Noch mehr Powersätze für den Frühling! Neben den bereits bekannten („Boah ist das heiß in der Sonne“, „Wenn die Sonne weg ist, ist es direkt total kalt“, „Wenn nur dieser kalte Wind nicht wäre“) möchte ich dringend noch einen ergänzend hinzufügen, nämlich: „O mei, und wie gut das hier rieeeeeecht!“ Selbstverständlich wissen wir alle, dass wenn der Frühling sein blaues Band durch die Lüfte flattern lässt, süße, wohlbekannte Düfte ahnungsvoll durchs Land streifen. Das war allerdings nicht ganz der Satz, den ich im Kopf hatte, als ich gestern aus der U-Bahn stieg. Sondern eher sowas wie „Fuck, haben die oben an der Baustelle jetzt die Kanalisation endlich versehentlich gesprengt oder was ist jetzt hier los?“ und verbarg meine Nase tief im Revers. Um mich herum grünte und blühte es gar wunderbar, doch leider stank es dazu auch wie inmitten der schönsten Klärgrube oder zumindest so, wie ich mir den Geruch da vorstelle. Mit leichtem Würgen begab ich mich auf eine kurze Suche nach dem Ursprung und hatte den Täter auch schnell identifiziert: Riesige, herrliche Büsche voller prächtig und prall leuchtend weißer Blüten – ein wahrer Augenschmaus, doch ganz sicher keiner für die Nase, denn der Geruch des „Eingriffeligen Weißdorn“ wird, hört hört!, von vielen Menschen als unangenehm empfunden, da er an „[…] verdorbenen Fisch erinnert“. Na danke! Zurück in der U-Bahn empfing mich ein weiterer Nasenschmaus, nämlich der tausender Jugendlicher, die erst in Schule und Polyester schwitzten und schließlich damit den öffentlichen Raum beglückten, während schnell ein kleines Mittagsdönerchen verdrückt wurde; wo sie aber, so viel darf gesagt sein, mit zahlreichen stolz gelüfteten Achseln um die Wette olfaktorisierten. Nach so einem ereignisreichen und warmen Frühlingstag kann man zum Feierabend schon einmal die Idee bekommen, unter dem Tisch im Straßencafé die heißen Mauken zu lüften – doch cave caseum! – nicht alles, was für so einen ausgewiesenen Schweißfuß gut ist, muss für Umsitzende auch angenehm sein. Man flüchtet also lieber eilig in den Park, wo unlängst von der Autorin selbst ein riesiges fischenes Ungeheuer im Teich gesichtet wurde, und neben diesem Wunder gibt es noch ein anderes, nämlich eines mit Odeur: Nach nur zwei Tagen Temperatur über 15°C schaffen es einschlägige Gewässer im Stadtgebiet, derart nach Tod und Teufel zu stinken, dass die Überlegung erlaubt sein soll, ob man dem Teich nicht prophylaktisch den Stöpsel zieht, bevor doch noch ein kostspieliger Giftgaseinsatz notwendig wird. Zur Beruhigung (oder Ablenkung) hat uns’ SÖR, gärtnerisch seiner Zeit seit jeher voraus, eine List ins Tulpenbeet gepflanzt: Was so riecht wie die Jahreshauptversammlung des ersten Cannabis Clubs ist nichts weiter als Fritillaria imperialis, die „Kaiserkrone“, mit royalem Namen, jedoch äußerst plebejischem Geruch … Frühling, ja du bist‘s. Dich hab ich vernommen!
Katharina Wasmeier - Runter vom Sofa!
ɾҽԃҽɳ ιʂƚ ʂιʅႦҽɾ> ʂƈԋɾҽιႦҽɳ ιʂƚ ɠσʅԃ
Freitag, 2. Mai 2025
Freitag, 25. April 2025
April macht was er will
April, April macht was er will! Vor ein paar Tagen wollte ich, o Wunder, das Haus verlassen. Wie so oft bin ich kurz zuvor auf den Balkon getreten, um eine ungefähre Ahnung der Temperatursituation zu bekommen, und wie so oft habe ich mich damit ordentlich aufs Kreuz gelegt. Als ich fünf Minuten später die Haustür verließ, überfiel mich sogleich ein Eisschauer, und die kommenden fünf Minuten konnten aufmerksame Nachbarn (und davon habe ich einige) ein seltsames Schauspiel beobachten. Nämlich die blonde Frau, die ein paar Meter vom Haus weggeht, stehenbleibt, ein paar Meter geht, stehenbleibt, umdreht, ein paar Meter zurück läuft, stehenbleibt, wieder umdreht, um weiter zur Straße zu gehen, um nach einem erneuten Stehenbleiben genervt aufzuschluchzen, zum Haus zurück zu eilen und zehn Minuten später in völlig anderer Montur, nämlich mit Daunenjacke und deutlich ausgebeultem Rucksack, endlich von dannen zu ziehen … Um einige Stunden später schwer schwitzend wieder heim zu kehren. Wie so oft bin ich dann also auf meinen eigenen Temperaturcheck hereingefallen, eignet sich mein Südbalkon doch nur begrenzt als Entscheidungshilfe für die Klamottenwahl. Völlig windgeschützt und von morgens bis abends der Sonnenwärme ausgesetzt, hat es dort gut und gerne mal locker zehn Grad mehr als auf der Rückseite des Hauses, die den ganzen Tag im Schatten und noch dazu im kühlenden Frisch zahlreicher Platanen liegt. Die Kunst ist es also, den Mittelweg auszutarieren. Was mir meistens misslingt. Und erschwerend eine mich stets begleitende massive Erfrierungsangst dazukommt. Nicht gerade gemäßigt wird dieses persönliche Defizit von der Witterung, wie sie uns aktuell wieder beglückt und die ich nur einigermaßen unbeschadet dank diverser Tricks wie auf Taschentuchgröße zusammenknüllbarer Leichtjacken überstehe. Der April macht halt, was er will, und garantiert nicht das, was mein Wetter-App-höriger Freundeskreis von ihm erwartet. „Am Sonntag soll so schönes Wetter werden“ akzeptiere ich unter keinen Umständen als ein an einem Mittwoch vorgetragenes Ausflugsargument, wenn noch nicht einmal gewährleistet ist, dass das schöne Wetter von heute Vormittag nicht am frühen Nachmittag schon keinen Bestand mehr haben wird. Ich nenne das gerne die „Wolfgang-Petry-Gedenk-Zeit“, nur dass ich nicht wie der Künstler kiloweise Bänder ums Handgelenk trage, sondern dafür gern einmal am Nachmittag zentnerweise Jacken, Pullis und Schals, die am Morgen noch dringend notwendig waren, formunschön um die Leibesmitte geschlungen herumschleppe. Doch nicht nur der April macht, was er will. Ich kann das auch. Deswegen lass ich mich nicht mehr ins Bockshorn jagen, sondern nehme in Protesthaltung gerne Platz auf dem Kanapee. Das ist sehr neu, sehr bequem und das wichtiges: absolut zuverlässig vorhersagbar.
Freitag, 11. April 2025
Mehlwurm
Ich wollte einen Kuchen backen. Um genau zu sein ein „Brot“,
denn so haben wir das alle vor ziemlich genau fünf Jahren gelernt: Lasse
Bananen so lange wie möglich liegen und vor sich hingammeln, ignoriere den
Prozess absichtlich und überrasche dich nach einiger Zeit selbst mit dem Reifegrad
deutlich über dem Verfallsdatum. Zermatsche die Bananen, füge allerlei einschlägige
Zutaten aus dem Segment „Backen“ hinzu samt einer ordentlichen, für „Brot“
genannte Erzeugnisse üblichen Portion Zucker, und fertig ist ein formidables Gebäck,
das nur Unwürdige als „Kuchen“ bezeichnen. Wahre Connaisseure hingegen sagen „Bananenbrot“
und schieben sich stündlich ein bis zwei dicke Ranken davon zwischen die
Kiemen, weil Brot ist gesund, und außerdem haben wir fünf Prozent des Weißmehls
durch Vollkorn ersetzt! Hätten wir. Denn dann haben wir eines der großen Gläser
geöffnet, in denen wir zum Schutze vor Befall durch Viecherkram alles, was
Nudel, Mehl, Reis & Co. heißt, aufbewahren, und hatten gottlob die gute
neue Brille auf und die Ruhe weg. Dank diesen (Ruhe und Brille) konnte nämlich
ein genauer, sehr genauer Blick ins Glas geworfen werden, und bei dieser
genauen Betrachtung begannen sich einzelne Mehlstäube plötzlich zu bewegen.
Gut, hab ich gedacht, es ist noch früh am Morgen, du hast vorhin auch einmal
heftig geatmet und draußen weht ein rechter Wind, da kann so ein Mehl schon
einmal in Bewegung geraten. Aber dass das Mehl von heftigen Luftstößen auch
kleine Beinchen und Köpfchen bekommen könnte, war mir dann doch ein bisschen
rätselhaft. Eilig hab ich das Glas geschlossen und es unschlüssig zur Seite
gestellt, wo es jetzt seit Tagen steht und seine mikroskopisch kleinen Bewohner
munter weiter Gräben und Tunnel ins Getreide bohren. Unerwünschten Tierbefall
im Lebensmittel – es ist ja nichts Neues. Regelmäßig hört man von Menschen, die
zum Großreinemachen in Küchen gezwungen werden, weil sich irgendwo ein feiner
Nistplatz aufgetan hat, aus dem sich dann die Viecher tummeln. Als besonders eindrücklich
habe ich einen Sesam in Erinnerung, der bei einem gemeinsamen Sushi-Event genau
so lange köstlich schmeckte, bis das Ursprungsglas zum Zwecke des Nachschlages
angereicht und darin nebst den schmackhaften Saaten noch allerlei schleimiges
Fadenzeugs gefunden wurde. Bon appetit! Dann kam eine Frage auf: Wenn doch
jetzt eh Insektenmehl & Co. en vogue sind, weil nachhaltig und Proteine,
wieso soll ich dann teuer kaufen, was eine Industrie erzeugt, wo ich doch
offenbar selbst sehr gut Insekten produzieren kann? Wie viel bleibt übrig von
der Milbe nach 60 Minuten bei 175 Grad (Umluft)? Und warum also soll ich also das
gute Mehl in den Müll schütten anstatt in die Rührschüssel? „Beim Menschen
konnten nach Verzehr [mit Mehlmilben] befallener Lebensmittel
Magen-Darmprobleme, asthmatische Erkrankungen der Atemwege und ekzemartige
Hauterkrankungen beobachtet werden“, sagt das Umweltbundesamt. Na gut.
Freitag, 4. April 2025
Spa-Crawl
Schönen guten Morgen zusammen, zum Wochenende präsentieren
wir Ihnen freudig die drei wichtigsten Sätze für Gespräche mit Oma, beim Bäcker
oder einfach mal so zwischendurch im freundlichen Selbstgespräch: „Wahnsinn,
die Sonne! Man muss sich halt nur echt schon eincremen.“, „Aber sobald die
Sonne weg ist, ist es furchtbar kalt.“ und „Es könnte so schön sein, wenn nicht
dieser scheußliche kalte Wind wäre!“ Da hab ich mir gedacht „Woanders kannst du
auch frieren!“ und bin letzte Woche freudig in ein Angebot für einen
Wochenend-Trip eingetaucht, das allerlei versprach („Drei Tage Luxury Spa &
Wellness“, „Vollverpflegung“, „zahlreiche Anwendungen inklusive“), vor allem
aber andere Tapeten, die man zwischendurch mal angucken kann. Kein echter
Urlaub, aber eine kleine Flucht. Mini-Urli. Urlini, sozusagen. „Das wird
entweder super“, wusste ich zu prophezeien, „oder eine Katastrophe, aber dann
haben wir wenigstens was zu lachen.“ Karlsbad also. Einer der Sehnsuchtsorte
vergangener wie heutiger Tage, der Inbegriff von Entschleunigung, Achtsamkeit
und Wellness aus einer Zeit, als diese Begriffe noch nicht erfunden waren. Die
meisten kennen den Ort sicher als Ursprung einer Waffelspezialität
(Bröselzucker zwischen zwei klebrigen Oblaten), viele andere vielleicht von
Großeltern oder sonstigen Bekannten älteren Semesters, denn hier kontempliert
es sich aufs Äußerste durch eine pittoreske Umgebung habsburgischen Pomps, und
statt wie früher von Kneipe zu Kneipe zu ziehen und verschiedene Mischungen von
Spritz & Co. zu degustieren, latscht man (ich) hier mit einem kleinen
Schnabeltässchen einen Fluss entlang, an dem sich 15 Quellen feinsten
Heilwassers befinden, um abwechselnd heißes, sprudelndes oder stinkendes Nass
selbst abzuzapfen und sich daran zu laben und sofort zu gesunden. Soweit die
Theorie, die in der Praxis höchstens gestört wird von den zahlreichen
Becherovka-Ständen, um sich zwischendurch den Mund zu spülen. Links und rechts
ragen die prächtigsten Bauten auf, und der Höhepunkt ist ein 300 Jahre altes
Grandhotel, das an Prunk und Majestät seinesgleichen sucht. Und das ich
vorsichtshalber nur auf eine heiße Schokolade betreten habe, um anschließend
lieber mit einem müffelnden Bus ins Industriegebiet am Stadtrand zu schaukeln –
wo sich mein Hotel befand … Sagen wir mal so: zu lachen gab’s einiges, auch
wenn ich die Aktionsabende „Becherovka & Sie“ und „Caribbean Night“
zugunsten eines ausgezeichneten Nachtschlafs verpasst habe und das berühmte
Karlsbader „Bierbad“ sich als profanes Schaumbad herausstellte, zu dem ein
Krügerl Bier gereicht wurde. Der Erwerb einer überdimensionierten Gartenfigur
auf dem grenznahen Mode- und Designmarkt wurde mir allerdings verboten, ich
muss also unbedingt nochmal hin. Dann aber ins Grandhotel! Kommt jemand mit?
Freitag, 28. März 2025
Gamechanger
Seit einiger Zeit hat sich in meinem Umfeld ein Wort
etabliert, das mein Herz erwärmt: Gamechanger. Natürlich haben sich noch
weitere Wörter und Ausdrücke etabliert, die mich weit weniger froh machen.
Beispielsweise die grauenhafte Unsitte, Sätze mit „tatsächlich“ zu beginnen, so
als lebten die Sprecher in der steten Sorge, ihre Meinung, Erfahrung etc. pp.
würde sowieso angezweifelt und es sei es deswegen vonnöten, direkt von
vornherein in Verteidigungsstellung zu gehen. „Und was hast du gestern Abend
gegessen?“ – „Tatsächlich nur ein Schokomüsli.“ Oder „Was hast du am Wochenende
so vor?“ – „Tatsächlich noch nichts weiter.“ Oder „Wie fandest du den letzten
Franken-Tatort?“ – „Tatsächlich ganz gut.“ Das arme kleine Adverb weiß gar
nicht, wie ihm geschieht und ist so überfordert von der inflationären
Falschnutzung, dass es sich hilfesuchend an seinen Schicksalsgenossen
„ehrlicherweise“ wendet und um Hilfe bittet, denn diesem widerfährt ebenfalls
schon seit langem eine traurige Falschnutzung. „Ehrlicherweise finde ich dich
saudoof.“ ist einfach nicht das gleiche wie „Um ehrlich zu sein, finde ich dich
saudoof.“ Ganz anders und absolut korrekt angewendet findet sich also besagter
„Gamechanger“ in der Alltagssprache wieder, und ich begrüße ihn herzlich und
mit offenen Armen, besagt das Wort doch „eine Person, eine Sache oder ein
Ereignis, das eine grundlegende Veränderung bewirkt“, und genau so wird es auch
benutzt. Nun lang ich dieser Tage abends im Bett und war selig über meinen
neuen Gamechanger: ein dickes, herzförmiges Kissen, das man sich mit einer Art
gepolstertem Strumpfband um den Oberschenkel legen kann, um dann, wann immer im
Schlaf die Position von Rücken auf Seite gewechselt wird, ein prächtiges Kissen
zwischen den Knien klemmen zu haben anstatt die Decke dorthin zu stopfen (dann
Rücken frei, dann Rücken bedeckt, aber Füße frei … - man kennt das). Dann habe
ich überlegt, was eigentlich sonst so die Gamechanger der jüngeren
Vergangenheit waren, und nach einigem Sammeln traf mich eine Erkenntnis, die
mich seitdem vergnügt lächeln lässt: Bei allem, was mein Umfeld als
„Gamechanger“ bezeichnet, handelt es sich um eine Person, eine Sache oder ein
Ereignis, das schnurstracks den Alterungsprozess, körperlichen Verfall und die
schrittweise Akzeptanz derselben zum Thema haben. Kniekissen beispielsweise.
Aber auch die berühmten Gamechanger „Brille“ („Geil, ich brauch doch keinen
neuen Fernseher, plötzlich ist alles wieder scharf!“), „Einkaufslieferservice“
(„Ich schaff das einfach nicht mehr mit der Schlepperei in den vierten Stock
Altbau.“), „bügelloser BH“ („Kein Plan wie ihr das aushaltet mit den unbequemen
Dingern!“), „elektrische Fußwärmer“ („Keine Ahnung wie ich das früher ohne
überlebt hab.“) oder, einer meine absoluten Favoriten „Bodenkissen mit
Rückenlehne“ („Jetzt kann ich endlich wieder jugendlich am Boden sitzen, mein
Rücken macht das sonst einfach nicht mehr mit.“).
Freitag, 21. März 2025
Sonnencreme
Alles klar, das ging dieses Jahr unverhofft schnell: Just am
ersten Tag, der das Attribut „frühlingshaft“ mal wirklich verdient und der
Stadt zumal an windstillen Orten ordentlich Sonnenbumms beschert hat, war ich
natürlich auch am Start. Ich hielt mein süßes kleines Stupsnäschen beherzt in
die Wärme und schwitzte in dünnem Pulli und T-Shirt, während die noch im
Schatten stehenden Füße jämmerlich froren, und ignorierte fröhlich das leise
Zupfen an meinem Hosenbein. Dieses rührte, wie mir ein kurzer Blick bei der
ersten Störung verraten hatte, von einer kleinen gelben Tube, die aus meiner
Tasche lugte und versuchte, meine Aufmerksamkeit zu gewinnen. „HEY DU PSCHT!“,
wisperte es unter meinem Stuhl hervor, „du musst dich einschmieren! Schmier
dich ein, du kommst in Teufels Küche! Wenigstens das Gesicht, bitte!!“ flehte
die kleine Tube und zupfte weiter. Ich knurrte zwischen zu einem angestrengten
Lächeln gepressten Zähnen zurück. „Auf gar keinen Fall fangen wir jetzt schon
an mit dem Gebatzel, vergiss es!“ und schloss die Bedenken hinterm
Reißverschluss ein. Zu spät. „Bist du nicht eingecremt?“ erkundigten sich
Freundinnen verdutzt und ich schrie. „NEIN!“ schrie ich. „Geht weg, lasst mich
in Ruhe, ich hasse das, ich will nicht, ich KANN nicht!“ und ehe ich’s mich
versah, kullerte eine kleine Träne großen Zorns mein errötendes Bäckchen hinab.
Schon immer eher der nordische Typ, verfüge ich mittlerweile über eine
alabasterweiße Haut, nach der sich der gesamte sonnenkönigliche Hofstaat einst
die Finger geleckt hätte. Um genau zu sein dürfte ich wahrscheinlich keine drei
Minuten ungeschützt in die Sonne. Aber es will mir einfach nicht in den Kopf:
Wir fliegen auf den Mars, klonen Schafe und bauen Städte ins Wasser, sind aber
nicht in der Lage, einen Sonnenschutz zu erfinden, der nicht nur haut-, sondern
auch sozial- und alltagsverträglich ist? Nix! Alles klebt und pappt, verfärbt Möbel
und Utensil und verurteilt weiße Kleidung zu einem Leben mit Speckrand und Gilb.
Die letzte (hochwertige!) Sonnencreme, die ich fürs Gesicht erworben habe, hat
statt sich gleichmäßig zu verteilen derart ausgefusselt, dass ich aussah, als
hätte ich mein Gesicht in Kokosraspeln getunkt. Kannst du freilich sagen „So
lang’s hilft?!“ aber: nein. Es ist ja auch gesellschaftlich nicht anerkannt,
sich im Sommer zwischendurch einmal in eine Staubfläche oder Schlammpfütze zu
werfen wie ein Elefant, um die zarte Haut zu schützen. Wobei, wenn’s nach mir
ginge: auch nicht schlimmer als Sonnencreme, dafür praktisch immer verfügbar
und wenigstens kein Gepappe. Wenn wir uns hierauf einigen könnten – ich wär
dabei. So aber trag ich meine gerötete Stirn stolz durch den Frühling. Na gut,
und zugegebenermaßen eventuell auch einmal kurz in eine Drogerie.
Freitag, 14. März 2025
Frühjahrsputz
Kaum spähen die ersten schüchternen Knösplein aus der Erde,
flattert ein früherwachter Schmetterling durch die Prärie und traut sich eine
Kneipe, einen Stuhl vor die Tür zu stellen, schon schreit’s landauf, landab
„FRÜHJAHRSPUTZ!!!“ und emsige Diener und Dienerinnen der Reinlichkeit schwärmen
aus. Niedliche Schwämme, glitzernde Lappen und Hochglanzsprays finden jetzt
reißenden Absatz, und das Internet quillt schier über vor kluger Tipps und
Ratschläge: „Frühjahrsputz: 5 einfache Tipps, die das Putzen erleichtern“ heißt
es da, „Frühjahrsputz: So gehen Sie ihn richtig an!“ oder, was mir auf eine Art
besonders gut gefällt, „Frühjahrsputz: Checkliste mit allen Tipps und Aufgaben“.
Ich nehm das mal so an: „Wir empfehlen ein Wochenende mit typisch grauem
Schmuddelwetter“, so heißt es bei „Glamour“, und schon stellt sich eine
Erleichterung ein, schließlich war ich bereits im Begriff, sämtliche
Verabredungen fürs erste schöne Frühjahrsglück zu verweigern und mich
stattdessen über den Putz herzumachen. „Viele erledigen den Frühjahrsputz rund
um den kalendarischen Frühlingsanfang. Das heißt aber natürlich nicht, dass du
den großen Frühjahrsputz nicht auch noch im April erledigen kannst.“ Die
Erleichterung wird größer, denn schon bin ich geneigt, alle Pläne fürs
Großreinemachen zu canceln und gemütlich auf sagen wir Ende April zu
verschieben. „[…] leitest du den Frühjahrsputz am besten mit einem ausgiebigen
Frühstück ein“ stand als nächstes zu lesen, und so sitz ich hier an einer
opulenten Morgentafel und beschäftige mich mit dem Frühjahrsputz vorerst nur
rein theoretisch. „Plane genug Zeit ein und lass dich nicht stressen.“ Nein
danke, mach ich nicht, ganz lieb. Was hat es wohl auf sich mit dem
Frühjahrsputz? Die Herkunft leuchtet mir durchaus ein: Habe ich die
Wintermonate tagein, tagaus mit meiner 13-köpfigen Familie nebst Vieh und
Knecht im Duster meiner Ein-Raum-Stallung verbracht, ist es vielleicht am Ende
der Saison durchaus sinnvoll, ein bisschen Ordnung in die vier Wände zu
bringen. Jetzt wohn ich zwar nicht grade herrschaftlich, aber auch nicht direkt
in einer finsteren Höhle, so dass ich durchaus in der Lage war, meine
Quadratmeter einigermaßen rein zu halten. Wie mag es da wohl den anderen gehen,
die jetzt zum großen Kehraus rufen? Immerhin einer lässt sich von meinen
Zweifeln nicht beirren: „Schatz, dein Traum vom Haustier wird endlich wahr!“
kündete der Mann, und seitdem zieht Tag für Tag ein kleiner Roboter ächzend
seine Runden und saugt und wischt, was das Zeug hält. Frühjahrsputz? Die Dame
LÄSST putzen. Dabei beherzigt sie allerdings einen weiteren Tipp sehr gerne: „Lege
deine Lieblingsmusik auf. Wenn du beim Putzen lauthals mitsingst, ist das Ganze
nur halb so schlimm.“ Ich wähle Mary Poppins: „In jeder Arbeit, merkt euch das,
steckt auch ein kleines bisschen Spaß. Versteh den Spaß und schnapp, die Arbeit
klappt.“