Am Sonntag wird im Volk endlich mal getrauert. Der ein oder andere mag jetzt die alljährliche Platte der Beschneidung der persönlichen Freiheit durch garstiges Tanzverbot auflegen, doch seien all jene an dieser Stelle daran erinnert, dass man vergleichsweise selten mitbekommt, dass jemand sich an einem Ostermontag, Tag der Arbeit oder zweiten Weihnachtsfeiertag trotzig auf den Boden wirft und danach verlangt, Kirche und Staat bitteschön voneinander getrennt zu halten. Jetzt also ein stiller Feiertag, hochoffiziell, was mir grade recht kommt, weil das Volk trauert von sich aus nämlich offensichtlich eher wenig. Dabei hat es allen Grund. In den kommenden Woche wird es ausnehmend viel um Ausländer, also Nichtdeutsche gehen. Ein Franzose hat uns schon heimgesucht, die Kinder ihm dankend den Weg erhellt und eifrig die Taschen aufgehalten. Ein Türke wird bald kommen, für die einen im Gewand einer US-amerikanischen Coladose, für die anderen – Österreicher, Bayern, Kroaten, Italiener und viele mehr – in Begleitung des Krampus, der, hoffentlich, dem ein oder anderen gehörig den Hintern versohlen wird. Folgen werden ein Israeli, dessen Existenz zwar nur peripher bedeutend, aber doch nicht ganz unwichtig ist für das lebkuchenglühweinduftende Lichtergeschenkbohei, das unübersehbar grade Anlauf nimmt, sowie gewisse Afrikaner, Perser und Syrer, denen der Bürger hierzulande seltsamerweise nur zu gern die Türe öffnet statt sie zu vertreiben, weil schließlich gehört sich das so, dass dann die Initialen auf dem Türstock prangen, was sollen sonst die Leute denken. Christus segne dieses Haus. Das hat sich auch die AfD gedacht und pünktlich zum Beginn des Ausländerreigens ihren höchsteigenen Liebesbrief verteilt. Der heißt „Deutschland Kurier“, und so wie man erst meint, die „Titanic“ habe expandiert, so schnell darf man feststellen, dass in dem Gratispapier gar nicht mal so viel Witziges versteckt ist. Bis auf die bebilderte Komplettvorstellung der 92 „endlich wieder eine Opposition“-Abgeordneten, die man möglicherweise dereinst noch fürs „Ich bin kein Nazi, aber“-Bingo verwenden möchte. Nun ist es nicht das erste Mal, dass eine Gratiszeitung zweifelhaften Ursprungs und Inhalts einfach so im Postkasten steckt, ohne dass man sie bestellt hätte. Die BILD macht sowas dauernd. Ebenso dauernd jedoch barst die (soziale) Medienlandschaft vor Empörung, Wut und guten Tipps, wie sich dieser scheußlichen Hetzzeitung postwendend zu entledigen sei. Und jetzt? Seit bald acht Wochen warte ich, dass einmal einer aufsteht und sagt: Freunde, jetzt langt’s, jetzt packen wir’s mal an. Stattdessen muss ich dauernd wichtig lesen dass ein jede Frau auch schon einmal von einem Mann anzüglich angeschaut worden ist. Es ist halt einfach, couchlagernd in ein Telefon „Ihr seid nicht das Volk!“ hineinzutippen. Aber langsam muss man vielleicht sagen: Ihr aber anscheinend auch nicht. Sondern die drei Affen, das geht auch mit dem Handy. Wenn das so ist, kann man den Volkstrauertag ja abschaffen. Oder anstatt übers Tanzverbot zu maulen ein bisschen nachzudenken, wie das jetzt eigentlich alles so weitergehen soll.
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