Die Ankündigung „es ist wieder soweit“ deutet meistens auf ein Ereignis hin, dass regelmäßig und zum gleichen Zeitpunkt wiederkehrt, unabwendbar ist, niemanden besonders überrascht und darob gänzlich überflüssig ist. Die Ankündigung. Manchmal auch das Ereignis selbst. Manchmal beides. Derlei Ereignisse stehen in der kommenden Zeit (ich sag’s ungern, aber heute in acht Wochen ist Weihnachten. Oder „in zwei Monaten“, falls das weniger bedrohlich klingt) zahlreich an, keines ist dazu angetan, uns sonderlich zu überraschen, weil man kann eh nichts dagegen tun. Wer jetzt spontan Christkindlesmarkt, Stille Feiertage und Jahreswechselzinnober (gerade gelernt: Beim „Zinnober“ handelt es sich um ein aus der Verbindung von Quecksilber und Schwefel entstehendes rotes Mineral, denkt mal drüber nach!) im Sinn hat: ja, stimmt schon, aber – gemach! Erst einmal steht jetzt ein anderes Ereignis bevor, das absolut unabwendbar ist, jährlich sogar gleich zweimal wiederkehrt und uns dennoch von Mal zu Mal aufs Neue völlig überrascht. Mich zumindest. Die Rede ist selbstverständlich von der Zeitumstellung, denn jetzt, liebe Lesende, „ist es wieder soweit“. So gewiss wie das Ereignis selbst ist auch die Debatte, die so nicht im Vorfeld mindestens in den Folgewochen geführt werden wird. Abschaffen ja/nein, Winter- vs. Sommerzeit, alles ist auf einmal schrecklich, Deutschland im kollektiven Jetlag, von dem ich ja behaupte, es handele sich hierbei lediglich um eine willkommene Begründung für die seit Wochen mangels Sonnenlicht vermehrte Schläfrigkeit. Nachdem ich die ohnehin immer habe und den Rest das Digitaluhrwesen für mich regelt, könnte mir die Zeitumstellung weitestgehend schnurz sein. Ist sie auch. Doch was mich zweimal jährlich aufs äußerste beschäftigt ist: Wie wird eigentlich umgestellt? Eine Frage, die ich mir einfach nicht beantworten kann. Die ganz Schlauen kommen mir dann immer mit klugen Merksätzen, doch genau so gut könnte man mir die sprichwörtlichen „böhmischen Dörfer“ runterbeten. Ein besonders gern genutztes Beispiel ist das mit irgendwelchen Möbeln, die man je nach Saison in die Garage stellt oder in den Keller und bei Bedarf wieder herausholt. So war das doch, oder? Leider verstehe ich nicht, wie mir das als Eselsbrücke zur Zeitumstellung helfen soll. Bedeutet das: Im Winter hängen wir am besten alle Uhren ab oder werfen Tücher drüber, weil sowieso ist die Uhrzeit egal, wenn es den ganzen Tag nur finster ist? Schätze, so wird es gemeint sein. Morgens dunkel, abends auch, dazwischen Frieren, Dämmerung und Miesepeterei. Herrliche Aussichten! Insofern würde es mir völlig reichen, am Sonntag zu überhaupt irgendeiner Uhrzeit einmal aufzuwachen. Welche, ist mir schnuppe. Und überhaupt: Ich geh mir jetzt eine Tageslichtlampe kaufen. Dann bin ich frei von Raum und Zeit. Und damit auch von allem, wofür es „endlich wieder soweit ist“.
Katharina Wasmeier - Runter vom Sofa!
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Freitag, 24. Oktober 2025
Freitag, 17. Oktober 2025
Müdigkeit
Na, auch noch nicht wach geworden? Es ist jetzt halb fünf am
Nachmittag, und wo andere Leute sagen würden „Ich habe gefühlt den ganzen Tag
geschlafen“ kann ich mit Fug und Recht und kein bisschen Stolz behaupten: Ich
HABE den ganzen Tag geschlafen. Eine analytische Ergründung der Ursache bin ich
mir bislang schuldig geblieben, aber ein, wenn nicht DER Grund, der mir von
Menschen, denen ich von meiner Unbill berichte, reflexhaft entgegengeschossen
wird, ist: das Wetter. Natürlich, es muss das Wetter sein. Das Wetter ist
hierzulande grundsätzlich an allem schuld. Kopfweh? Wetter! Leichter Schwindel?
Wetter! Nicht geschafft, einkaufen zu gehen? Wetter! Steuererklärung drei
Monate zu spät abgegeben? Na klar: Wetter! Ich möchte noch einen Schritt
weitergehen und gleich die ganze Saison unter Generealverdacht stellen,
allerlei Misslichkeiten zu verantworten hat, vor allem an denen, die mit
gesteigertem Schlafbedürfnis zu tun haben. Im Frühling ist es die
Frühjahrsmüdigkeit, die uns befällt, im Sommer prinzipiell die Hitze, die uns
lähmt. Im Winter ist es der Bär in uns, der seine Sehnsucht nach Winterschlaf
nicht abschütteln kann, und im Herbst ist eh grundsätzlich alles schwierig
(dunkel, nass, grau), so dass die Vorbereitung auf den Winterschlaf uns dann
noch den Rest gibt. Es gibt noch einen zweiten Grund, der ins Feld geführt wird
von befragtem Personal: Alter. Dagegen möchte ich mich strikt verwehren und
recke unter größter Anstrengung meinen gehobenen Zeigefinger als Zeichen
exorbitanter Empörung unter der Bettdecke hervor. Alterssymptome? Ich? Niemals!
Andere – meinetwegen, aber ich bin im Herzen forever 20 und im Körper ebenso. Es
ist halt einfach nur ganz praktisch, sich nur noch 20.15 Uhr-Filme auf den
Öffentlich-Rechtlichen anzuschauen, die pünktlich und vorhersehbar um 21.45 Uhr
enden und ein Zubettgehen um 22 Uhr ermöglichen. Es ist doch nur sinnvoll, sich
mit Freunden ausschließlich am Nachmittag zu treffen, damit es selbst nach
großer Ausschweifung problemlos möglich ist, am nächsten Tag pumperlfit zu sein,
weil schließlich war man um 20 Uhr zu Hause und um 22 Uhr (danke, ÖR) im Bett.
Es ist absolut klug, Unternehmungen jedweder Art mit mindestens einer Woche
Vorlauf zu planen, denn so hat man viel mehr Zeit, unter Verweis auf
Schläfrigkeit (s.o.) abzusagen anstatt am selben Tag sehr stressig sich erst zu
verabreden, dann lange mit der Verabredung zu hadern um schließlich kurzfristig
abzusagen. Und wenn man das oft genug so gehandhabt hat, kommt man bald auch
gar nicht mehr erst in die Verlegenheit, etwas absagen zu müssen, weil sich
ohnehin niemand mehr mit einem verabredet – win-win! Was also soll der Grund
sein für diese unendliche Müdigkeit? Ich ahne es: vermutlich mein seltsames
Leben als Tradwife, dem ich mich am vergangenen Wochenende hingegeben habe.
Aber davon erzähle ich ein andermal. Jetzt muss ich: schlafen.
Freitag, 10. Oktober 2025
Streaming
Der Mann ist glücklich. Das ist schön, denn meist bin ich
das dann auch, was wiederum gut für ihn ist, weil happy wife, happy life.
Prinzipiell. Aktuell geht die Rechnung aber irgendwie nicht auf. Doch während
ich noch darüber nachsinne, entwickelt der Mann großen Aktionismus. Kerzen
werden nach einigem Gewühl in einschlägigen Schubladen entzündet, das Ambilight
ebenfalls. Man braut Kräutertee, unterzieht Teekanne und Stövchen einer eiligen
Grundreinigung. Wärmflaschen werden aufgekocht, die schicke leichte
Musselindecke wird in denselben Untergrund verbannt, aus dem zugleich wärmende
und Heizdecken hervoroperiert werden. „ENDLICH“, schreit der Mann nach getaner
Arbeit, „FERNSEHEN!“ und schmeißt sich mit Effet aufs Kanapee, aus dem in einer
großen Staubwolke auch noch die letzten feinen Flöckchen Sommer emporstieben.
Durch den trüben Dunst erkenne ich eine wedelnde Fernbedienung, die mich
fröhlich auf die Couch einlädt … Ich kann die Freude durchaus nachvollziehen
und sogar teilen. Draußen stürmt und windet es, Regen verschiedenster
Darreichungsform kommt mal von links, mal von rechts und dann plötzlich von
unten. Kein Spaziergang ist zu tun, kein Biergarten zu besuchen, kein Garten zu
bestellen – ab jetzt wird gefaulenzt und fläzend kontempliert. Über den Sommer
haben sich Listen mit Film- und Serienempfehlungen angehäuft, die man jetzt
locker abarbeiten kann. Könnte. Denn mit dem einschalten der Flimmerkiste
öffnet sich gleichsam die Büchse der Pandora, und ich weiß: In zehn Minuten
habe ich Kopfschmerzen, tränende Augen und stehe kurz vor dem
Nervenzusammenbruch. Der Verursacher des Unzustandes? Glasklar:
Streamingdienste. Ich kann, das haben wir ja jetzt vielleicht schon
mitbekommen, mit Überangeboten nicht umgehen. Deswegen kauf ich lieber im
Zwergenladen um die Ecke ein – beim Betreten eines großen Supermarktes erleide
ich nach kurzer Zeit einen Schlaganfall, wenn ich nicht direkt verloren gehe.
So ist das auch beim Fernsehen, dessen lineare Variante ich stets vorziehe: Es
gibt ein Programm, das hat jemand kuratiert, und entweder schaff ich’s
pünktlich um 20.15 Uhr zum Samstagabendfilm oder nicht, entdecke dann beim
Zappen aber eine wunderbare Doku über die kirgisische Steinmaus und bin
zufrieden. Ganz anders das Streaming. „Gucken wir halt mal was es gibt!“
bedeutet nämlich, in wechselnder Reihenfolge sämtliche Angebote zu
durchforsten, währenddessen der Unmenge an Diensten gewahr zu werden, die man
peu a peu abonniert hat, und nach einer Stunde zwar immer noch keinen Film
gestartet zu haben, dafür aber 37 neue Sendungen auf eine Merkliste gesetzt zu
haben, an deren Auswahl man sich beim nächsten Mal nicht mehr erinnert und
schon geht’s wieder von vorne los … Während der Mann irgendwo ein Fußball
entdeckt hat, weine ich ein bisschen und wiege mich in den Schlaf. Das Setting
hierfür passt immerhin.
Freitag, 26. September 2025
Souvenirs
Souvenir, das: „Gegenstand, der als Erinnerung an ein
bestimmtes Ereignis, einen Ort oder eine Person mitgenommen und aufbewahrt wird.“
Typischer Vertreter dieser Gattung ist das Urlaubssouvenir, und hier gibt es
unterschiedliche Arten. Zum einen dasjenige, mit dem man sich selbst erfreuen
und den Urlaub so lange wie möglich strecken möchte. Hierzu gehören
traditionell landestypische kulinarische Erzeugnisse (Olivenöl, weil „das kriegst
du in der Qualität bei uns ja gar nicht; kistenweise Wein, weil „dieser
ökologische Ansatz und wie viel Mühe sich die da machen, das müssen wir
unbedingt unterstützen“; trockene Gebäckteilchen, weil „die halten sich echt
ewig und das wäre doch schön wenn wir die zu Weihnachten auf den Tisch stellen
könnten?“; Trüffel, weil „zu dem Preis echt unschlagbar, und wenn wir sie in
fünf Tupperdosen und einen Bleikoffer verpacken müssen wir nach der Fahrt auch
das Auto nicht kernsanieren …“). Kleidungsstücke, die am Urlaubsort zwar
absolut unabdinglich waren, am Heimatort aber schlagartig jedwede
Sinnhaftigkeit verlieren, stehen ebenfalls hoch im Kurs („Ach guck mal, die
tolle Elefantenpuffhose, die ist doch prima im Sommer daheim“, „o Gott schau
mal diese unfassbar cuten Boho-Kleider mit den Neon-Applikationen, die hier
alle anhaben, damit bin ich Queen zu Hause“, „diese Plateau-Sandalen mit den
putzigen Stickbommeln und den Zehensocken gibt’s bei uns ja noch gar nicht, da
bin ich endlich mal Trendsetterin“ usw. … ). Zum anderen gibt es diejenigen
Souvenirs, die man aus moralischer oder sonstiger Verpflichtung für
Daheimgebliebene mitnehmen zu müssen glaubt und die meist kurz vor der Abfahrt
oder spätestens an der letzten Tanke vor der Grenze erworben werden und darum
eventuell ein rechter Schmarrn sind („Aber wir MÜSSEN ihr doch irgendwas
mitbringen!“ – „Ja dann nimm halt diesen komischen Strand-Magneten und die
Kekse für 17 Euro, die nehmen nicht so viel Platz weg!“) und sich mit den
Postkarten, die man nebst horrend teurer Europabriefmarken strebsam am
Urlaubsbeginn gekauft, dann drei Wochen herumgezogen und schließlich auf dem
heimischen Wohnzimmertisch unter allerlei Unrat begraben hat, um sie „wenigstens
zu rahmen und hübsch aufzuhängen“, zu einem hübschen Souvenir-Paket vereinen.
Ich habe nichts dergleichen erworben (na gut, vielleicht ein, zwei
quietschbunte Boho-Kleider) und mir nicht einmal einen prächtigen Sonnenbrand
mit heim gebracht. Dafür Souvenirs der besonderen Art, die meinen Körper schmücken und mich an die schöne Zeit
erinnern. Tattoos? Also bitte! Nein: Mückenstiche! Gebissen von den fettesten, fiesesten
Viechern, die sich ein Mensch nur vorstellen kann. Von Kopf bis Fuß übersäht
liege ich nachts juckend wach und erinnere mich heftig kratzend an die schöne
Zeit. Das ist doch auch mal was, oder?
Freitag, 19. September 2025
Urlaubsvertretung
In einem ersprießlichen Gespräch mit einem der vielen
gütigen Kollegen, die hier Woche für Woche erst dafür zuständig sind, mich mit
Deadlines zu Höchstleistungen zu peitschen um dann anschließend an eben jenen
zu verzweifeln, behandelten wir unlängst im launigen Diskurs das Themenfeld
„Urlaubsvertretung“, denn ich sag einmal so: Selbst die lässigste aus dem Ärmel
geschüttelte Glosse tät ganz prinzipiell auch einmal gern einfach so auf einem
Sonnenstuhl herumliegen und nicht nur äußerlich einen mordsentspannten Eindruck
machen, sondern auch innerlich wirklich und echt wahr einfach einmal nichts zu
tun, zumal wenn’s außenrum gewaltig sommert. Einmal nichts zu denken – für
manche friedlicher Normalzustand, für mich jedoch das leere Hirn ein
unerreichter Sehnsuchtsort, an den ich zu gern einmal verreisen würde, ohne
dass ich mich zuvor auf einen höchst anstrengenden Weg der Meditation und
Erforschung der inneren Ruhe begeben muss. Auf meinen leichthin geäußerten
Gedanken also zuckte das Gesprächsgegenüber empfindlich zusammen und schrie.
„WASI!“, schrie es, „das kannst du knicken. Urlaubsvertretung! Es gibt auf der
ganzen Welt niemanden, der so schreibt wie du, also vergiss es!“ Ich versuchte
mich in Protest: „Aber …“ – „NICHTS ABER!“, schrie’s zurück, und mein feiner
Schnittlauchpony türmte sich im Gegenwind zur ondulierten Tolle auf. „Wenn du
jemanden findest, der dich vertritt und ich’s nicht merk, dann geb ich einen
aus! Und soll ich dir was sagen? Das wird ein billiger Abend – für mich! Und
jetzt geh denken!“ Jetzt muss ich sagen: Ich bin von Haus aus eher ökonomisch
veranlagt. Der Unwissende mag das mit Faulheit verwechseln, doch der
Erleuchtete weiß es besser. Mit minimalem Aufwand das maximale Ergebnis
erzielen – auf diese Weise bin ich schon eher versehentlich zu Latinum und
Abitur gekommen – kann nicht anders als als außerordentlich strebsam und klug
beurteilt werden. Gelegentlich jedoch packt mich ein großer Ehrgeiz nah am
Furor und ein „Dir werd ich’s schon zeigen!“ So auch jetzt. Meine Lieben – ein
Wettbewerb! Es ist ganz einfach: Sucht euch ein beliebiges Thema, saisonal, biographisch
oder völlig erfunden. Formuliert lose einen Gedanken. Blast diesen bis zur
Unkenntlichkeit auf, bemalt ihn, pudert ihn, behängt ihn mit Lametta,
Luftschlangen und Spaghetti. Googelt im Themenfeld, streut wahllos
bildungsbürgerliche Sujets ein. Lest Asterix, verwendet lateinische Wendungen
nach Gusto (gustum, -o: Geschmack, der), gelegentlich englische because it’s so
amazing. Ersetzt möglichst alle Punkte durch Komma, verstrickt euch in
Nebensatzstrukturen fünfter Ebene, findet nonchalant wieder heraus, vertraut
auf die Verwirrungstaktik. Überrascht mit lyrischen Exzessen und Onomatopoesie.
Schreibt, wie ihr sprecht und nicht wie das Amtsblatt. Niemand mag Amtsblätter.
Erweitert euren mickrigen Wortschatz von 200 auf 200 Millionen (Anm. d. Red.:
von dieser Aussage distanzieren wir uns nachdrücklich). Lügt. Und schickt mir
das Ergebnis. Dann wollen wir mal schauen, wer hier einen billigen Abend
verbringt und wer nicht. Lustig wird das allemal. Auf geht’s!
Freitag, 12. September 2025
La dure far tutti
Ach Leute, ich sag’s euch: Es könnte wirklich schlimmer sein
… Ich fläze ohne jede Körperspannung in der Hängematte, es herrschen äußerst
angenehme Temperaturen; gerade warm genug, um im Bikini nicht zu frösteln, aber
auch nicht so heiß, dass die Sonnencreme in die Augen laufen oder ich gar ins
Schwitzen geraten würde. Wenn ich die Augen schließe, höre ich nichts als
plätscherndes Wasser und haufenweise Kindergeschrei. Gelegentlich kommt mein
schöner Mann vorbei und befragt mich nach meinen Wünschen: ein kleines
Sandwich, kühle Getränke oder eine Runde Karteln? Mal sehen, ob ich den Tag
morgen wieder so verbringen darf oder lieber einen kulturell ansprechenden
Ausflug machen muss … Was ich möchte, denn schließlich ward mir versprochen:
zwei Wochen „La dolce far niente“ – das sprichwörtlich italienische süße
Nichtstun: schlendern, bummeln, hier ein Spritzchen, dort ein Gelato,
dazwischen sehr viel liegen und lesen und dabei wahnsinnig gut ausschauen. Ok,
letzteres gelingt mir freilich mit links. Ansonsten herrscht hier ein strenges
Regime. Von wegen süßes Nichtstun: „la dure far tutti“ lautet die Parole – das
harte Allesmachen! „Und hast du dir schon einen Plan überlegt für
Unternehmungen?“ frug der Mann kaum dass die Strada del Sole, sprich A9,
betreten worden war und wedelte drohend mit dem im euphorischen Überschwang
(oder schwachen Moment) erworbenen Reiseführer. Berge wollen bestiegen werden
und Schiffe auch, Museen durchstriffen und Gässchen erkundet, und über allem
(mir) schwebt das Damoklesschwert eines Freizeitparkbesuchs, um eine gewisse
Attraktion dort zu betreten und per Konfrontationstherapie zu erkunden, ob ich
die Nahtoderfahrung von vor einigen Jahren wiederholen oder mich heiter in den
Wind des Schreckens stellen kann und dort heiter mit den Ohren flattern. Das
ist also dieses „Urli“, von dem immer alle reden, und das einzige, was sich
grad dem süßen Nichtstun hingibt, ist meine Verdauung nach einer knappen Woche
monothematischer Ernährung mit Stangenweißbrot und Grissini … Immerhin:
Langweilig wird mir schon allein darum nicht, weil ich mir die
tätigkeitsreichste Art der Unterbringung ausgesucht habe. Camping. Schön im Igluzelt
auf Luftmatratzen und Dreibeinhockern? Natürlich nicht, aber auch im
festinstallierten Mobilheim hat man zwar ein Dach über dem Kopf, dafür aber
auch immer was zu tun. Allem voran, sich einer reduzierten und entschleunigten
Lebensweise rückzubesinnen – etwas, das einem im vollausgestatteten Luxus des
Eigenheims gelegentlich abhandenkommt. Die minimalistische Ausstattung sowie
der überschaubare Wohnraum machen’s möglich, und so mach ich zwar nicht niente,
dafür aber tutti in großer Langsamkeit und mit Bedacht, um nicht mehrfach
täglich einen kleinen Wutanfall zu erleiden, weil wichtiges Küchengerät nicht
zur Hand ist oder Kleidungsstücke im Klamottenchaos verschollen sind. Alles in
allem: tutto bene! Ciao!
Freitag, 5. September 2025
Strada del Sole
Ach Leute, ich sag’s euch: Es könnte wirklich schlimmer sein
… Ich fläze elegant auf einer höchst bequemen Liege, es herrschen äußerst
angenehme Temperaturen; gerade warm genug, um im Pailletten-Bikini nicht zu
frösteln, aber auch nicht zu heiß, dass mein extrahübsches Makeup verlaufen
oder ich gar ins Schwitzen geraten würde. Wenn ich die Augen schließe, höre ich
nichts als plätscherndes Wasser und gelegentlich ein glockenhelles
Kinderlachen. Gelegentlich kommt ein schöner Mann vorbei und befragt mich nach
meinen Wünschen: ein kleines Sandwich, kühle Getränke oder gar eine Massage?
Mal sehen, ob ich den Tag morgen wieder so verbringe oder lieber einen
kulturell ansprechenden Ausflug mache, aber ich denke, ich komme einfach wieder
an diesen wunderbar entspannenden Platz – im Hallenbad vom TSV Dingens, also
jedenfalls dem Sportverein um die Ecke … Stimmt doch gar nicht? Ja richtig,
stimmt eventuell gar nicht, und blitzgescheit, wie ihr seid, habt ihr natürlich
auch schon ausgerechnet, dass ich ja noch gar nicht weg sein kann. Erwischt!
Aber es gab diesen Moment, in dem ich mit hoher Sicherheit befunden habe, eben
dieses Hallenbad sei DIE Lösung für meine Sorgen hinsichtlich der
Urlaubsdestination. Es könnte sich bei diesem Moment um denjenigen gehandelt
haben, in dem ich den 187. Booking.com-Tab am Laptop öffnen wollte, um eine
weitere potenzielle FeWo einem kritischen Vergleich zu unterziehen, sich aber
statt den neuen Tab zu öffnen mein Rechner mit einem vernehmlichen Seufzen
geschlossen und weitere Dienstleistung verweigert hat. War es aber nicht.
Sondern ein anderer. „WIR MÜSSEN ZU HAUSE BLEIBEN, DAS GEHT SO ALLES NICHT!“
hab ich geschrien und mich dabei auf dem Boden gewälzt – so gut wie es ging,
denn da wo zuvor ein Boden war, liegt jetzt mein gesamter Hausstand in
thematisch passenden Haufen sortiert und wartet darauf, in thematisch sinnvolle
Taschen, Koffer und 37 Jutebeutel gepackt zu werden. In dem wahnwitzigen
Irrglauben, am Urlaubsort angekommen nur noch zielgerichtet lässig in die
passende Tasche greifen zu müssen und dort genau das eine Trum zu fassen zu
kriegen, nach dem mir grad der Sinn steht; anstatt wie sonst üblich sämtliches
Gepäck dreimal zu durchwühlen, anschließend mies gelaunt ins nächste Geschäft
zu fahren und dort mit Todesverachtung einen scheußlichen und zu kleinen Bikini
zu erwerben, da der eigene offenkundig daheim vergessen wurde (und sich dann
aber beim Auspacken nach Urlaubsende daheim natürlich in der Thementasche
„Baden“ wiederfindet) … Was soll ich sagen? Urlaub ist eben der blanke Stress.
Aber für den Rückzug ist es jetzt zu spät. Morgen früh geht’s los. Jetzt:
Reisesemmeln schmieren, die spätestens hinter Greding komplett verspeist sind.
Arrivederci! Strada del sole – ich komme!