„Dieses Gebaren“, versuchte man milde eine List, „ist einem Familienoberhaupt nicht würdig.“ „DAS IST MIR EGAL!“ schrie ich mit einer Stimme, die nicht minder blutete als mein Herz, erhob mich vom Boden, auf dem ich mich zuvor minutenlang in waidwundem Schmerz gewälzt hatte, und rückte die Zitrone zurecht, die ich versuchsweise auf dem Kopf trug, seitdem ich, als im diesjährigen Weihnachtsländermenürennen die Wahl ein- weil lautstimmig auf eben jenen südasiatischen Staat gefallen war, in Erfahrung gebracht hatte, dass in christlichen indischen Familien das Oberhaupt eine solche Frucht symbolisch überreicht bekäme, zum Zeichen der Verehrung. Würdevoll zog ich literweise Rotz, das Elixier des Seelenleides, nach oben, und rief aus: „Dann mach ich das eben ganz alleine!“ „Dann“, sprach das Familienoberhaupt a. D., „machst du das eben ganz alleine.“
Zuvor hatte eben jene Person, die vielleicht nicht ganz zu Unrecht neuerdings den Titelappendix „a. D.“ trägt, verkündet, es gäbe in diesem Jahr keinen Weihnachtsbaum. Wegen langgenugnurfürdieKinder, wegen nadeltdochnurallesvoll, wegen wersolldenndasallesschleppen und wegen ausPrinzipVerweigerung. Und wegen Boshaftigkeit: „Willst du mir sagen, du möchtest unter dem Baum liegen und mit der Krippen spielen?“ Nein, freilich will ich das nicht, UND SELBST WENN! Zog ich also los, weil selbst ist der Spätadoleszente, und stellte mich der Mission Christbaumkauf. Dachte, das kann doch nicht so schwer sein, dachte ich, und wurde eines besseren belehrt. „Halt nich so einen großen“, war das einzig zu erfüllende Kriterium. Darüber, dass es da aber noch 17 weitere gibt, von denen Existenz ich nicht mal ahnte, klärte mich der Christbaumverkaufsmann episch und mit großer Geduld dann auf.
Der eine sei grüner, dafür auch stachliger, weswegen gut für Katzenhalter, der eine dufte, nadle dafür schneller, und welche Art von Halterung ich besäße, denn entsprechend müsse der Stamm präpariert werden, und so weiter und so fort. „Das wird jetzt schon so passen“, beschloss ich forsch, „und wenn nicht, dann kommen Sie halt wieder“, versicherte der Baumbeauftragte und schmiss wenig zärtlich meine Beute in den Kofferraum, auf dass ich sie in die Familienzentrale verbrächte. Mit konquistadorischem Stolz verkündete ich die frohe Botschaft – und sehe mich seitdem größter Häme ausgesetzt: Man habe den Baum auf der Terrasse kaum gefunden. Ob ich es verantworten könne, ein Christbaumbaby so früh seiner Baumschule zu entreißen. Woher man jetzt auf die Schnelle noch Puppenschmuck bekommen solle? Dass das Junge unter der Lichterkette doch ersticken werde. Ob ich den Baum als Tischdeko gedacht hätte?
Mir als frischgebackenem Würdenträger macht das freilich nichts! Ich poliere meine Zitrone und denke mir: die Familie vereint – in Häme zwar, aber was soll’s, diese Last schultere ich gern. Weil so muss das doch sein, an Weihnachten. Also vereint. In diesem Sinne wünsche ich allen [passendes Adjektiv bitte hier einfügen] Weihnachten inklusive Wochenende mit viel Freude, Freunden, Gesundheit, Glück, einer tapferen Peristaltik und einer Partyauswahl, die dermaßen groß ist, dass ich gar nicht erst anfange, Highlights rauszupopeln. Hauptsache: Liebe!