Freitag, 9. Juni 2023

Rock im Park für Alte

 

Pfingsten 2023: „Mädels, ihr seht aus wie Rock im Park, nur halt für Alte!“ Jemand hatte Geburtstag, und man tat, was man tun musste: Man verbrachte diesen auf einem Weingut am Main. Was erstmal klingt nach Wildromantik, Abenden in weinumrankten Pergolen und Einsamkeit stellte sich heraus als Ansammlung mobiler Reihenhäuser, die in Reih und Glied Satellitenschüssel an Satellitenschüssel mir die Sicht auf das die Sicht auf den Sonnenuntergang versperrende Windrad versperrten, derweil mir mainfränkischer Sandboden in die Nase wehte: „Wir haben unseren Stellplatz erst kürzlich erweitert und müssen noch Kleinigkeiten anpassen“ rief der Winzer fröhlich und stapfte über frisch zerfurchten Ackerlehm davon, derweil die Mädels – allsamt die 40 weit hinter sich gelassen – fröhlich schnatternd unser gallisches Dorf aus Zelten, Autos und Transportern aufzumischten, um sich für diejenige Unternehmung bereit zu machen, für die die Region berühmt ist: seniorengruppenweise die Weinberge nach Heckenwirtschaften zu durchpflügen und Bacchus zu huldigen, um sich im Anschluss im heimischen Weingut niederzulassen und dort weiter zu huldigen. Mit dabei: die persönliche und aus magentechnischen Gründen sehr abstinente Chronistin = ich. Nach vier Flaschen Wein – pro gewanderten Kilometer eine zur Belohnung – ging’s zur Probe. Der fröhliche Winzer sprach: „Sechs Weiße, drei Rote, zwei Secco, der Rotling und dann halt noch die Schnapskarte!“ Ich hab das dann mal mitnotiert: „1. Hofschoppen: milde Essignote, alkoholisch im Abgang; 12g Restzucker 2. Müller-Thurgau: sauer; 1g Restzucker 3. Roter Traubensaft: intensiver Tabakgeruch, Geschmack mild und marmeladig 4. Bergsecco: riecht nach Alkohol, schmeckt nach Alkohol; Saft drauf - lecker (Gläser werden merklich voller) 5. Rotling: spaltet die Gemüter, große Uneinigkeit; ggfs. ungünstige Kombination mit großer Wurst- und Käse-Platte; „wenn die Wurst dicker ist als das Brot ist egal wie dick der Teufel ist.“ 6. Riesling: keine Reaktion = vereint im Glück. Wein für Fortgeschrittene Trinker laut Chef. Babs gründet „Riesling Ultras“; 7. Muskateller: erneute Uneinigkeit, zu süß oder grade recht? Riecht süß und nach Honig, schmeckt nach Parfum 8. Lieber mehr Riesling 9. Sabine schmeckt alles. 10. Silvaner vergessen, einzelne Teilnehmer sind jedoch sicher dass es Silvaner gab. 11. Gin, Schlehe, Walnuss, Zwetschge – möchte sofort auf Tisch klopfen und Kapsel auf Nase setzen. Nüchtern. 12. Zitat Mangold: “Beim Bier hast am nächsten Tag Kopfweh auf Arbeit, beim Wein hingegen geht's dir gut auch nach drei, vier Flaschen.“ Wird sich zeigen.“ Nach diesem Fanal war die Stimmung blendend, man machte sich auf zum Camp, um dort frenetisch weiterzufeiern. Kurze Zeit fand ich mich inmitten eines Haufens aus Ermattung, Fleecedecken und „Bitte keine Musik jetzt.“ Weinprobe, das Festival des Alters. Keep on Rockin!

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