Der Mann und ich haben jetzt eine To-Do-Liste. Auf
vielfachen Wunsch einer einzelnen Person nicht etwa in Form einer App oder
sonstigem neumodischem Zeugs, sondern schön in Postergröße zentral in der
Wohnung montiert. Weil ich dachte, dass es doch viel mehr Anstrengung bedarf,
Aufgaben zu ignorieren, die man tagtäglich in schweigender Anklage vor die Nase
gehalten bekommt. Leider stellte sich das – naturellement – als großer Irrtum
heraus, denn ähnlich der berühmten Kartons, die man drei Monate nach Umzug noch
unausgeräumt in der neuen Wohnung stehen hat oder der als Interimslösung
gedachten Baustellenlampe ist die mahnende Gestalt der To-Do-Liste in
Windeseile aus dem kollektiven Bewusstsein verschwunden und wird in großem
Einverständnis geheimhin als Wohnungseinrichtungsbestandteil akzeptiert. Eigentlich
habe ich den Eindruck, dass der Mann und ich uns in diebischem Komplizentum
darüber freuen, die To-Do-Liste meisterlich zu ignorieren und uns ihrer
autoritären Gewalt mit spätpubertärer Anarchie fleißig zu entziehen – was
irgendwie gut ist, denn diese kriminelle Energie schweißt uns fest zusammen,
obwohl die Liste von mir in schwungvollen Lettern mit „Du-Du-Liste“
überschrieben und damit die Zuständigkeit klar verteilt worden ist, was ja bei
konservativer Betrachtung ein gewisses Konfliktpotenzial beherbergen könnte. So
aber haben wir das Poster beide als Deko-Objekt verinnerlicht, das aus den
gleichen völlig unbekannten Gründen in der Wohnung verbleibt wie beispielsweise
die Rücken-fit-Anleitung „In zehn Minuten zum Leben ohne Schmerz“, die seit
2016 (!) an verschiedenen Stellen in der Wohnung deutlichst sichtbar angebracht
war, um die „Übungen, die du einfach in deinen Alltag einbauen kannst“ stets
vor Augen zu haben, um eben diese Übungen einfach in meinen Alltag einzubauen.
Nach sechs Jahren war das Papier brüchig, der Tesa auch, und deshalb segnete
das längst verblichene Trainingsmahnmal leider das Zeitliche bei einem weiteren
meiner Versuche, es durch Umhängen (Schlafzimmertür -> Schreibtischpinnwand
-> Heizkörper -> Kanapee) wieder sichtbar zu machen. Dass Dinge überhaupt
auf einer To-Do-Liste stehen müssen, hat einen ganz einfachen Grund: Es sind
grässliche Notwendigkeiten, für deren Erfüllung es kein anderes Druckmittel als
die eigene Disziplin gibt (im Gegensatz zur sehr aktivierenden Steuer-Anmahnung
beispielsweise). In Ausnahmefällen funktioniert Liebesentzug, aber wie lange
hält man das schon durch? Witzigerweise aktiviert die To-Do-Liste aber eine
andere Disziplin, in der ich ungeschlagene Meisterin bin: die Prokrastination
oder, verhaltenstheoretisch: Übersprungshandlung. Statt Kleiderschrank
auszumisten habe ich das Gewürzregal sortiert, statt Stromanbieter zu wechseln
die komplette Küche entkalkt und statt Sommerschuhe aus dem Keller zu räumen –
einfach neue gekauft. Ha!
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