Gestern ist etwas Dramatisches passiert: Ich wurde einfach
so, ratzifatzi nonchalant im Vorbeigehen einer der Säulen meines Lebens
beraubt. Entsprechend bin ich markerschüttert, und weil ich aufgrund
erzkatholischer Erziehung nächstenliebend an die anderen denke, möchte ich
diese Erschütterung directement mit euch teilen. „Ich hab gelesen das mit dem
Aufessen und dem schönen Wetter stimmt überhaupt nicht“ lautete ein
tiefsinniger Wortbeitrag in geselliger Runde. Ich, ebenso tiefsinnig: „Nicht.
Haha. Soso.“ Weil es ist freilich ein Schmarrn. Seit Kindesbeinen an hab ich
gelernt: Iss schön auf, sonst wird morgen das Wetter schlecht. Schlechtes
Wetter?! Kann keiner wollen, vor allem kann niemand dran schuld sein wollen,
und schon gleich dreimal nicht dann, wenn man grad zu einer mehrtägigen
Ferienreise in El Paradiso angekommen ist, dem parkähnlichen Blumen-, Wiesen-
und Gemüsefeld der Großeltern, dessen Adventure Score auf fröhlichen 100
Prozent leuchtete und damit im direkten Vergleich mit dem Hausinneren trotz
zahlreicher Räume voller potenzieller Abenteuer und Geheimnisse und Dasgehtdichnichtsans
schwer vorne lag (außerdem gab es in diesem Innen nur einen Fernseher namens
„NEINERSTABENDS!“). Ergo hab ich aufgegessen, und siehe da: Der Sommer brannte
lichterloh und brachte endlose Tage voll Gelato, Chlorgeruch und Freibadpommes
(aufgegessen!). Dank dieser oekotrophologischen Frühförderung habe ich zeitig
gelernt, ein „satt“-Gefühl mit Bravour zu ignorieren und stattdessen weiterhin
aufs Brävste aufzuessen, und als das Wetter begann, keine ganz so dominierende
Rolle in meinem Leben zu spielen, übernahmen erst flugs der Geiz („Lieber den
Magen verrenkt als dem Wirt was geschenkt.“) und später Weltrettungsfantasien
(„Das können wir doch jetzt nicht wegschmeißen, komm tu her!“), wofür ich ja
dank Überfressungstraining von Kindesbeinen an bestens vorbereitet war, im
Hinterkopf immer ein leichtes Gefühl der Schuld, wenn‘s am Tag nach einer
verschmähten Garniturtomate dann doch einmal geregnet hat … Und jetzt das: „Das
ist irgendwie nur ein Übersetzungsfehler von irgendwo, das heißt irgendwie ganz
anders.“ Geschwind befragte ich das mobile Weltwissen, und siehe da: „Die
Redensart beruht nämlich auf einer missverstandenen plattdeutschen
Formulierung. Im Plattdeutschen lautete diese: ‚Et dien Töller leddig, dann
givt dat morgen goods wedder.‘ Daraus wurde im Hochdeutschen dann schnell der
Ausdruck ‚Iss deinen Teller leer, dann gibt das morgen gutes Wetter‘. Doch bei
dieser Übersetzung unterlief ein Fehler: Denn ‚wedder‘ heißt gar nicht
‚Wetter‘, sondern ‚wieder‘. Eigentlich müsste es also korrekt heißen: ‚Iss
deinen Teller leer, dann gibt das auch morgen wieder etwas Gutes.‘“ In diesem
Sinne wünsche ich gesegneten Appetit. Und wenn’s doch mal regnet: Das wünschen
wir uns doch heutzutage alle.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen