Freitag, 30. August 2019

Sommergeruch

Kennt ihr das wenn man in so ein Freundschaftsalbum hineinschreiben muss damit man nach drei Jahren Grundschule endlich einmal weiß wem man da immer Popel an den Rücken schmiert oder später bei so Fragebögen jeglicher Couleur, da steht dann sowas wie „Was ist dein Lieblingsgeruch?“ und dann schreibst du je nach Alter oder halt Erlebnishorizont hinein „Schnitzel“ oder „Jil Sander SUN“ oder „Tankstelle“. Oder es heißt gern auch einmal „Wie riecht für dich der Sommer?“, und dann krakeln die Menschen, die dir sonst auch gern einmal nachdenkliche Sprüche schicken oder sich Carpe diem auf den Steiß hinauf haben tätowieren lassen, mit Glitzergelstift auf die Zeile „Straßen nach dem Regen“ oder „Tiroler Nussöl“ oder „frische Wodkamelone“. Die vielleicht nicht ganz so romantisch angehauchten „aufgeplatzter Teer“ oder „Geschweißel in der U-Bahn“ oder „Grillfleisch“, vielleicht auch „so eine feine Melange aus fermentiertem Fisch und frisch Exkorporiertem“ (vgl. Wöhrder See, der) oder „Vanilleduftbaum“ oder ich weiß auch nicht, was einem da noch alles so einfallen könnte, Wartezimmer oder Umkleide find ich auch gut, generell eh alles was von einer Menschenansammlung verunreinigt worden ist, dazwischen ein Limonenkerzerl. Jedenfalls bei mir ist das so, dass ich schon sakrisch lang nicht mehr irgendwohinein hätt schreiben dürfen, wonach für mich der Sommer riecht, keiner möcht mich also kennenlernen, niemand fragt, und deswegen frag ich mich: „Katharina“, frag ich, „wonach riecht für dich der Sommer?“ und dann hol ich sehr, sehr tief Luft und die blas ich dann in eine große Tröte und hintnach schrei ich laut „NACH LEBKUCHEN, HIMMIHERRGOTTSAKRAMENTPFUIDEIFI!“ Weil das musst du dir einmal vorstellen, lebst du nicht nur in der Stadt die ausschließlich und der ganzen Welt nur wegen dieser Backware geläufig ist, nein, da musst du auch noch akkurat so wohnen, dass unbedingt auch ja jeder einzelne Fabrikschlot, wo du weißt, unten innendrin Wichtelgeschwader und Massenproduktionsstart und Orangeat und Zitronat und Mehl und Zimt und Nelke und Jinglebells und Honig und überhaupt der ganze klebrige Gatsch, jeder einzelne muss auch noch eine Abluft in die Stadt hinaus haben, nicht etwa vielleicht dass man die Abluft unterirdisch legt in die Westvorstadt beispielsweise oder meinetwegen in ein jedes U-Bahn-Tunnel, nein, es bläst mir alles ins Gesicht hinein! Im August!! Und du schnaufst und radelst und werkst und halluzinierst von Meeresbrisen und der Heumaht und ja meine Güte zur Not auch von Jil Sander, aber doch nicht willst du, dass der schlimmste aller Wintergerüche, weil es handelt sich hier eindeutig um einen Winter-Geruch!, mitten im August dir die Atemwege verklebt so dass du lieber in den Wöhrder See hineinatmen würdest als auch nur noch eine Sekunde die Nase aus einem Nordstadtfenster strecken! Papiertüte! Ich brauche eine Papiertüte! Mit Grillfleisch drin! 

Freitag, 23. August 2019

Adoleszenz

Die Adoleszenz, glaub ich einmal gelernt zu haben, ist diese arg diffuse Zeit zwischen „Ich darf mich noch auf den Boden werfen und schreien wenn ich den Lolli nicht krieg“ und … ja, also eben nicht mehr. Offiziell, schau ich lieber noch einmal nach, ist es der „Zeitraum von der späten Kindheit über die Pubertät bis hin zum vollen Erwachsensein“, und da würd ich einmal sagen, bis zum „vollen Erwachsensein“ hat der Mensch wie’s halt so geht gelegentlich Rückschläge zu erleiden. Oder Tiefpunkte. Es kann sein eine Scheidung vielleicht oder die Abkehr vom Lieblingsverein wegen Ruhmunreichheit, vielleicht muss eins auch einsehen, dass das ewige Talent nie gepflückt wird oder irgendwo ein anderer nicht Platz zum Nachrücken macht. Oder der persönliche Tiefpunkt in der Erwachsenenmenschwerdung lautet so: „ … ja und dann, Tochter, musst du dir auch langsam einmal überlegen, was du zum Essen mitnehmen möchtest.“ Und da hab ich grad nocheinmal genau nachgeschlagen im Brockhaus und gelesen, dass „unter anderem eine emotionale Unabhängigkeit von den Eltern entwickelt und eine Akzeptanz der eigenen Erscheinung erreicht (Phänotyp, Autonomie)“ werden soll, in der Adoleszenz. Und so wirst du ganz schnell wieder eingespurt auf deine Position. Weil es war so, dass ich mir einbild, ich tät einmal gern in einen Urlaub fahren. Und weil ich das zum allerersten Mal in meinem Leben mach, hab ich den großen Weis(s)en befragt ob er mich vielleicht ein bisschen unterstützen möchte. Nicht monetär, sondern mit der Weisheit eben. Sogleich hab ich in Windeseile eine Route ausgearbeitet bekommen mit allen Stops zum Wurstsemmelvorratauffrischen und wo eine Bodenwelle sein könnt oder auch ein Blitzer zum Vorherlieberbremsen und an welchem Ort der Kaffee um die Ecke günstiger ist als am großen Platz. Ich hab gehört welche Wege nur in meiner Welt funktionieren und in Echt dann aber doch gar nicht, wo man vorher was zu tun hätt um hinterher nicht blöd zu schauen. Es ging um Auslandskrankenschutz und ADAC, um Plastiktütenvorräte wegen Wetter und ob der Kühlschrank auch ganz sicher für 12 Volt, um was man vorher schon einmal ankündigen und am besten anschauen könnt wegen der Eventualitäten und Ausarbeitung von Plänen B bis F. Ich, ganz erwachsen, hab genickt und gehört und gelernt weil wie wir ja zum Beispiel auch aus der Stadtverwaltung kennen haben ältere Herren oder manchmal auch Frauen die schon lang auf der Welt umeinanderausprobieren immer recht und Neues ist gefährlich. Und dann aber eben das: „ … überlegen, was du dir zum Essen mitnehmen möchtest.“ –„ICH FAHR FEI NUR NACH ITALIEN!“, ist mir da ganz kurz die die Kontenangse ausgerutscht. „Soweit ich weiß ist das trotz aller aktuellen Entwicklungen selbst im Durchfahrtsland noch EU, und weder der Lidl noch der Hofer haben ihre Truppen abgezogen! Und es sind auch noch drei Wochen!“ Auf den Boden geworfen hab ich mich nicht. Aber … es sind ja noch drei Wochen. Ich adolesziere ganz entspannt vor mich hin. 

Freitag, 16. August 2019

Geh-Weg!

Also, so eine Woche später würd ich einmal kurz zwischenbilanzieren mögen und sagen: Hat gut geklappt, mit dieser Ablenkungstaktik, dass der Fuss e. V. jetzt einmal ein bisschen anderweitig beschäftigt ist, aber hey, was der Frodo kann mit Auge und dem Saruman, das können wir schon lang. Schwupps Tretroller auf die Straßen und … Ach nein, ja eben nicht: Auf den Gehweg, muss das heißen, weil wenn man das einmal richtig aussprechen würde mit der Betonung nämlich auf der zweiten statt der ersten Silbe, dann wüsste man schon längst Bescheid. Jedenfalls hat also, kann ich freudig verkünden, in der letzten Woche völlig überraschend niemand versucht, mich umzubringen. Außer einmal ich mich selbst, Badewanne und so, aber da steckt man halt nicht drin. In den Mordanschlägen auch nicht natürlich, ich weiß schon, dass das jetzt eh auch gar nicht fair und der Bürgersteig ist ja nunmal für den gehenden Bürger da und für den fahrenden nicht, für den rollenden auch nicht, nur vier Räder, und für den auf dem Fahrrad sitzenden und aber mit den Füßen am Boden mitpaddelnden auch nicht, weil da ist er zwar viel langsamer als so ein Geher und noch viel schmaler als ein Schieber sowieso, aber zefix noch eins er sitzt! Und das darf nicht sein am Trott-oir, da sagt ja auch schon der Name, was gefälligst zu tun ist. In der Verteidigung des Rechts entwickelt der Trottel … Trottler … Trotter, jetzt! Also der Trotter Superspezialsuperkräfte, das musst du auch erst einmal erlebt haben. Zum Beispiel ist eine meiner Lieblingssuperkräfte, die ich wirklich auch gern hätt, die, dass wenn du von hinten so ein vorsichtiges „Achtung ich schieb mich mal vorbei, mach bitte keinen Quatsch“-Klingeln aussendest, dann ist das scheint’s ein Geheimsignal für plötzliche Ertaubung + Körperumfangsverfünffachung + Störung im Gleichgewichtssinn weil auf einmal muss der Mensch breitbeinig umeinandertorkeln. Du wärst einfach nur gern vorbeigeschlichen, aber geht dann nicht. Manchmal passiert auch dass denen blitzschnell ein langer Arm wächst, so GoGo-Gadgeto-Arme, nur leider befindest du dich in der Streckbahn und dann kann das schon einmal passieren dass der Superkraftarm dich auf die Straße schiebt. Saublöd, aber was willst du machen. Ganz besonders verrückt war einmal ganz jetzt erst, da hat eine Omi, so eine ganz hadscherte kleine würfelförmige, ganz plötzlich hinter mir einen Turbo angeschmissen wo du sagst, Sprintolympiade nix dagegen, und wie man das kennt auch aus der Formel 1, da kracht’s auch gern direkt einmal beim Start, und genau so hat die Omi mich ganz aus Versehen im Vorbeirennen vom Radl gewrestelt, wohl hat sie Wichtiges beim Einkauf vergessen und darum gerufen „Du dumme Ursel!“, fast beinahe direkt hinauf auf die Hauptverkehrsstraße wär ich geflogen. Da hab ich dann schon einmal freundlich in einen Hauseingang gebeten und gefragt, was jetzt da genau passiert ist, und stell dir vor, „Ich wollte vorbei!“ Ja schau, da kannst du nichts machen, Superkräfte kommen wie sie wollen. Wie beim Pumuckl. Dass mir neulich nahegelegt worden ist, ich soll mein Radl doch gefälligst auf der Straße schieben und nicht am Geh-Weg!, da weiß ich immer noch nicht, ob ich das geträumt hab. 

Freitag, 9. August 2019

Luitpoldhainis

Achtung, Witzezeit! Wie heißen Menschen, die den Juli über auf Wiesen herumgelegen sind mit ihrem ganzen Hausstand und Musik gehört haben und Klassik und Sternspeier und Knutschiknutsch und Nudelsalat? Luitpoldhainis, genau! Und wie nennt man die, die seit zwei Wochen wacklig unser Stadtbild bereichern? E-Dioten!! Muahaha … Ah ja, das war jetzt gemein. Also für den Luitpoldhain zumindest wirklich sehr. Für die anderen … eigentlich nicht, weil ich find das alles sehr gut mit diesen Rollern. Weil schau, den ganzen Tag kann ich im Hausgewand auf meinem Balkon kontemplieren und statt Fernsehen einfach Straße. Was man als Privatieuse halt so macht. Auch so im Alltag geht das gut, aber da muss man sich dann womöglich dabei bewegen, und das wollen, nein: sollen wir ja anscheinend nicht, deswegen bleib ich lieber auf meinem Hochsitz, von wo aus ich sehr gut zum Volke sprechen kann und unter mir der Pöbel zu meiner Unterhaltung gereicht. Nämlichst bald muss ich einen eigenen Buchmacher zu meinem Gesinde hinzufügen der die Einsätze organisiert rund ums Thema „Wird es dem Knaben gelingen, die Erstfahrt mit dem Roller im Selfievideo einhändig für die Ewigkeit zu konservieren und gleichzeitig lässig in die Kamera zu grienen und mit einem halben Stilauge die Straße zu observieren oder wird ihm der hauptstädtisch asphaltierte Straßenchique zum Verhängnis und später haben wir ein neues lustiges Überschlagsvideo?“ oder „Ja schau, wenn sie jetzt geschmeidig auch noch mit dem anderen Rädchen in die Straßenbahnschiene eingefädelt wär dann könnt sie sich jetzt noch einmal kurz beidhändig die Frisur richten.“ Womit wir auch schon beim Aspekt „akrobatischer Unterhaltungswert“ wären wo du sagst: Da kann der Hermanns Axel, nein: Alex fei sein Palazzo stecken lassen, weil da zahl ich doch nicht mehr horrende Summen für ein bisschen Turnerei, wenn’s doch draußen auf der Straße völlig umsonst zu haben ist. Und den passenden Soundtrack liefern sie gleich auch noch mit dazu, weil wenn’s noch nicht aufgefallen sein sollte: Überall in der Stadt tut’s plötzlich so ein fulimantes … fulmimamtes … also wirklich sehr volltönendes Geräusch, so ein onomatopoetisches Kassenkatsching, was dabei passiert wenn das Gerät sich endlich aufgesperrt hat und dabei gleich einmal ein Euro auf den Boden fällt – ein Geräusch übrigens, von dem ich meine dass es jedem Sportverein die Tränen in die Augen treiben müsst, weil offensichtlich zahlt man lieber kein Geld mehr dafür, sich bewegen zu dürfen, sondern lieber, sich möglichst nie mehr bewegen zu müssen, weil künftig fährt mich der Roller zum Aufzug zur U-Bahn und am besten noch in diese hinein und das gleiche dann retour und oben wieder raus und vielleicht kann man ja im Fitnessstudio damit auch aufs Laufband, das wär doch schön. Dann bestellen wir Pizza und schauen „WALL·E“.  Hachz … Also eigentlich find ich das alles ziemlich toll – schon allein weil jetzt der Fachverband Fußverkehr Deutschland e. V. endlich ein neues Feindbild auserkiesen kann, und während der also militant auf Rollerfahrer einspazierstockt kann ich auf dem Radl unbehelligt hintenrumschlupfen. Weil das war so …  

Freitag, 2. August 2019

Stillleben

„Stillleben bezeichnet in der Geschichte der europäischen Kunsttradition die Darstellung toter bzw. regloser Gegenstände (Blumen, Früchte, tote Tiere, Gläser, Instrumente o. a.). Deren Auswahl und Gruppierung erfolgte nach inhaltlichen (oft symbolischen) und ästhetischen Aspekten. Auf gut Deutsch: Mit der Abbildung vom Saustall, der halt daheim so umeinanderliegt, verdienen Künstler seit jeher einen Haufen Geld.“ Okay okay, beim letzten Satz ist mir vielleicht ein klitzekleines Copy-Paste-Malheur passiert, was mich jedoch nicht davon abhält, von meiner kunsttraditionellen Ausgestaltung meiner Wohnung zu künden, denn hier gibt es derzeit Stillleben, soweit das UV-zerfressene Auge reicht. Mach ich sogleich mich an die Arbeit der „still-life photography“, wie das Neudeutsch heißen und aber auch Fragen aufwerfen muss, weil ein „Still Life“ glaub ich bedeutet doch, dass irgendwas grad noch so als lebendig bezeichnet werden kann, was dann wiederum sich vielleicht eher auf die Balkonpflanzen meiner mit einem savannenbraunen Daumen gesegneten Nachbarin beziehen sollte … Bei mir: Alles entweder sehr lebendig oder sehr tot, so wie das Fensterbrett im Badezimmer voller erstillter Fliegen, die sich trotz benetzter Barriere allabendlich durch Ritzen zwängen um dann ihr Leben in meiner Wanne auszuhauchen. Gleich daneben, nämlich über dem Waschbecken, findet sich das nächste Motiv, das vom Weh und Ach, Juhee und Oho des Sommers kündet, nämlich in einer Reihe säuberlich drapiert 3x Sonnenschutz (LSF 15, 30, 30, angeblich wasserfest, angeblich Light Touch, angeblich nicht rückfettend) nebst Venenaktivrosskastanienbalm (aus bekannten Gründen) und Voltaren Schmerzgel (Rucksäcke, offene Fenster – man kennt das). Weiter gehen wir gemeinsam in die gute Stube, die gleichwohl als Durchgangszimmer wie auch erweiterter Hauswirtschafts- und Lagerraum dient. Hier finden wir gleich mehrere Stillleben, so nämlich einen Haufen Handtücher, Kleider, Shirts und Hosen, der während des Schweißtrocknenes auf wundersame Weise die Form einer Couch angenommen hat, Picknickdecken und Transportmittel verschiedener Größe, von denen irgendjemand findet, sie lohnten das Aufräumen nicht, gekrönt von etwas, das einst als Esstisch angeschafft worden war, nun aber als Tableau für ein changierendes, doch variables Arrangement dient: Hier finden wir Bücher (darf & darf nicht nass werden), kleine Kleidtäschchen, kleine Ausgehgeldbeutelchen für kleine Kleidtäschchen, Zeitungen vom Juni (Nachlese!), Monatsstadtmagazine (Vorbereitung) und überhaupt alles fürs spontane-Überleben-im-Hochstadtsommer-Survival-Paket. Vor der Tür zum Schlafzimmer biegen wir aus Diskretionsgründen lieber eilig ab (ich sag mal so: Nach drei Monaten hab auch ich gecheckt, dass Strickjäkchen und leichte Püllöverchen für den Abend direkt daheim bleiben können) und vor der Küche, wenn ich’s mir recht überleg, auch. Es soll ja dann zur Ausstellung auch noch Überraschungen geben, gelt?