitten der schönsten Klärgrube oder zumindest so, wie ich mir den Geruch da vorstelle. Mit leichtem Würgen begab ich mich auf eine kurze Suche nach dem Ursprung und hatte den Täter auch schnell identifiziert: Riesige, herrliche Büsche voller prächtig und prall leuchtend weißer Blüten – ein wahrer Augenschmaus, doch ganz sicher keiner für die Nase, denn der Geruch des „Eingriffeligen Weißdorn“ wird, hört hört!, von vielen Menschen als unangenehm empfunden, da er an „[…] verdorbenen Fisch erinnert“. Na danke! Zurück in der U-Bahn empfing mich ein weiterer Nasenschmaus, nämlich der tausender Jugendlicher, die erst in Schule und Polyester schwitzten und schließlich damit den öffentlichen Raum beglückten, während schnell ein kleines Mittagsdönerchen verdrückt wurde; wo sie aber, so viel darf gesagt sein, mit zahlreichen stolz gelüfteten Achseln um die Wette olfaktorisierten. Nach so einem ereignisreichen und warmen Frühlingstag kann man zum Feierabend schon einmal die Idee bekommen, unter dem Tisch im Straßencafé die heißen Mauken zu lüften – doch cave caseum! – nicht alles, was für so einen ausgewiesenen Schweißfuß gut ist, muss für Umsitzende auch angenehm sein. Man flüchtet also lieber eilig in den Park, wo unlängst von der Autorin selbst ein riesiges fischenes Ungeheuer im Teich gesichtet wurde, und neben diesem Wunder gibt es noch ein anderes, nämlich eines mit Odeur: Nach nur zwei Tagen Temperatur über 15°C schaffen es einschlägige Gewässer im Stadtgebiet, derart nach Tod und Teufel zu stinken, dass die Überlegung erlaubt sein soll, ob man dem Teich nicht prophylaktisch den Stöpsel zieht, bevor doch noch ein kostspieliger Giftgaseinsatz notwendig wird. Zur Beruhigung (oder Ablenkung) hat uns’ SÖR, gärtnerisch seiner Zeit seit jeher voraus, eine List ins Tulpenbeet gepflanzt: Was so riecht wie die Jahreshauptversammlung des ersten Cannabis Clubs ist nichts weiter als Fritillaria imperialis, die „Kaiserkrone“, mit royalem Namen, jedoch äußerst plebejischem Geruch … Frühling, ja du bist‘s. Dich hab ich vernommen!

Freitag, 25. April 2025

April macht was er will

April, April macht was er will! Vor ein paar Tagen wollte ich, o Wunder, das Haus verlassen. Wie so oft bin ich kurz zuvor auf den Balkon getreten, um eine ungefähre Ahnung der Temperatursituation zu bekommen, und wie so oft habe ich mich damit ordentlich aufs Kreuz gelegt. Als ich fünf Minuten später die Haustür verließ, überfiel mich sogleich ein Eisschauer, und die kommenden fünf Minuten konnten aufmerksame Nachbarn (und davon habe ich einige) ein seltsames Schauspiel beobachten. Nämlich die blonde Frau, die ein paar Meter vom Haus weggeht, stehenbleibt, ein paar Meter geht, stehenbleibt, umdreht, ein paar Meter zurück läuft, stehenbleibt, wieder umdreht, um weiter zur Straße zu gehen, um nach einem erneuten Stehenbleiben genervt aufzuschluchzen, zum Haus zurück zu eilen und zehn Minuten später in völlig anderer Montur, nämlich mit Daunenjacke und deutlich ausgebeultem Rucksack, endlich von dannen zu ziehen … Um einige Stunden später schwer schwitzend wieder heim zu kehren. Wie so oft bin ich dann also auf meinen eigenen Temperaturcheck hereingefallen, eignet sich mein Südbalkon doch nur begrenzt als Entscheidungshilfe für die Klamottenwahl. Völlig windgeschützt und von morgens bis abends der Sonnenwärme ausgesetzt, hat es dort gut und gerne mal locker zehn Grad mehr als auf der Rückseite des Hauses, die den ganzen Tag im Schatten und noch dazu im kühlenden Frisch zahlreicher Platanen liegt. Die Kunst ist es also, den Mittelweg auszutarieren. Was mir meistens misslingt. Und erschwerend eine mich stets begleitende massive Erfrierungsangst dazukommt. Nicht gerade gemäßigt wird dieses persönliche Defizit von der Witterung, wie sie uns aktuell wieder beglückt und die ich nur einigermaßen unbeschadet dank diverser Tricks wie auf Taschentuchgröße zusammenknüllbarer Leichtjacken überstehe. Der April macht halt, was er will, und garantiert nicht das, was mein Wetter-App-höriger Freundeskreis von ihm erwartet. „Am Sonntag soll so schönes Wetter werden“ akzeptiere ich unter keinen Umständen als ein an einem Mittwoch vorgetragenes Ausflugsargument, wenn noch nicht einmal gewährleistet ist, dass das schöne Wetter von heute Vormittag nicht am frühen Nachmittag schon keinen Bestand mehr haben wird. Ich nenne das gerne die „Wolfgang-Petry-Gedenk-Zeit“, nur dass ich nicht wie der Künstler kiloweise Bänder ums Handgelenk trage, sondern dafür gern einmal am Nachmittag zentnerweise Jacken, Pullis und Schals, die am Morgen noch dringend notwendig waren, formunschön um die Leibesmitte geschlungen herumschleppe. Doch nicht nur der April macht, was er will. Ich kann das auch. Deswegen lass ich mich nicht mehr ins Bockshorn jagen, sondern nehme in Protesthaltung gerne Platz auf dem Kanapee. Das ist sehr neu, sehr bequem und das wichtiges: absolut zuverlässig vorhersagbar. 

Freitag, 11. April 2025

Mehlwurm

 

Ich wollte einen Kuchen backen. Um genau zu sein ein „Brot“, denn so haben wir das alle vor ziemlich genau fünf Jahren gelernt: Lasse Bananen so lange wie möglich liegen und vor sich hingammeln, ignoriere den Prozess absichtlich und überrasche dich nach einiger Zeit selbst mit dem Reifegrad deutlich über dem Verfallsdatum. Zermatsche die Bananen, füge allerlei einschlägige Zutaten aus dem Segment „Backen“ hinzu samt einer ordentlichen, für „Brot“ genannte Erzeugnisse üblichen Portion Zucker, und fertig ist ein formidables Gebäck, das nur Unwürdige als „Kuchen“ bezeichnen. Wahre Connaisseure hingegen sagen „Bananenbrot“ und schieben sich stündlich ein bis zwei dicke Ranken davon zwischen die Kiemen, weil Brot ist gesund, und außerdem haben wir fünf Prozent des Weißmehls durch Vollkorn ersetzt! Hätten wir. Denn dann haben wir eines der großen Gläser geöffnet, in denen wir zum Schutze vor Befall durch Viecherkram alles, was Nudel, Mehl, Reis & Co. heißt, aufbewahren, und hatten gottlob die gute neue Brille auf und die Ruhe weg. Dank diesen (Ruhe und Brille) konnte nämlich ein genauer, sehr genauer Blick ins Glas geworfen werden, und bei dieser genauen Betrachtung begannen sich einzelne Mehlstäube plötzlich zu bewegen. Gut, hab ich gedacht, es ist noch früh am Morgen, du hast vorhin auch einmal heftig geatmet und draußen weht ein rechter Wind, da kann so ein Mehl schon einmal in Bewegung geraten. Aber dass das Mehl von heftigen Luftstößen auch kleine Beinchen und Köpfchen bekommen könnte, war mir dann doch ein bisschen rätselhaft. Eilig hab ich das Glas geschlossen und es unschlüssig zur Seite gestellt, wo es jetzt seit Tagen steht und seine mikroskopisch kleinen Bewohner munter weiter Gräben und Tunnel ins Getreide bohren. Unerwünschten Tierbefall im Lebensmittel – es ist ja nichts Neues. Regelmäßig hört man von Menschen, die zum Großreinemachen in Küchen gezwungen werden, weil sich irgendwo ein feiner Nistplatz aufgetan hat, aus dem sich dann die Viecher tummeln. Als besonders eindrücklich habe ich einen Sesam in Erinnerung, der bei einem gemeinsamen Sushi-Event genau so lange köstlich schmeckte, bis das Ursprungsglas zum Zwecke des Nachschlages angereicht und darin nebst den schmackhaften Saaten noch allerlei schleimiges Fadenzeugs gefunden wurde. Bon appetit! Dann kam eine Frage auf: Wenn doch jetzt eh Insektenmehl & Co. en vogue sind, weil nachhaltig und Proteine, wieso soll ich dann teuer kaufen, was eine Industrie erzeugt, wo ich doch offenbar selbst sehr gut Insekten produzieren kann? Wie viel bleibt übrig von der Milbe nach 60 Minuten bei 175 Grad (Umluft)? Und warum also soll ich also das gute Mehl in den Müll schütten anstatt in die Rührschüssel? „Beim Menschen konnten nach Verzehr [mit Mehlmilben] befallener Lebensmittel Magen-Darmprobleme, asthmatische Erkrankungen der Atemwege und ekzemartige Hauterkrankungen beobachtet werden“, sagt das Umweltbundesamt. Na gut.

Freitag, 4. April 2025

Spa-Crawl

 

Schönen guten Morgen zusammen, zum Wochenende präsentieren wir Ihnen freudig die drei wichtigsten Sätze für Gespräche mit Oma, beim Bäcker oder einfach mal so zwischendurch im freundlichen Selbstgespräch: „Wahnsinn, die Sonne! Man muss sich halt nur echt schon eincremen.“, „Aber sobald die Sonne weg ist, ist es furchtbar kalt.“ und „Es könnte so schön sein, wenn nicht dieser scheußliche kalte Wind wäre!“ Da hab ich mir gedacht „Woanders kannst du auch frieren!“ und bin letzte Woche freudig in ein Angebot für einen Wochenend-Trip eingetaucht, das allerlei versprach („Drei Tage Luxury Spa & Wellness“, „Vollverpflegung“, „zahlreiche Anwendungen inklusive“), vor allem aber andere Tapeten, die man zwischendurch mal angucken kann. Kein echter Urlaub, aber eine kleine Flucht. Mini-Urli. Urlini, sozusagen. „Das wird entweder super“, wusste ich zu prophezeien, „oder eine Katastrophe, aber dann haben wir wenigstens was zu lachen.“ Karlsbad also. Einer der Sehnsuchtsorte vergangener wie heutiger Tage, der Inbegriff von Entschleunigung, Achtsamkeit und Wellness aus einer Zeit, als diese Begriffe noch nicht erfunden waren. Die meisten kennen den Ort sicher als Ursprung einer Waffelspezialität (Bröselzucker zwischen zwei klebrigen Oblaten), viele andere vielleicht von Großeltern oder sonstigen Bekannten älteren Semesters, denn hier kontempliert es sich aufs Äußerste durch eine pittoreske Umgebung habsburgischen Pomps, und statt wie früher von Kneipe zu Kneipe zu ziehen und verschiedene Mischungen von Spritz & Co. zu degustieren, latscht man (ich) hier mit einem kleinen Schnabeltässchen einen Fluss entlang, an dem sich 15 Quellen feinsten Heilwassers befinden, um abwechselnd heißes, sprudelndes oder stinkendes Nass selbst abzuzapfen und sich daran zu laben und sofort zu gesunden. Soweit die Theorie, die in der Praxis höchstens gestört wird von den zahlreichen Becherovka-Ständen, um sich zwischendurch den Mund zu spülen. Links und rechts ragen die prächtigsten Bauten auf, und der Höhepunkt ist ein 300 Jahre altes Grandhotel, das an Prunk und Majestät seinesgleichen sucht. Und das ich vorsichtshalber nur auf eine heiße Schokolade betreten habe, um anschließend lieber mit einem müffelnden Bus ins Industriegebiet am Stadtrand zu schaukeln – wo sich mein Hotel befand … Sagen wir mal so: zu lachen gab’s einiges, auch wenn ich die Aktionsabende „Becherovka & Sie“ und „Caribbean Night“ zugunsten eines ausgezeichneten Nachtschlafs verpasst habe und das berühmte Karlsbader „Bierbad“ sich als profanes Schaumbad herausstellte, zu dem ein Krügerl Bier gereicht wurde. Der Erwerb einer überdimensionierten Gartenfigur auf dem grenznahen Mode- und Designmarkt wurde mir allerdings verboten, ich muss also unbedingt nochmal hin. Dann aber ins Grandhotel! Kommt jemand mit?

Freitag, 28. März 2025

Gamechanger

 

Seit einiger Zeit hat sich in meinem Umfeld ein Wort etabliert, das mein Herz erwärmt: Gamechanger. Natürlich haben sich noch weitere Wörter und Ausdrücke etabliert, die mich weit weniger froh machen. Beispielsweise die grauenhafte Unsitte, Sätze mit „tatsächlich“ zu beginnen, so als lebten die Sprecher in der steten Sorge, ihre Meinung, Erfahrung etc. pp. würde sowieso angezweifelt und es sei es deswegen vonnöten, direkt von vornherein in Verteidigungsstellung zu gehen. „Und was hast du gestern Abend gegessen?“ – „Tatsächlich nur ein Schokomüsli.“ Oder „Was hast du am Wochenende so vor?“ – „Tatsächlich noch nichts weiter.“ Oder „Wie fandest du den letzten Franken-Tatort?“ – „Tatsächlich ganz gut.“ Das arme kleine Adverb weiß gar nicht, wie ihm geschieht und ist so überfordert von der inflationären Falschnutzung, dass es sich hilfesuchend an seinen Schicksalsgenossen „ehrlicherweise“ wendet und um Hilfe bittet, denn diesem widerfährt ebenfalls schon seit langem eine traurige Falschnutzung. „Ehrlicherweise finde ich dich saudoof.“ ist einfach nicht das gleiche wie „Um ehrlich zu sein, finde ich dich saudoof.“ Ganz anders und absolut korrekt angewendet findet sich also besagter „Gamechanger“ in der Alltagssprache wieder, und ich begrüße ihn herzlich und mit offenen Armen, besagt das Wort doch „eine Person, eine Sache oder ein Ereignis, das eine grundlegende Veränderung bewirkt“, und genau so wird es auch benutzt. Nun lang ich dieser Tage abends im Bett und war selig über meinen neuen Gamechanger: ein dickes, herzförmiges Kissen, das man sich mit einer Art gepolstertem Strumpfband um den Oberschenkel legen kann, um dann, wann immer im Schlaf die Position von Rücken auf Seite gewechselt wird, ein prächtiges Kissen zwischen den Knien klemmen zu haben anstatt die Decke dorthin zu stopfen (dann Rücken frei, dann Rücken bedeckt, aber Füße frei … - man kennt das). Dann habe ich überlegt, was eigentlich sonst so die Gamechanger der jüngeren Vergangenheit waren, und nach einigem Sammeln traf mich eine Erkenntnis, die mich seitdem vergnügt lächeln lässt: Bei allem, was mein Umfeld als „Gamechanger“ bezeichnet, handelt es sich um eine Person, eine Sache oder ein Ereignis, das schnurstracks den Alterungsprozess, körperlichen Verfall und die schrittweise Akzeptanz derselben zum Thema haben. Kniekissen beispielsweise. Aber auch die berühmten Gamechanger „Brille“ („Geil, ich brauch doch keinen neuen Fernseher, plötzlich ist alles wieder scharf!“), „Einkaufslieferservice“ („Ich schaff das einfach nicht mehr mit der Schlepperei in den vierten Stock Altbau.“), „bügelloser BH“ („Kein Plan wie ihr das aushaltet mit den unbequemen Dingern!“), „elektrische Fußwärmer“ („Keine Ahnung wie ich das früher ohne überlebt hab.“) oder, einer meine absoluten Favoriten „Bodenkissen mit Rückenlehne“ („Jetzt kann ich endlich wieder jugendlich am Boden sitzen, mein Rücken macht das sonst einfach nicht mehr mit.“).

 

Freitag, 21. März 2025

Sonnencreme

 

Alles klar, das ging dieses Jahr unverhofft schnell: Just am ersten Tag, der das Attribut „frühlingshaft“ mal wirklich verdient und der Stadt zumal an windstillen Orten ordentlich Sonnenbumms beschert hat, war ich natürlich auch am Start. Ich hielt mein süßes kleines Stupsnäschen beherzt in die Wärme und schwitzte in dünnem Pulli und T-Shirt, während die noch im Schatten stehenden Füße jämmerlich froren, und ignorierte fröhlich das leise Zupfen an meinem Hosenbein. Dieses rührte, wie mir ein kurzer Blick bei der ersten Störung verraten hatte, von einer kleinen gelben Tube, die aus meiner Tasche lugte und versuchte, meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. „HEY DU PSCHT!“, wisperte es unter meinem Stuhl hervor, „du musst dich einschmieren! Schmier dich ein, du kommst in Teufels Küche! Wenigstens das Gesicht, bitte!!“ flehte die kleine Tube und zupfte weiter. Ich knurrte zwischen zu einem angestrengten Lächeln gepressten Zähnen zurück. „Auf gar keinen Fall fangen wir jetzt schon an mit dem Gebatzel, vergiss es!“ und schloss die Bedenken hinterm Reißverschluss ein. Zu spät. „Bist du nicht eingecremt?“ erkundigten sich Freundinnen verdutzt und ich schrie. „NEIN!“ schrie ich. „Geht weg, lasst mich in Ruhe, ich hasse das, ich will nicht, ich KANN nicht!“ und ehe ich’s mich versah, kullerte eine kleine Träne großen Zorns mein errötendes Bäckchen hinab. Schon immer eher der nordische Typ, verfüge ich mittlerweile über eine alabasterweiße Haut, nach der sich der gesamte sonnenkönigliche Hofstaat einst die Finger geleckt hätte. Um genau zu sein dürfte ich wahrscheinlich keine drei Minuten ungeschützt in die Sonne. Aber es will mir einfach nicht in den Kopf: Wir fliegen auf den Mars, klonen Schafe und bauen Städte ins Wasser, sind aber nicht in der Lage, einen Sonnenschutz zu erfinden, der nicht nur haut-, sondern auch sozial- und alltagsverträglich ist? Nix! Alles klebt und pappt, verfärbt Möbel und Utensil und verurteilt weiße Kleidung zu einem Leben mit Speckrand und Gilb. Die letzte (hochwertige!) Sonnencreme, die ich fürs Gesicht erworben habe, hat statt sich gleichmäßig zu verteilen derart ausgefusselt, dass ich aussah, als hätte ich mein Gesicht in Kokosraspeln getunkt. Kannst du freilich sagen „So lang’s hilft?!“ aber: nein. Es ist ja auch gesellschaftlich nicht anerkannt, sich im Sommer zwischendurch einmal in eine Staubfläche oder Schlammpfütze zu werfen wie ein Elefant, um die zarte Haut zu schützen. Wobei, wenn’s nach mir ginge: auch nicht schlimmer als Sonnencreme, dafür praktisch immer verfügbar und wenigstens kein Gepappe. Wenn wir uns hierauf einigen könnten – ich wär dabei. So aber trag ich meine gerötete Stirn stolz durch den Frühling. Na gut, und zugegebenermaßen eventuell auch einmal kurz in eine Drogerie.

Freitag, 14. März 2025

Frühjahrsputz

 

Kaum spähen die ersten schüchternen Knösplein aus der Erde, flattert ein früherwachter Schmetterling durch die Prärie und traut sich eine Kneipe, einen Stuhl vor die Tür zu stellen, schon schreit’s landauf, landab „FRÜHJAHRSPUTZ!!!“ und emsige Diener und Dienerinnen der Reinlichkeit schwärmen aus. Niedliche Schwämme, glitzernde Lappen und Hochglanzsprays finden jetzt reißenden Absatz, und das Internet quillt schier über vor kluger Tipps und Ratschläge: „Frühjahrsputz: 5 einfache Tipps, die das Putzen erleichtern“ heißt es da, „Frühjahrsputz: So gehen Sie ihn richtig an!“ oder, was mir auf eine Art besonders gut gefällt, „Frühjahrsputz: Checkliste mit allen Tipps und Aufgaben“. Ich nehm das mal so an: „Wir empfehlen ein Wochenende mit typisch grauem Schmuddelwetter“, so heißt es bei „Glamour“, und schon stellt sich eine Erleichterung ein, schließlich war ich bereits im Begriff, sämtliche Verabredungen fürs erste schöne Frühjahrsglück zu verweigern und mich stattdessen über den Putz herzumachen. „Viele erledigen den Frühjahrsputz rund um den kalendarischen Frühlingsanfang. Das heißt aber natürlich nicht, dass du den großen Frühjahrsputz nicht auch noch im April erledigen kannst.“ Die Erleichterung wird größer, denn schon bin ich geneigt, alle Pläne fürs Großreinemachen zu canceln und gemütlich auf sagen wir Ende April zu verschieben. „[…] leitest du den Frühjahrsputz am besten mit einem ausgiebigen Frühstück ein“ stand als nächstes zu lesen, und so sitz ich hier an einer opulenten Morgentafel und beschäftige mich mit dem Frühjahrsputz vorerst nur rein theoretisch. „Plane genug Zeit ein und lass dich nicht stressen.“ Nein danke, mach ich nicht, ganz lieb. Was hat es wohl auf sich mit dem Frühjahrsputz? Die Herkunft leuchtet mir durchaus ein: Habe ich die Wintermonate tagein, tagaus mit meiner 13-köpfigen Familie nebst Vieh und Knecht im Duster meiner Ein-Raum-Stallung verbracht, ist es vielleicht am Ende der Saison durchaus sinnvoll, ein bisschen Ordnung in die vier Wände zu bringen. Jetzt wohn ich zwar nicht grade herrschaftlich, aber auch nicht direkt in einer finsteren Höhle, so dass ich durchaus in der Lage war, meine Quadratmeter einigermaßen rein zu halten. Wie mag es da wohl den anderen gehen, die jetzt zum großen Kehraus rufen? Immerhin einer lässt sich von meinen Zweifeln nicht beirren: „Schatz, dein Traum vom Haustier wird endlich wahr!“ kündete der Mann, und seitdem zieht Tag für Tag ein kleiner Roboter ächzend seine Runden und saugt und wischt, was das Zeug hält. Frühjahrsputz? Die Dame LÄSST putzen. Dabei beherzigt sie allerdings einen weiteren Tipp sehr gerne: „Lege deine Lieblingsmusik auf. Wenn du beim Putzen lauthals mitsingst, ist das Ganze nur halb so schlimm.“ Ich wähle Mary Poppins: „In jeder Arbeit, merkt euch das, steckt auch ein kleines bisschen Spaß. Versteh den Spaß und schnapp, die Arbeit klappt.“