Freitag, 5. Dezember 2025

Weihnachtsstochastik

Es gab da mal diese Sache in Mathe. Also zu der Zeit, als Mathe nicht mehr Mathe hieß, sondern irgendwie Algebra und noch sowas, Geometrie oder so. Es ging darin sehr viel um Wahrscheinlichkeiten, mit Senf gefüllte Krapfen und irgendjemanden namens Bernoulli oder so. Irgendetwas sehr lästiges jedenfalls, das mir später im Gruselfach Statistik wiederbegegnet ist und auch da nicht sonderlich eingeleuchtet hat. Hier wie dort gab es etwas, das nannte der Lehrkörper Kombinatorik, und ich glaube, damit konnte man ausrechnen, wie viele Menschen ein Los kaufen müssen, um eine Million zu gewinnen. Naja, wahrscheinlich war’s anders, aber ihr wisst schon, was ich meine. In ähnlicher Form ist mir dieser theoretische Kladderadatsch nochmal später in Linguistik begegnet, nur wesentlich einfacher für mich als Dyskalkulatorin, wurde doch hier mit Buchstaben und Wörtern kombiniert und nicht mit dummen Zahlen. Wie dem auch sei: Ich wünschte, ich hätte das alles ein bisschen besser verstanden oder zumindest in den Stunden besser aufgepasst anstatt Comics Lewis Carrolls Jabberwocky als Comic auszuarbeiten. Denn stünde ich jetzt nicht wieder wie der Ochs vorm Berg bzw. wie der Wichtel vor der Weihnachtsplanung. Denn just am gestrigen Tage wurde die alljährliche Angstfrage gestellt: „Wie machen wir’s denn dieses Jahr mit Weihnachten?“ Plötzlich herrschte Stille im Raum, betreten wurde nicht nur geschwiegen, sondern eilig ein Fingernagel kontrolliert und hier und dort ein Stäubchen weggefegt. Tja, wie machen wir’s denn bloß? Früher war das einfach: Am 24.12. wallfahrteten die Hl. Drei Könige (aka meine Geschwister und ich) zum Elternhaus, um dort ein bis drei Tage zu verbleiben und hinterher als prallgefüllte Stopfmägen wieder nach Hause zu rollen. Jedes Jahr dasselbe Schema, keine Diskussionen, kein Chaos, dafür Zuverlässigkeit und wohlige Ordnung. Ein Umstand, nach dem man sich doch grade herzlich sehnt. Nur leider wird das nichts, sondern jedes Jahr schlimmer. Patchworkgroßfamilie macht’s möglich, denn die Verzweigungen und erwünschten (und nicht zu vergessen: unerwünschten!) Menschenkombinationen werden immer zahlreicher. Vatermutterkind? Pfeifendeckel! Es wird sich geschieden und neu verpartnert, Kinder werden erwachsen und ihr eigenes Familienzentrum. Opas versterben unerlaubt, Papas werden einsam und Omas immobil, und am Ende steht man da und muss siebzehn unterschiedliche und teils fremde Parteien irgendwie so unter einen Nikolaushut basteln, dass sich die einstige Kernfamilie wenigstens für ein paar Stunden sehen und singen kann. Es kann sich nur um Stunden handeln, bis mich ein Weihnachtsexcel erreicht oder ein Weihnachtsdoodle. Zum Glück bin ich so pflegeleicht: Ich folge einfach dem Ruf der Speisen. Wer diese zubereitet und gereicht – mir doch egal. Als praller Stopfmagen lieg ich dann auf irgendjemandes Canapé und überleg nochmal, wie dieses Fach gleich wieder hieß. Vielleicht war’s doch Stochastik?

Freitag, 28. November 2025

Das Imperium schlägt zurück

 

Herzlich willkommen zu unserer Serie „Nürnberg leuchtet“. Nach der letztwöchigen Pilotfolge kommt heute schon Teil 2 in die Kinos. Äh, Zeitungsseiten: „Das Imperium schlägt zurück“! Unsere Produzenten haben keine Kosten und Mühen gescheut für ein Spektakel allererster Güte. Ok das ist gelogen, in Wahrheit hat die Produzentin (ich) massiv Kosten und erstmal auch sämtliche Mühen gescheut, war aber dennoch nicht willens, das Feld einfach kommentarlos dem Feind zu überlassen, der inzwischen weiter aufgestockt und seinen Wohnzimmerbalkon in eine wahre Bumsbude verwandelt hat. Skandal im Sperrbezirk! Ich nehm’s sportlich und folge, wenn Nebelschwaden, Nieselschnee und Baustellenschikanen mir mal wieder die Sicht versperren, einfach dem roten Licht, um nach Hause zu gelangen. Beziehungsweise jetzt neuerdings meinem eigenen. Nämlich in Gestalt einer diskret leuchtenden Funzel, die in warmweißem Licht gedachte Sternderlformen mit größter Zurückhaltung an der Scheibe funkeln lässt und höchstens deswegen blitzt und blinkt, weil jemand (…) nicht begreift, wie die 6 Stunden Betrieb-18 Stunden Unbetrieb-Funktion der Zeitschaltuhr funktioniert und deswegen allabendlich erst einmal ein Mordsblinkkonzert veranstaltet, bis das Ding so läuft, wie ich das will. Und mich mit Überraschungen auf Trab hält immer dann, wenn einer der Saugnäpfe, mit denen die Leuchtsache ans Fenster gepappt ist, sich löst und mit Getöse und Lichtblitzen durchs Wohnzimmer springt. Und während ich mir auf die Schulter klopf wegen vorbildlichen Adventverhaltens samt Kranz in zurückhaltend Optik protzen Freunde mit riesigen, opulent geschmückten Weihnachtsbäumen, die ihre Wohnzimmer weit vor der Zeit in Stimmung bringen. Ich will nicht gehässig sein, freue mich aber auf Fotos des Liebespaares unterm komplett abgenadelten Baumskelett zu Weihnachten. Ha! Nun gut. Peanuts – weil schließlich schlägt das wahre Imperium ab heute Abend ja wirklich zurück. Sobald die kindliche Kaiserin von ihrem Elfenbeinturm hinab zum Volke spricht, alle Herrn und Fraun zu seinem Markte einlädt und dann unverständlicherweise auch noch ausnahmslos alle willkommen heißt (warum heißt es nicht „und wer da kommt, der soll willkommen sein. Außer JGAs. Und Menschen mit hellen Mänteln. Und solche mit schlechter Laune. Und die mit den blinkenden Rentierhauben.“? Ich mein, damit wäre doch wirklich allen geholfen.) geht sie los, die lustige Wallfahrt hinein ins weihnachtliche Epizentrum. Auf einen Hechtsprung rein ins Glühweinfassl, einmal durchs Käsefondue gekrault, im Vorbeigehen kurz den Ärmel ins Schaschlik getunkt, Rohrschachtest mit Senf und Winterjacke, und das alles mit kalten Füßen und heißem Köpfchen, jede Menge Freunde und Bekannte treffen und alle anderen in der FeuZaBo-Schlange kurzerhand zu solchen auserkiesen – ich freu mich drauf. Ein Kerzerl gibt’s am Sonntag auch. Aber nur ein ganz diskretes. Halleluja!

Freitag, 21. November 2025

Nürnberg leuchtet

 

Yippie Yah Yei ihr Schweinebacken! Endlich ergibt alles einen Sinn. Die klirrende Kälte, die macht, dass man sich plötzlich sehr für die Erfindung „beheizbarer Mantel“ interessiert und nicht so sehr für nachmittägliche Spaziergänge. Die Lebkuchen, Schokonikoläuse, Spekulatiuspackungen und Dominosteine, die uns seit August aus den Supermarktregalen hinterhältig angrienen und die zu erwerben oder gar zu verzehren wir uns seitdem hartnäckig geweigert haben. Die 17 offenen Tabs am PC, die mein verzweifeltes Suchen nach „Tageslichtlampe“ und „beheizbares Fußkissen“ bezeugen. Das nagende schlechte Gewissen, ob es, wirklich jetzt schon in Ordnung ist, die Heizung ein kleines bisschen weiter aufzudrehen. Die schaurige Dunkelheit, die Menschen (mich) zum sofortigen Darniederlegen zwingt (nebst schauriger Erkenntnis, dass im Bürokomplex gegenüber gar nicht ausschließlich wahnsinnige Highperformer arbeiten, sondern es nicht wie vermutet mitten in der Nacht, sondern grade mal 17 Uhr ist). Die zahlreichen Tipps zum Basteln der meisterlichsten Laternen, die meinen Instgram-Feed fluten. Und der Umstand, dass in meiner Familie bereits ein-, zweimal das Lieblingsthema „Wie machen wir’s eigentlich an Weihnachten?“ touchiert worden ist. Alles, was grade noch völlig sinnbefreit erschien, leuchtet mir urplötzlich ein. Und das im wahrsten Sinn des Wortes, denn: Nürnberg leuchtet! Ganz besonders leuchtet es bei mir vor der Haustür. Überall auf der Welt sitzen gerade vermutlich Agenten verschiedenster Geheimeinrichtungen vor ihren Satellitenbildern und wundern sich. Nanu, denken sie, was ist denn das hier für ein heller Fleck? und zoomen weiter, immer weiter hinein in die von Düsternis gezeichnete Welt. Inmitten des schönsten Mitteleuropas leuchtet es strahlend, der Zoom zeigt Deutschland, Bayern, Franken, Nürnberg, und urplötzlich irgendwo zwischen Rathenauplatz und Stadtpark einen Feuerwehreinsatz! Oder ein schweres Polizeiaufgebot? Anders können sie es sich nicht erklären, dass dort auf einmal die wildesten Lichter zu sehen sind. Sie versuchen, die Morsezeichen im heftig blinkenden Grell zu dechiffrieren, doch keine Chance. Handelt es sich vielleicht um Deutschlands größte Disko, die mal kreischend orange, dann ampelgrün, auf einmal alarmsignalrot und dann wieder neonblau erscheint? Hat sich da jemand eine private Flugzeug-Landebahn gebaut, die es sogleich zu melden gilt? Ach nein, liebe Geheimdienste, ich kann euch beruhigen: Es sind nur meine Nachbarn, die ihre alljährliche Weihnachtsbeleuchtung installiert haben, vermutlich um für „stimmungsvolles Ambinente“ zu sorgen. Fragt sich nur, welche Stimmung da herbeigerufen werden soll. Immerhin klappt’s, ich fühl mich schon sehr nach Glühwein aus dem Tetrapack und RTL2. Adveniat regnum tuum – ich freu mich drauf!

Freitag, 14. November 2025

Superpower

 

Ich hatte mal eine Freundin mit einer ganz sehr besonders speziellen Gabe. Ich würde sogar sagen: eine Superkraft. Diese Freundin konnte nämlich allein kraft ihres Willens ihre Peristaltik kontrollieren und somit ungeachtet aller äußeren Umstände ihre Verdauungsprozesse an diese anpassen. So erfreute sie sich beispielsweise in einem zweiwöchigen Campingurlaub irgendwo in der kroatischen Walachei eines ausgezeichneten Durch- und Langschlafs ohne jegliche Verlegenheit, nächtliche Wanderungen durch Fröstel und Regen über den Campingplatz zum nächsten Klohäusel unternehmen zu müssen und schlief bis spät in den Tag hinein den Schlaf der Gerechten, ohne dass ein Hauch von Notdurftnot sie aufzuwecken vermochte. Während wir anderen kaum dass wir uns hingelegt hatten schon wieder den Schlafsack von uns schälen, uns mit Crocs und Gummistiefeln oder Regenschirmen bewaffnen und die lästige Reise antreten musste und morgens mit der ersten Regung Sonnenschein direkt auch sogleich einen dringenden Klowunsch verspürten, der keinen Aufschub gestattete. An dieser Frau habe ich gestern Abend gedacht. „Warum bin ich so, dass ich lieber eine halbe Stunde im warmen Bett liege und versuche, etwas absolut Unausweichliches irgendwie durch Denkarbeit sich in Luft auflösen zu lassen, obwohl ich weiß, dass ich ohnehin verliere, anstatt einfach schnell aufzustehen und aufs Klo zu gehen?“ habe ich laut durch den Palast gewehklagt. „Genau“, hat der Mann klug ergänzt, „und dann schläfst du dabei ein und musst dafür nachts raus, du Dummerchen.“ Was mir überraschenderweise lieber ist. Zumal im Winter. Gerade hat man sich endlich vor der garstigen Dunkelheit und grausigen Kälte der Welt im Allgemeinen und der Wohnung im Speziellen in die wunderschöne Bettwärme geflüchtet, das Nest schön vorgeheizt von der Wärmi, alle Körperteile bis hinauf zur Nase sicher unter Daunen verstaut, und dann drückt die Blase und man soll schon wieder aufstehen, damit man nachts nicht mehr muss? Pah! Ich sitz bzw. lieg das aus! Schnell einschlafen und die Blase überlisten ist die Devise, weil viel lieber geh ich nachts aufs Klo, wo ich nicht über mögliche Kälte nachdenke, sondern über gar nichts, mir deswegen auf dem Weg die Hand am Türgriff anhaue, den Kopf am Regalvorsprung und den kleinen Zeh an einer unvermittelt aufgetauchten Türschwelle. Zurück im Bett fühle ich mich dann gerettet und entspannt und noch dazu um die große Freude beschenkt, noch drei oder fünf Stunden schlafen zu können – ein großer Genuss! Meinem Bruder, derzeit in Nepal wanderurlaubend, stellt sich die Frage nicht: „Es ist hier acht Uhr abends, ich lieg in voller Merinomontur samt Mütze und Schal im Polarschlafsack in irgendeiner unbeheizten Baracke, und wie jeden Abend bete ich, dass ich nicht heut Nacht bei mittlerweile Minus zehn Grad aufs Klo muss“, reiseberichtete es gestern. So gesehen: Es könnte alles schlimmer sein. Meine Superpower: schlafen! 

Freitag, 7. November 2025

Stadttourismus

 

Letzte Woche war ich in der Stadt. Ich finde es bemerkenswert, dass ich immer noch „in die Stadt fahren“ sage. In der ersten Hälfte meines Lebens war das durchaus zutreffend: Im östlichen Speckgürtel wohnhaft waren Ausflüge in die City etwas Besonderes, das zwar auch nur eine zehnminütige S-Bahnfahrt nötig gemacht hatte, wofür man sich aber brav herausgeputzt und für die große Reise fein gemacht hat. Heute lebe ich innen mitten drinnen im zentralsten Zentrum, habe lange mit mir gerungen, bis ich soweit war, mich für einen schnöden Besuch beim Discounter um die Ecke nicht extra in den edlen Ausgangszwirn zu kleiden, sondern mit großer zur Schau getragener Egaligkeit zum Einkauf auch mit Jogginghose und Unfrisur zu begeben, und trage diesen Gammellook seit langem stolz als Zeichen echten Urbanismus vor mir her, derweil ich herausgeputzte Menschen in der Innenstadt verächtlich als offensichtlich Auswärtige identifiziere. Deren viele schlenderten an besagtem Tag durch die Gassen und Winkel und störten mein Auge durch blanke Anwesenheit. Nicht so sehr wegen des Herausputzes, sondern weil sie mein Vorhaben zerstörten, als wahre Bohemienne mitten am schönsten Werktag durch bedauernswerte Arbeitstierchen zu flanieren und nach links und rechts großzügig mitleidige Blicke zu verschenken an all diejenigen, die das Flair nur kurz in einer Mittagspause genießen durften, derweil ich frei von Zeit und Raum einfach tun und lassen konnte, was ich wollte. Doch weit gefehlt: In der ganzen Innenstadt wimmelte es nur so vor Müßiggängern, denen man den Stadttouristiker schon von weitem ansah – die protestantische Feiertagsextraregelung macht’s möglich. Meiner Exklusivität beraubt befiel mich ein Verdruss, und ich wandte mich ab von all der obszön zur Schau gestellten Freizeit, um heimwärts zu kehren und im stillen Kämmerlein ganz für mich alleine meine Freiheit zu zelebrieren. Doch wie es der Zufall will wandte ich mich nicht etwa dem Heimweg zu, sondern versehentlich einem riesengroßen gelben Bus, den ich kurzerhand bestieg und damit meine Heimkehr um gut zwei Stunden nach hinten verschob … In dieser Zeit habe ich viel geschaut, primär nämlich über Mauern, über die man sonst nie schauen kann und hinter denen sich hübsche Gärten und unerwartete Friedhöfe verbergen. Außerdem viel wichtiges über die Stadt gelernt und ebenso viel wieder vergessen (bis auf die sehr wichtige Info, dass die beiden roten Hasen des örtlichen Energieversorgers „Sitz und Flitz“ heißen) … Zwei Stunden dauert es nämlich, mit der hiesigen „City Line“, einem riesigen gelben Doppeldecker-Bus durch die Noris zu kreuzen und diese einmal ernsthaft aus Touristenperspektive zu erfahren. Den Bus hatten wir quasi für uns alleine: Während die Touris herausgeputzt die Gassen durchstriffen, saßen wir im urbanistischen Gammellook im Oberdeck und schauten ihnen beim Wuseln zu. Öfter mal Tourist in der eigenen Stadt sein? Klare Empfehlung! Dafür kann man sich dann schon auch mal rausputzen.

Freitag, 31. Oktober 2025

Eichhörnchen

 

„Das Eichhörnchen hält keinen Winterschlaf, es muss also die ganze Zeit über fressen. Um in den kalten Monaten nicht zu verhungern, legt es darum überall in seinem Revier Vorräte an“, hat eine salbungsvolle Stimme dieser Tage in einem salbungsvollen Fernsehbeitrag über die Flora und Fauna in Wales gesprochen. Ich habe mich dem kleinen braunen Puschel direkt verbunden gefühlt – konnte also relaten, wie der Franzose sagt. Und das gleich auf sehr vielen Ebenen, darunter eine mitfühlend, weil auch ich keinen Winterschlaf halten darf und das zutiefst bedauere. Und wie auch das Eichhörnchen war ich in den letzten Wochen ausnehmend viel damit beschäftigt, Vorräte anzulegen. Die mich zwar nicht über den Winter bringen werden, dorthinein aber zumindest gelegentlich ein bisschen Sommergeschmack bringen können. Unter diesen angelegten Vorräten befinden sich mehrere Kilo entsteinte und tiefgekühlte Zwetschgen (oder „Quetzgschen“, wie der Zwerg zu sagen pflegt), viele Gläser grünleuchtendes Pesto, ein TK-Fach voller köstlicher Apfelvollkornbrote, nicht zu wenig Apfelstreuselkuchen, fein säuberlich als leuchtend rote Perlenmatte eingefrorene Johannisbeeren, die sich an die letzten, wirklich allerletzten und artig vorgeschnittenen Zucchini schmiegt und literweise Apfelmus. Ja, es ist vielleicht ein bisschen einseitig, aber so hat’s die Natur eben geschenkt, da kann man eben nicht sagen „Du, Apfelbaum, es wäre mir schon recht, wenn du jetzt auch einmal einen schönen Käse wachsen lassen könntest oder eingelegte Oliven.“ Selbstverständlich hat meine Betätigung allerlei Lästerbacken auf den Plan gerufen. „Bist du jetzt auch eine Tradwife oder was?“ krieg ich zu hören, wenn ich sage, ich kann jetzt schon wieder nicht telefonieren weil der Teig. „Ja“, sag ich dann, „so wird es wohl sein. Ich bin heute Morgen um 5 Uhr aufgestanden, um dem Göttergatten eine feine Vesperdose zu kreieren. Dann habe ich mich geduscht, sorgfältiges Makeup aufgelegt, das mich für alle Eventualitäten des Tages rüstet (Postbote, Müllabfuhr, spontane Videodrehs), mein Schnittlauchhaar gebürstet und geglättet, mich anschließend in ein figurbetonendes Mieder gezwungen und darüber das feine Blümchenkleid samt Petticoat gedrillt und dazu die leichten Alltagsstöckel mit nur 8 cm Absatzhöhe gewählt. So stehe ich hier den ganzen Tag, schäle und zermuse Äpfel und warte, dass der Göttergatte nach Hause kehrt und ich ihm das Abendessen zum den staubigen Bart schmieren kann …“ Dann höre ich, wie es am anderen Ende der Leitung schwer schluckt, lache in mich hinein und schaue an mir herunter: eine konturenlose Jogginghose, ein altes Shirt voller Mehl und Butter, Kuschelsocken in Plüschlatschen, auf dem Kopf eine formvollendete Frisur namens „grade aufgestanden“, mit der ich eigentlich niemandem begegnen will. Wer Essen will, braucht keine Frisur. Auch das habe ich mit dem Eichhörnchen gemein.

Freitag, 24. Oktober 2025

Zeitumstellung

Die Ankündigung „es ist wieder soweit“ deutet meistens auf ein Ereignis hin, dass regelmäßig und zum gleichen Zeitpunkt wiederkehrt, unabwendbar ist, niemanden besonders überrascht und darob gänzlich überflüssig ist. Die Ankündigung. Manchmal auch das Ereignis selbst. Manchmal beides. Derlei Ereignisse stehen in der kommenden Zeit (ich sag’s ungern, aber heute in acht Wochen ist Weihnachten. Oder „in zwei Monaten“, falls das weniger bedrohlich klingt) zahlreich an, keines ist dazu angetan, uns sonderlich zu überraschen, weil man kann eh nichts dagegen tun. Wer jetzt spontan Christkindlesmarkt, Stille Feiertage und Jahreswechselzinnober (gerade gelernt: Beim „Zinnober“ handelt es sich um ein aus der Verbindung von Quecksilber und Schwefel entstehendes rotes Mineral, denkt mal drüber nach!) im Sinn hat: ja, stimmt schon, aber – gemach! Erst einmal steht jetzt ein anderes Ereignis bevor, das absolut unabwendbar ist, jährlich sogar gleich zweimal wiederkehrt und uns dennoch von Mal zu Mal aufs Neue völlig überrascht. Mich zumindest. Die Rede ist selbstverständlich von der Zeitumstellung, denn jetzt, liebe Lesende, „ist es wieder soweit“. So gewiss wie das Ereignis selbst ist auch die Debatte, die so nicht im Vorfeld mindestens in den Folgewochen geführt werden wird. Abschaffen ja/nein, Winter- vs. Sommerzeit, alles ist auf einmal schrecklich, Deutschland im kollektiven Jetlag, von dem ich ja behaupte, es handele sich hierbei lediglich um eine willkommene Begründung für die seit Wochen mangels Sonnenlicht vermehrte Schläfrigkeit. Nachdem ich die ohnehin immer habe und den Rest das Digitaluhrwesen für mich regelt, könnte mir die Zeitumstellung weitestgehend schnurz sein. Ist sie auch. Doch was mich zweimal jährlich aufs äußerste beschäftigt ist: Wie wird eigentlich umgestellt? Eine Frage, die ich mir einfach nicht beantworten kann. Die ganz Schlauen kommen mir dann immer mit klugen Merksätzen, doch genau so gut könnte man mir die sprichwörtlichen „böhmischen Dörfer“ runterbeten. Ein besonders gern genutztes Beispiel ist das mit irgendwelchen Möbeln, die man je nach Saison in die Garage stellt oder in den Keller und bei Bedarf wieder herausholt. So war das doch, oder? Leider verstehe ich nicht, wie mir das als Eselsbrücke zur Zeitumstellung helfen soll. Bedeutet das: Im Winter hängen wir am besten alle Uhren ab oder werfen Tücher drüber, weil sowieso ist die Uhrzeit egal, wenn es den ganzen Tag nur finster ist? Schätze, so wird es gemeint sein. Morgens dunkel, abends auch, dazwischen Frieren, Dämmerung und Miesepeterei. Herrliche Aussichten! Insofern würde es mir völlig reichen, am Sonntag zu überhaupt irgendeiner Uhrzeit einmal aufzuwachen. Welche, ist mir schnuppe. Und überhaupt: Ich geh mir jetzt eine Tageslichtlampe kaufen. Dann bin ich frei von Raum und Zeit. Und damit auch von allem, wofür es „endlich wieder soweit ist“.