Freitag, 24. Oktober 2025

Zeitumstellung

Die Ankündigung „es ist wieder soweit“ deutet meistens auf ein Ereignis hin, dass regelmäßig und zum gleichen Zeitpunkt wiederkehrt, unabwendbar ist, niemanden besonders überrascht und darob gänzlich überflüssig ist. Die Ankündigung. Manchmal auch das Ereignis selbst. Manchmal beides. Derlei Ereignisse stehen in der kommenden Zeit (ich sag’s ungern, aber heute in acht Wochen ist Weihnachten. Oder „in zwei Monaten“, falls das weniger bedrohlich klingt) zahlreich an, keines ist dazu angetan, uns sonderlich zu überraschen, weil man kann eh nichts dagegen tun. Wer jetzt spontan Christkindlesmarkt, Stille Feiertage und Jahreswechselzinnober (gerade gelernt: Beim „Zinnober“ handelt es sich um ein aus der Verbindung von Quecksilber und Schwefel entstehendes rotes Mineral, denkt mal drüber nach!) im Sinn hat: ja, stimmt schon, aber – gemach! Erst einmal steht jetzt ein anderes Ereignis bevor, das absolut unabwendbar ist, jährlich sogar gleich zweimal wiederkehrt und uns dennoch von Mal zu Mal aufs Neue völlig überrascht. Mich zumindest. Die Rede ist selbstverständlich von der Zeitumstellung, denn jetzt, liebe Lesende, „ist es wieder soweit“. So gewiss wie das Ereignis selbst ist auch die Debatte, die so nicht im Vorfeld mindestens in den Folgewochen geführt werden wird. Abschaffen ja/nein, Winter- vs. Sommerzeit, alles ist auf einmal schrecklich, Deutschland im kollektiven Jetlag, von dem ich ja behaupte, es handele sich hierbei lediglich um eine willkommene Begründung für die seit Wochen mangels Sonnenlicht vermehrte Schläfrigkeit. Nachdem ich die ohnehin immer habe und den Rest das Digitaluhrwesen für mich regelt, könnte mir die Zeitumstellung weitestgehend schnurz sein. Ist sie auch. Doch was mich zweimal jährlich aufs äußerste beschäftigt ist: Wie wird eigentlich umgestellt? Eine Frage, die ich mir einfach nicht beantworten kann. Die ganz Schlauen kommen mir dann immer mit klugen Merksätzen, doch genau so gut könnte man mir die sprichwörtlichen „böhmischen Dörfer“ runterbeten. Ein besonders gern genutztes Beispiel ist das mit irgendwelchen Möbeln, die man je nach Saison in die Garage stellt oder in den Keller und bei Bedarf wieder herausholt. So war das doch, oder? Leider verstehe ich nicht, wie mir das als Eselsbrücke zur Zeitumstellung helfen soll. Bedeutet das: Im Winter hängen wir am besten alle Uhren ab oder werfen Tücher drüber, weil sowieso ist die Uhrzeit egal, wenn es den ganzen Tag nur finster ist? Schätze, so wird es gemeint sein. Morgens dunkel, abends auch, dazwischen Frieren, Dämmerung und Miesepeterei. Herrliche Aussichten! Insofern würde es mir völlig reichen, am Sonntag zu überhaupt irgendeiner Uhrzeit einmal aufzuwachen. Welche, ist mir schnuppe. Und überhaupt: Ich geh mir jetzt eine Tageslichtlampe kaufen. Dann bin ich frei von Raum und Zeit. Und damit auch von allem, wofür es „endlich wieder soweit ist“.

Freitag, 17. Oktober 2025

Müdigkeit

 

Na, auch noch nicht wach geworden? Es ist jetzt halb fünf am Nachmittag, und wo andere Leute sagen würden „Ich habe gefühlt den ganzen Tag geschlafen“ kann ich mit Fug und Recht und kein bisschen Stolz behaupten: Ich HABE den ganzen Tag geschlafen. Eine analytische Ergründung der Ursache bin ich mir bislang schuldig geblieben, aber ein, wenn nicht DER Grund, der mir von Menschen, denen ich von meiner Unbill berichte, reflexhaft entgegengeschossen wird, ist: das Wetter. Natürlich, es muss das Wetter sein. Das Wetter ist hierzulande grundsätzlich an allem schuld. Kopfweh? Wetter! Leichter Schwindel? Wetter! Nicht geschafft, einkaufen zu gehen? Wetter! Steuererklärung drei Monate zu spät abgegeben? Na klar: Wetter! Ich möchte noch einen Schritt weitergehen und gleich die ganze Saison unter Generealverdacht stellen, allerlei Misslichkeiten zu verantworten hat, vor allem an denen, die mit gesteigertem Schlafbedürfnis zu tun haben. Im Frühling ist es die Frühjahrsmüdigkeit, die uns befällt, im Sommer prinzipiell die Hitze, die uns lähmt. Im Winter ist es der Bär in uns, der seine Sehnsucht nach Winterschlaf nicht abschütteln kann, und im Herbst ist eh grundsätzlich alles schwierig (dunkel, nass, grau), so dass die Vorbereitung auf den Winterschlaf uns dann noch den Rest gibt. Es gibt noch einen zweiten Grund, der ins Feld geführt wird von befragtem Personal: Alter. Dagegen möchte ich mich strikt verwehren und recke unter größter Anstrengung meinen gehobenen Zeigefinger als Zeichen exorbitanter Empörung unter der Bettdecke hervor. Alterssymptome? Ich? Niemals! Andere – meinetwegen, aber ich bin im Herzen forever 20 und im Körper ebenso. Es ist halt einfach nur ganz praktisch, sich nur noch 20.15 Uhr-Filme auf den Öffentlich-Rechtlichen anzuschauen, die pünktlich und vorhersehbar um 21.45 Uhr enden und ein Zubettgehen um 22 Uhr ermöglichen. Es ist doch nur sinnvoll, sich mit Freunden ausschließlich am Nachmittag zu treffen, damit es selbst nach großer Ausschweifung problemlos möglich ist, am nächsten Tag pumperlfit zu sein, weil schließlich war man um 20 Uhr zu Hause und um 22 Uhr (danke, ÖR) im Bett. Es ist absolut klug, Unternehmungen jedweder Art mit mindestens einer Woche Vorlauf zu planen, denn so hat man viel mehr Zeit, unter Verweis auf Schläfrigkeit (s.o.) abzusagen anstatt am selben Tag sehr stressig sich erst zu verabreden, dann lange mit der Verabredung zu hadern um schließlich kurzfristig abzusagen. Und wenn man das oft genug so gehandhabt hat, kommt man bald auch gar nicht mehr erst in die Verlegenheit, etwas absagen zu müssen, weil sich ohnehin niemand mehr mit einem verabredet – win-win! Was also soll der Grund sein für diese unendliche Müdigkeit? Ich ahne es: vermutlich mein seltsames Leben als Tradwife, dem ich mich am vergangenen Wochenende hingegeben habe. Aber davon erzähle ich ein andermal. Jetzt muss ich: schlafen.

Freitag, 10. Oktober 2025

Streaming

 

Der Mann ist glücklich. Das ist schön, denn meist bin ich das dann auch, was wiederum gut für ihn ist, weil happy wife, happy life. Prinzipiell. Aktuell geht die Rechnung aber irgendwie nicht auf. Doch während ich noch darüber nachsinne, entwickelt der Mann großen Aktionismus. Kerzen werden nach einigem Gewühl in einschlägigen Schubladen entzündet, das Ambilight ebenfalls. Man braut Kräutertee, unterzieht Teekanne und Stövchen einer eiligen Grundreinigung. Wärmflaschen werden aufgekocht, die schicke leichte Musselindecke wird in denselben Untergrund verbannt, aus dem zugleich wärmende und Heizdecken hervoroperiert werden. „ENDLICH“, schreit der Mann nach getaner Arbeit, „FERNSEHEN!“ und schmeißt sich mit Effet aufs Kanapee, aus dem in einer großen Staubwolke auch noch die letzten feinen Flöckchen Sommer emporstieben. Durch den trüben Dunst erkenne ich eine wedelnde Fernbedienung, die mich fröhlich auf die Couch einlädt … Ich kann die Freude durchaus nachvollziehen und sogar teilen. Draußen stürmt und windet es, Regen verschiedenster Darreichungsform kommt mal von links, mal von rechts und dann plötzlich von unten. Kein Spaziergang ist zu tun, kein Biergarten zu besuchen, kein Garten zu bestellen – ab jetzt wird gefaulenzt und fläzend kontempliert. Über den Sommer haben sich Listen mit Film- und Serienempfehlungen angehäuft, die man jetzt locker abarbeiten kann. Könnte. Denn mit dem einschalten der Flimmerkiste öffnet sich gleichsam die Büchse der Pandora, und ich weiß: In zehn Minuten habe ich Kopfschmerzen, tränende Augen und stehe kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Der Verursacher des Unzustandes? Glasklar: Streamingdienste. Ich kann, das haben wir ja jetzt vielleicht schon mitbekommen, mit Überangeboten nicht umgehen. Deswegen kauf ich lieber im Zwergenladen um die Ecke ein – beim Betreten eines großen Supermarktes erleide ich nach kurzer Zeit einen Schlaganfall, wenn ich nicht direkt verloren gehe. So ist das auch beim Fernsehen, dessen lineare Variante ich stets vorziehe: Es gibt ein Programm, das hat jemand kuratiert, und entweder schaff ich’s pünktlich um 20.15 Uhr zum Samstagabendfilm oder nicht, entdecke dann beim Zappen aber eine wunderbare Doku über die kirgisische Steinmaus und bin zufrieden. Ganz anders das Streaming. „Gucken wir halt mal was es gibt!“ bedeutet nämlich, in wechselnder Reihenfolge sämtliche Angebote zu durchforsten, währenddessen der Unmenge an Diensten gewahr zu werden, die man peu a peu abonniert hat, und nach einer Stunde zwar immer noch keinen Film gestartet zu haben, dafür aber 37 neue Sendungen auf eine Merkliste gesetzt zu haben, an deren Auswahl man sich beim nächsten Mal nicht mehr erinnert und schon geht’s wieder von vorne los … Während der Mann irgendwo ein Fußball entdeckt hat, weine ich ein bisschen und wiege mich in den Schlaf. Das Setting hierfür passt immerhin.  

Freitag, 26. September 2025

Souvenirs

 

Souvenir, das: „Gegenstand, der als Erinnerung an ein bestimmtes Ereignis, einen Ort oder eine Person mitgenommen und aufbewahrt wird.“ Typischer Vertreter dieser Gattung ist das Urlaubssouvenir, und hier gibt es unterschiedliche Arten. Zum einen dasjenige, mit dem man sich selbst erfreuen und den Urlaub so lange wie möglich strecken möchte. Hierzu gehören traditionell landestypische kulinarische Erzeugnisse (Olivenöl, weil „das kriegst du in der Qualität bei uns ja gar nicht; kistenweise Wein, weil „dieser ökologische Ansatz und wie viel Mühe sich die da machen, das müssen wir unbedingt unterstützen“; trockene Gebäckteilchen, weil „die halten sich echt ewig und das wäre doch schön wenn wir die zu Weihnachten auf den Tisch stellen könnten?“; Trüffel, weil „zu dem Preis echt unschlagbar, und wenn wir sie in fünf Tupperdosen und einen Bleikoffer verpacken müssen wir nach der Fahrt auch das Auto nicht kernsanieren …“). Kleidungsstücke, die am Urlaubsort zwar absolut unabdinglich waren, am Heimatort aber schlagartig jedwede Sinnhaftigkeit verlieren, stehen ebenfalls hoch im Kurs („Ach guck mal, die tolle Elefantenpuffhose, die ist doch prima im Sommer daheim“, „o Gott schau mal diese unfassbar cuten Boho-Kleider mit den Neon-Applikationen, die hier alle anhaben, damit bin ich Queen zu Hause“, „diese Plateau-Sandalen mit den putzigen Stickbommeln und den Zehensocken gibt’s bei uns ja noch gar nicht, da bin ich endlich mal Trendsetterin“ usw. … ). Zum anderen gibt es diejenigen Souvenirs, die man aus moralischer oder sonstiger Verpflichtung für Daheimgebliebene mitnehmen zu müssen glaubt und die meist kurz vor der Abfahrt oder spätestens an der letzten Tanke vor der Grenze erworben werden und darum eventuell ein rechter Schmarrn sind („Aber wir MÜSSEN ihr doch irgendwas mitbringen!“ – „Ja dann nimm halt diesen komischen Strand-Magneten und die Kekse für 17 Euro, die nehmen nicht so viel Platz weg!“) und sich mit den Postkarten, die man nebst horrend teurer Europabriefmarken strebsam am Urlaubsbeginn gekauft, dann drei Wochen herumgezogen und schließlich auf dem heimischen Wohnzimmertisch unter allerlei Unrat begraben hat, um sie „wenigstens zu rahmen und hübsch aufzuhängen“, zu einem hübschen Souvenir-Paket vereinen. Ich habe nichts dergleichen erworben (na gut, vielleicht ein, zwei quietschbunte Boho-Kleider) und mir nicht einmal einen prächtigen Sonnenbrand mit heim gebracht. Dafür Souvenirs der besonderen Art, die meinen  Körper schmücken und mich an die schöne Zeit erinnern. Tattoos? Also bitte! Nein: Mückenstiche! Gebissen von den fettesten, fiesesten Viechern, die sich ein Mensch nur vorstellen kann. Von Kopf bis Fuß übersäht liege ich nachts juckend wach und erinnere mich heftig kratzend an die schöne Zeit. Das ist doch auch mal was, oder?

Freitag, 19. September 2025

Urlaubsvertretung

 

In einem ersprießlichen Gespräch mit einem der vielen gütigen Kollegen, die hier Woche für Woche erst dafür zuständig sind, mich mit Deadlines zu Höchstleistungen zu peitschen um dann anschließend an eben jenen zu verzweifeln, behandelten wir unlängst im launigen Diskurs das Themenfeld „Urlaubsvertretung“, denn ich sag einmal so: Selbst die lässigste aus dem Ärmel geschüttelte Glosse tät ganz prinzipiell auch einmal gern einfach so auf einem Sonnenstuhl herumliegen und nicht nur äußerlich einen mordsentspannten Eindruck machen, sondern auch innerlich wirklich und echt wahr einfach einmal nichts zu tun, zumal wenn’s außenrum gewaltig sommert. Einmal nichts zu denken – für manche friedlicher Normalzustand, für mich jedoch das leere Hirn ein unerreichter Sehnsuchtsort, an den ich zu gern einmal verreisen würde, ohne dass ich mich zuvor auf einen höchst anstrengenden Weg der Meditation und Erforschung der inneren Ruhe begeben muss. Auf meinen leichthin geäußerten Gedanken also zuckte das Gesprächsgegenüber empfindlich zusammen und schrie. „WASI!“, schrie es, „das kannst du knicken. Urlaubsvertretung! Es gibt auf der ganzen Welt niemanden, der so schreibt wie du, also vergiss es!“ Ich versuchte mich in Protest: „Aber …“ – „NICHTS ABER!“, schrie’s zurück, und mein feiner Schnittlauchpony türmte sich im Gegenwind zur ondulierten Tolle auf. „Wenn du jemanden findest, der dich vertritt und ich’s nicht merk, dann geb ich einen aus! Und soll ich dir was sagen? Das wird ein billiger Abend – für mich! Und jetzt geh denken!“ Jetzt muss ich sagen: Ich bin von Haus aus eher ökonomisch veranlagt. Der Unwissende mag das mit Faulheit verwechseln, doch der Erleuchtete weiß es besser. Mit minimalem Aufwand das maximale Ergebnis erzielen – auf diese Weise bin ich schon eher versehentlich zu Latinum und Abitur gekommen – kann nicht anders als als außerordentlich strebsam und klug beurteilt werden. Gelegentlich jedoch packt mich ein großer Ehrgeiz nah am Furor und ein „Dir werd ich’s schon zeigen!“ So auch jetzt. Meine Lieben – ein Wettbewerb! Es ist ganz einfach: Sucht euch ein beliebiges Thema, saisonal, biographisch oder völlig erfunden. Formuliert lose einen Gedanken. Blast diesen bis zur Unkenntlichkeit auf, bemalt ihn, pudert ihn, behängt ihn mit Lametta, Luftschlangen und Spaghetti. Googelt im Themenfeld, streut wahllos bildungsbürgerliche Sujets ein. Lest Asterix, verwendet lateinische Wendungen nach Gusto (gustum, -o: Geschmack, der), gelegentlich englische because it’s so amazing. Ersetzt möglichst alle Punkte durch Komma, verstrickt euch in Nebensatzstrukturen fünfter Ebene, findet nonchalant wieder heraus, vertraut auf die Verwirrungstaktik. Überrascht mit lyrischen Exzessen und Onomatopoesie. Schreibt, wie ihr sprecht und nicht wie das Amtsblatt. Niemand mag Amtsblätter. Erweitert euren mickrigen Wortschatz von 200 auf 200 Millionen (Anm. d. Red.: von dieser Aussage distanzieren wir uns nachdrücklich). Lügt. Und schickt mir das Ergebnis. Dann wollen wir mal schauen, wer hier einen billigen Abend verbringt und wer nicht. Lustig wird das allemal. Auf geht’s!

Freitag, 12. September 2025

La dure far tutti

 

Ach Leute, ich sag’s euch: Es könnte wirklich schlimmer sein … Ich fläze ohne jede Körperspannung in der Hängematte, es herrschen äußerst angenehme Temperaturen; gerade warm genug, um im Bikini nicht zu frösteln, aber auch nicht so heiß, dass die Sonnencreme in die Augen laufen oder ich gar ins Schwitzen geraten würde. Wenn ich die Augen schließe, höre ich nichts als plätscherndes Wasser und haufenweise Kindergeschrei. Gelegentlich kommt mein schöner Mann vorbei und befragt mich nach meinen Wünschen: ein kleines Sandwich, kühle Getränke oder eine Runde Karteln? Mal sehen, ob ich den Tag morgen wieder so verbringen darf oder lieber einen kulturell ansprechenden Ausflug machen muss … Was ich möchte, denn schließlich ward mir versprochen: zwei Wochen „La dolce far niente“ – das sprichwörtlich italienische süße Nichtstun: schlendern, bummeln, hier ein Spritzchen, dort ein Gelato, dazwischen sehr viel liegen und lesen und dabei wahnsinnig gut ausschauen. Ok, letzteres gelingt mir freilich mit links. Ansonsten herrscht hier ein strenges Regime. Von wegen süßes Nichtstun: „la dure far tutti“ lautet die Parole – das harte Allesmachen! „Und hast du dir schon einen Plan überlegt für Unternehmungen?“ frug der Mann kaum dass die Strada del Sole, sprich A9, betreten worden war und wedelte drohend mit dem im euphorischen Überschwang (oder schwachen Moment) erworbenen Reiseführer. Berge wollen bestiegen werden und Schiffe auch, Museen durchstriffen und Gässchen erkundet, und über allem (mir) schwebt das Damoklesschwert eines Freizeitparkbesuchs, um eine gewisse Attraktion dort zu betreten und per Konfrontationstherapie zu erkunden, ob ich die Nahtoderfahrung von vor einigen Jahren wiederholen oder mich heiter in den Wind des Schreckens stellen kann und dort heiter mit den Ohren flattern. Das ist also dieses „Urli“, von dem immer alle reden, und das einzige, was sich grad dem süßen Nichtstun hingibt, ist meine Verdauung nach einer knappen Woche monothematischer Ernährung mit Stangenweißbrot und Grissini … Immerhin: Langweilig wird mir schon allein darum nicht, weil ich mir die tätigkeitsreichste Art der Unterbringung ausgesucht habe. Camping. Schön im Igluzelt auf Luftmatratzen und Dreibeinhockern? Natürlich nicht, aber auch im festinstallierten Mobilheim hat man zwar ein Dach über dem Kopf, dafür aber auch immer was zu tun. Allem voran, sich einer reduzierten und entschleunigten Lebensweise rückzubesinnen – etwas, das einem im vollausgestatteten Luxus des Eigenheims gelegentlich abhandenkommt. Die minimalistische Ausstattung sowie der überschaubare Wohnraum machen’s möglich, und so mach ich zwar nicht niente, dafür aber tutti in großer Langsamkeit und mit Bedacht, um nicht mehrfach täglich einen kleinen Wutanfall zu erleiden, weil wichtiges Küchengerät nicht zur Hand ist oder Kleidungsstücke im Klamottenchaos verschollen sind. Alles in allem: tutto bene! Ciao!

Freitag, 5. September 2025

Strada del Sole

 

Ach Leute, ich sag’s euch: Es könnte wirklich schlimmer sein … Ich fläze elegant auf einer höchst bequemen Liege, es herrschen äußerst angenehme Temperaturen; gerade warm genug, um im Pailletten-Bikini nicht zu frösteln, aber auch nicht zu heiß, dass mein extrahübsches Makeup verlaufen oder ich gar ins Schwitzen geraten würde. Wenn ich die Augen schließe, höre ich nichts als plätscherndes Wasser und gelegentlich ein glockenhelles Kinderlachen. Gelegentlich kommt ein schöner Mann vorbei und befragt mich nach meinen Wünschen: ein kleines Sandwich, kühle Getränke oder gar eine Massage? Mal sehen, ob ich den Tag morgen wieder so verbringe oder lieber einen kulturell ansprechenden Ausflug mache, aber ich denke, ich komme einfach wieder an diesen wunderbar entspannenden Platz – im Hallenbad vom TSV Dingens, also jedenfalls dem Sportverein um die Ecke … Stimmt doch gar nicht? Ja richtig, stimmt eventuell gar nicht, und blitzgescheit, wie ihr seid, habt ihr natürlich auch schon ausgerechnet, dass ich ja noch gar nicht weg sein kann. Erwischt! Aber es gab diesen Moment, in dem ich mit hoher Sicherheit befunden habe, eben dieses Hallenbad sei DIE Lösung für meine Sorgen hinsichtlich der Urlaubsdestination. Es könnte sich bei diesem Moment um denjenigen gehandelt haben, in dem ich den 187. Booking.com-Tab am Laptop öffnen wollte, um eine weitere potenzielle FeWo einem kritischen Vergleich zu unterziehen, sich aber statt den neuen Tab zu öffnen mein Rechner mit einem vernehmlichen Seufzen geschlossen und weitere Dienstleistung verweigert hat. War es aber nicht. Sondern ein anderer. „WIR MÜSSEN ZU HAUSE BLEIBEN, DAS GEHT SO ALLES NICHT!“ hab ich geschrien und mich dabei auf dem Boden gewälzt – so gut wie es ging, denn da wo zuvor ein Boden war, liegt jetzt mein gesamter Hausstand in thematisch passenden Haufen sortiert und wartet darauf, in thematisch sinnvolle Taschen, Koffer und 37 Jutebeutel gepackt zu werden. In dem wahnwitzigen Irrglauben, am Urlaubsort angekommen nur noch zielgerichtet lässig in die passende Tasche greifen zu müssen und dort genau das eine Trum zu fassen zu kriegen, nach dem mir grad der Sinn steht; anstatt wie sonst üblich sämtliches Gepäck dreimal zu durchwühlen, anschließend mies gelaunt ins nächste Geschäft zu fahren und dort mit Todesverachtung einen scheußlichen und zu kleinen Bikini zu erwerben, da der eigene offenkundig daheim vergessen wurde (und sich dann aber beim Auspacken nach Urlaubsende daheim natürlich in der Thementasche „Baden“ wiederfindet) … Was soll ich sagen? Urlaub ist eben der blanke Stress. Aber für den Rückzug ist es jetzt zu spät. Morgen früh geht’s los. Jetzt: Reisesemmeln schmieren, die spätestens hinter Greding komplett verspeist sind. Arrivederci! Strada del sole – ich komme!