Ich habe in letzter Zeit öfter mal ein Kompliment bekommen.
Das ist eine feine Sache. Wer bekommt nicht gerne Komplimente, auch wenn man
sie häufig zu selten selbst anderen macht und, vielleicht aus dem gleichen
Grund, im Annehmen eines solchen Kompliments ungeübt ist und deswegen sogleich
„gschamig“ reagiert: „Ach du lass mal, das ist nur das Licht.“ oder „Böh, das
muss daran liegen, weil ich vorhin mal wieder geduscht habe.“ Das jetzt
gemeinte Kompliment lautet sinngemäß immer irgendwie nach „du siehst so frisch
aus“, und irgendwann bin ich dahintergekommen, was der Anlass dafür sein muss:
mein Lieblingspullover, den ich zwar seit dem Winter besitze, ihn aber aus
Gründen bis vor kurzem unter geschichtetem Fleece und schlafsackgroßen Daunenmänteln
verborgen trug. Dieser Pullover erfüllt mich schon beim Anblick mit großer
Freude und Frische. Dabei ist die Farbe kein sonniges Gelb oder wärmendes
Orange, auch kein friedliches Blau oder hoffnungsvolles Grün, sondern: Rosa.
Die Farbe aufgestellter Polohemdkrägen und lässig um den Hals geschlungener
Strickware, vor allem aber die Farbe der Prinzessinnen und Tussis und somit der
Albtraum feministischer Erziehung der 80er Jahre, wie sie mir als Kind
angediehen und in die DNA implementiert worden war: Rosa ist
Geschlechterklischee und Rollentrennung und darob, pardon, scheiße. Meine
Kindheit war entsprechend nach Möglichkeit rosafrei und stattdessen voller
Cordbraun, Jeansblau oder Straßenstaubschmutzig, und zwar konnte ich den Eltern
mit Aufbegehr und unter Aufbietung großer Kräfte „die Farbe der anderen
Mädchen“ abtrotzen, war aber dennoch schon frühzeitig so idealistisch geimpft,
dass ich beispielsweise ein rosa Kleid, dass die Mutter nächtelang für mich
nähte, zwar gern kurz einmal anzog, es dann aber bei der ersten Konfrontation
mit Praxistauglichkeit (Skateboarden, Fußball, Räuberhöhle) nur zu gern wieder
gegen eine erdfarbene Latzhose austauschte. Irgendwann war das Thema
durchexerziert und die Farbe Rosa verschwand aus meinem Leben, wohinein ich sie
mit Anfang zwanzig gewaltsam zurückzerrte und in Form irgendeiner postinfantilen
Persönlichkeitsentwicklung als möglichst knallbunte Variante (Pink) installierte:
pinke Schals, pinkes Ohrgehänge, pinke Schuhe oder pinke Hirschgeweihe zierten
fortan meinen Alltag. Eine Art späte Überreaktion, vermutlich, auf die eine
lange Pause folgte. Nach ein paar verschämten Versuchen in Pastell habe ich
mich unlängst getraut, zurück zum Rosa zu kommen. Und was soll ich sagen? Ich
bin begeistert. Nicht nur, weil „Rosa“ so viele schöne Bedeutungen hat bis hin
zur Zuschreibung, es könne Aggression und Gewalt besänftigen. Jetzt füge ich
mich also nur zu gern selbstbewusst ein ins Frühlingsbild als große rosa Blüte.
Und wenn ich dafür noch Komplimente bekomme, dann soll mir das nur recht sein.