Samstag, 29. März 2014

Forsüzie

Bienenblumenbiergartensommersonneschweinebraten. Und alle so „BOAHLECK!“ und raus und Hormone und Knutschi und Cabrio und Übermut. Ja. Damit jedoch der ekelhaft-überbordend guten Laune Einhalt geboten wird, haben das Leben im Allgemeinen und die Natur im Speziellen gewisse Institutionen etabliert, die in dieser ganzen Frohsinnsinkontinenz launevergrätzend für Ordnung sorgen. Heuschnupfen, Reifenwechsel, Fensterputz und habt ihr schon diese Atommücken am Wöhrder See gesehen? Das kann ja heiter werden. Aber bevor ich mir eine mobile Umkleidekabine als portables Moskitonetz umbaue, muss ich dringend ein paar Wort verlieren über den mir von der Natur großzügig bereitgestellten Aggressor: die Forsythie. Es beginnt damit, dass ich den Namen nachschlagen und mir am schweren Brockhaus den Finger verstauchen muss. Ich meine, was soll denn das bitte sein? For-sü-zi-e. Das klingt schon wie Heinz-Eberhard, und genau so verhält sie sich auch, die alte Strebsau. Während die gesamte Welt so ganz langsam mit vom Winterschlaf schwerst verquollenem Gesicht in Erwägung zu ziehen beginnt, wieder aktiv am Leben teilzunehmen, hüpft ganz vorne in der ersten Reihe schon längst die Forsüzie auf einem Bein, hat die gelben Arme schnipsend nach oben gereckt und schreit „ICH! ICH! ICH!! Ich bin schon da, ich weiß es, ich hab extra Fleiß-Hausi gemacht und lass niemanden abschreiben!“ 
Die Forsüzie ist die Lisa Simpson der Frühblüher, eine knallgelbe Nervensäge, die einzig und allein dafür verantwortlich ist, dass jedes andere Lebewesen wie ein lahmer Faulpelz erscheint und dann vermutlich, wegen self-fulfilling prophecy, auch noch zu einem solchen wird, weil wer lässt sich schon nicht einschüchtern von diesen Überpflanzen, gegen die man eh von vornherein zu verlieren weiß? Wer will denn auch nur versuchen, Emily Dickinsons Satz „Hope is the thing with feathers“ auf Anhieb fehlerfrei auszusprechen, wenn sich vorn der Heinz-Eberhard räkelt und mit dem bereits in der Vorschule absolvierten Toefl-Test hämisch den Mittelscheitel kratzt? Genau, niemand außer den anderen Heinz-Eberharden und Lisa-Maries. Und deswegen betrachte ich jede einzelne Forsüzie als persönlichen Affront. So eine Magnolie, das hat halt Stil. Ein volles Jahr divenhaft herumkaspern, und dann macht’s BÄM und alle so „BOAHLECK!“ und nach drei Tagen sagt die Magnolie „So Leute, das war’s, ich hol mir jetzt erstmal ein Glas Schampus!“ Recht hatse! 
„Prüfungsgeil“ für alle Streber der Stadt (Indabahn, Bahnhofsplatz), klar. Außerdem: „Zucker“ (360°, Adlerstraße), „Querbeat“ (KKK, Königstraße, „Anne will tanzen“ (Desi, Brückenstraße), „Bad Taste Party“ (Große Liebe, Engelhardsgasse), „Soulflight“ (Terminal, Flughafenstraße),  „Girls in Heaven“ (Bar77, Luitpoldstraße), „Lui Latino“ (beim Nachbarn), „Verschnabbelbuff“ (Stereo, Klaragasse) und „Ensemble“ (Mitte, Hallplatz). Wenn das verarbeitet ist geht’s am Samstag weiter mit „Oxyd“ (ArtiSchocken, Landgrabenstraße), „Kiss Klub“ (Rakete, Vogelweiherstraße),  „Nürnberg.Pop.Club“ (Zwingerkeller, Lorenzer Straße), „Buckshot“ (Stereo), „Swing Ding Masters“ (Nano, Königstraße), „Shinzen III“ (KKK), „Ü30“ (Löwensaal, Schmausenbuckstraße), „Mittelalter-Spektakel“ (Cult, Dooser Straße) und der Orientierungsveranstaltung für Wochentagsverwirrte: „Samstag Mach“(Nacht1, Kaiserstraße). Wenn euch im Morgengrauen Menschen sportiv entgegenjoggen, fragt sie, ob sie Heinz-Marie heißen und Forsüzien im Vorgarten kultivieren! 

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