Samstag, 28. Dezember 2013

Männerschnupfen

Endlich ist es so weit: Ein Schnupfen hat mich befallen. Das ist freilich lästig, nicht jedoch über Gebühr dramatisch. Ich bin eine Frau, und Frauen sind Kummer gewohnt (schon allein, weil es Männer gibt) und Schmerzen auch, und deshalb weiß ich mein virulentes Schicksal weitgehend schweigend hinzunehmen und die Öffentlichkeit nur durch versehentliche eukalyptusgrüne Hickser daran teilhaben zu lassen. In ein paar Tagen ist’s ja wieder vorbei. Diese im Volksmund „Erkältung“ genannte Krankheit hat jedoch einen kleinen, nein, großen Bruder, der wirklich, und das meine ich ganz ehrlich, mehr Aufmerksamkeit verdient hat und vor allem keinesfalls die Spötteleien, denen er sich stets ausgesetzt sieht. Dieser verteufelten Seuche wegen sieht sich pünktlich zur Saison die Hälfte der deutschen Bevölkerung vom Aussterben bedroht, und da hat der Spaß ein Ende. Der „Männerschnupfen“! 

Einmal der Malaise anheimgefallen, muss der Wirt sich eigentlich umgehend aufs Sterbebett darniederlegen. Doch der ist sich seiner gesellschaftlichen Verpflichtungen bewusst, und so schleppt er sich durch die Tage, bereit, den Märtyrertod zu erleiden. Sichere Anzeichen für den Befall sind: Der Mann verlangt mit einem schwer verhohlenen Unterton von Panik nach der Wickelsalbe („Schonend sanft zu sensibler Haut“), um sie sich zentimeterdick ums Riechorgan zu schmieren. Präventiv. Am Telefon klingt er, als hätte er sich zwei faustdicke Kartoffeln in die Nase geschoben und gibt auf Nachfrage nur höchst widerstrebend zu, nicht ganz auf der Höhe zu sein (wichtig ist hierbei, dass es „krank“ heißen muss. Das lässt ausreichend Interpretationsspielraum bis hin zum sicheren Ableben und klingt nicht nach so einem Weiberwischiwaschi wie „Erkältung“, denn da müsste man sich ja nun wirklich nicht so anstellen, müsste man sich!). Und er eilt geschwind zur Apotheke, um mit einer fließenden Bewegung alles aus dem entsprechenden Regal in den Warenkorb zu räumen (sicherheitshalber nimmt er angrenzende Abteilungen wie „Tropenapotheke“ und „Schüsslersalze“ auch gleich mit). 

Optimal unterstützend zur Überwindung der Malaise wirkt die kompromisslose Akzeptanz und Unterstützung des armen Tropfs. Empfohlen wird von einschlägigen Expertinnen: Hühnersuppe (nach dem Rezept von Mama. Seiner.), fünfminütlich abwechselnde Nachfragen mit sorgenvoller Miene nach dem Befinden und zu erfüllenden Wünschen, die wortlose Übergabe der Macht (vulgo: Fernbedienung) sowie ein Anruf zur Überprüfung des laufenden Sky-Abos. Wenn man dann noch ein sanftes Schlafmittel unter den Tee in die Schnabeltasse mischt, hat man flugs Ruhe und kann sich Purzelbäume schlagend unters Tanzvolk mischen. Auf geht’s, Mädels, runter vom Siechbett! 

Am besten in die Große Liebe (Engelhardsgasse) zu „Männer sind Schweine“ oder „We want revenge“ im Cult (Dooser Straße). Gemäßigter: „Moonbootica“ in der Rakete (Vogelweiherstraße), „Tonkonzum“ in der KK (Königstraße), „Urban Echoes“ in der Desi (Brückenstraße), „Blue Velvet“ im Stereo (Klaragasse) und die „Muckibude“ in der MUZ (Fürther Straße). Am Samstag statt Tee & Zwieback „Milk & Sugar“ in der Indabahn (Bahnhofsplatz), „Roland Apple“ in der Mitte (Hallplatz), der „WHMC-Grinch“ im Zwinger Keller (Lorenzer Straße), „2 Jahre Ü30 House Edition“ im Terminal (Flughafenstraße), „Kollektiv Humboldstraße“ im Nano (Königstraße) und „Monsters of Jungle“ im Loop) Klingenhofstraße) sowie der restliche Kladderadatsch. Einen Vorteil hat die Seuche aber: Am Sonntag könnt ihr an der vom zwischenzeitlich genesenen Mann vorgewärmten Couch horchen und euch von ihm bekümmern lassen. Der sollte ja jetzt wissen, wie’s geht.

Samstag, 21. Dezember 2013

Weihnachten, natürlich

Kurz vor Weihnachten, und ich bin so voll positiver Gefühle, dass mir schier die Worte fehlen. Beseelt von Liebe bin ich, voller Besinnlichkeit und Harmonie und Altruismus, in kindlich vorfreudiger Gewissheit darüber, dass ich bald mit Tieren sprechen und herrlich weihnachtlich im leichten Gewand im Garten zum Grillieren laden kann. Seit Wochen sind alle Menschen entspannt und fröhlich wie sonst nie im ganzen Jahr, und das steckt an, da will man nur noch rings um sich herum umarmen und über die Vorzüge bedingungsloser Nächstenliebe referieren. Alle sind so höflich, sagen bitte und danke und Habe die Ehre und blinken beim Abbiegen, weswegen es mir ein leichtes ist, zum Ende des Jahres mit salbungsvoller Miene und ebensolchen Worten davon Abstand zu nehmen, einen Rückblick oder gar ein Resümee zu veranstalten.

Eingemummelt in den von mir in den vergangenen Wochen mit Sorgfalt gestrickten Ganzkörperschal aus biologisch und von singenden Senioren angebautem Naturbastgarn sitze ich vor dem knisternden Kaminfeuer in HD+ und intonieren probehalber die Weihnachtsmär, die ich in der Heiligen Nacht zu rezitieren gedenke. Mit grandseignieuraler Mimik und ausladender Geste. Und der Inbrunst mehrerer Liter Feuerzangenbowle und Beaujolais, derer es dringend bedarf, um den 17-gängigen Menüfolgen Herr zu werden, die da dräuen. Doch was soll‘s, der frisch gestärkte Kragen hält uns in aufrechter Position, so dass die prall gefüllten Ranzen im Gänsemarsch zum Ententanz getragen werden können, um der Peristaltik mit Verve und formvollendetem Ausdruckstanz zur Hilfe zu eilen. Das geht jetzt übrigens quasi in einem Rutsch eine volle Woche lang so, und ich muss mal gucken, wie weit vorauszuschauen ich komme, bevor sich mein Hirn von einer Christbaum- in eine Diskokugel verwandelt. Wobei mir die Vorstellung gar nicht schlecht gefällt. 

Also, Ärmel hochgekrempelt, Hufe neu beschlagen und los! Klassiker und Specials – alles ist im Weihnachtssackerl. Am Dienstag: „Belly Cloud“ (KuKuQ , Königstraße), „Best X-Mas“ (Indabahn, Bahnhofsplatz), „Plattenrausch“ (Stereo, Klaragasse) und „Weihnachten“ im Mach1 (Kaiserstraße) sowie als „Rosa“ (Große Liebe, Engelhardsgasse) und „Schwarz“ (Cult, Dooserstraße). Tag 2 oder 3, je nachdem, wann man angefangen hat: „Christmadness“ (Mitte, Hallplatz & Rakete, Vogelweiherstraße), „Reggae hit the town“ (Zentralcafé, Königstraße), „90° Steil“ (360°, Adlerstraße), „Back for Good“ (Mach1), „Stop Making Sense“ (Stereo), „Technologie in Chemestrie“ (Nano, Königstraße) und meine Lieblingsveranstaltung in der Kategorie „einsame Herzen an Weihnachten: „Singleparty X-Mas Edition“ (Terminal, Flughafenstraße). Tag 3: „2-4-6“ (Bar77, Luitpoldstraße), „Luilicious“ (King Lui, ebd.), „90er Trashgalore“ (Hirsch, Vogelweiherstraße) und „The Afrolatinjazzrockers“ (Desi, Brückenstraße). 

Tag 4: „Hüttengaudi“ (Marquee, Klingenhofstraße), „Querbeat“ (Kulturkellerei, Königstraße), „Prinzessinnen & Superhelden“ (Bar 77), „Girls on Top“ (360°), „Freiküssen“ (Mach1), „Wicked Game“ (Stereo), „Rotblau“ (Mitte), „Zeitloch“ (Hirsch). Tag 5 (es ist mittlerweile Samstag, falls jemand den Überblick verloren haben sollte): „Hafenschänke“ (MUZ, Fürther Straße), „Funk Soul Brother“ (KK), „Schwarztanz“ (Cult), „2 Jahre Dunstkreiskollektiv“ (Desi), „3-2-1 Hirsch“, übliche Varianten aus „Samstag, deine/eine, Nacht“ (z.B. Mitte, Indabahn), „Kings Clubbing“ (King Lui), „Rosa Samstag“ (Große Liebe). So. Jetzt reicht’s. Zwei Tage könnt ihr schlafen, Gurkenmasken auflegen und saunieren, und was ihr an Silvester macht, das wisst ihr in Gottes Namen und in mit dem Segen des heiligen Himbeergeistes hoffentlich mittlerweile. Frohes Fest!

Samstag, 14. Dezember 2013

Plätzchenschnapsideen

Es ist ein Irrglaube, zu meinen, „gute Ideen“ würde man für gewöhnlich „einfach so haben“. Denn in Wahrheit verhält es sich oft eher so, dass man gute Ideen „erleidet“. Gute Ideen stellen sich nämlich naturgemäß über kurz oder lang als völlige Schnapsidee heraus, die großes Leid nach sich zieht. Eine gute Idee hat man erlitten, wenn einem einfällt, man könnte ja mal eben, weil Wetter und überhaupt, das Schuhregal ein bisschen ausmisten. Fröhlich pfeifend macht man sich ans Werk, voller fester Entschlüsse und Tatendrang. Nach zwei Stunden legt man sich erschöpft darnieder und muss sich leider eingestehen, dass man in der vergangenen Zeit rein gar nichts ausgemistet hat, dafür aber alle 120 Paare nach Formen und in sich nach Farben sortiert und die rechte Hand bereits über der PC-Maus schwebend im Begriff ist, die Lücken in der Farbpalette durch die ein oder andere, rasch getätigte Bestellung zu verfüllen – rein zwengs der Ästhetik, versteht sich. 

Eine gute Idee erleidet man auch dann, wenn einen – also, mich zumindest – alljährlich der Plätzchenwahn befällt. Weil es ist ja so schön und der Zuckowski-Chor schalmeit die „Weihnachtsbäckerei“ und freuen tut sich doch auch ein jeder, dem man hernach so ein Packerl überreicht, wache ich eines Morgens auf und weiß: Heut ist’s soweit. Ohne bestehende Vorräte, dafür aber zig Rezepte zu checken, werden Mengenangaben aus Verhungerungsangst prinzipiell mindestens verdoppelt, Zutaten sackweise angekarrt und flugs losgelegt. Spätestens, wenn ich merke, dass so ein Handrührgerät halt einfach nicht gemacht ist für drei Kilo Mürbteig, läuten die ersten Glocken, und zwar gar nicht weihnachtlich. Die fünf wassermelonengroßen Teigbatzen auf dem Tisch drapieren, geschwind ins Bett gehen und die Restarbeit die Heinzelmännchen verrichten lassen, hat sich in der Vergangenheit als nur theoretisch dankbare Lösung herausgestellt. 

Es folgt also eine mühselige, schweißtreibende Ewigkeit des Ausstechens und Formens, der bis zum Ellbogen hinauf teigverklebten Katastrophen, der Tränen über Bruchwerk und überhaupt ist alles ganz und gar bescheuert, Lebkuchen, wer macht das schon noch selbst, zumal in Nürnberg, denk ich, während der süße Leim vom Löffel neben die Oblate statt darauf batzt, und Butterplätzchen zu verzieren sollte man nun wirklich den Pädagogen dieser Welt überlassen, die bekommen das wenigstens bezahlt, und überhaupt, danken wird’s hinterher sowieso kein Mensch, und nächstes Jahr, also wirklich, nächstes Jahr, da gibt’s Plätzchen vom Feinkost Albrecht oder gar nicht, ist eh besser für die Linie. Nach 17 Stunden Leben im Teig, die Nase bis zum Anschlag voller Vanillepuderstaub, ersten Anzeichen von Karpaltunnelsyndrom und einem Bauchmuskelkater wie nach drei Stunden mit dem Abslider ist es dann zu Ende erlitten, das Leid. Und ein großes Zufriedenheitsgefühl stellt sich ein angesichts all der prall gefüllten Keksdosen. 

Derart beschwingt tanzt es sich doch gleich viel besser hinein ins Nachtleben, wo man dann allen gleich erzählen kann von der guten Tat. Am besten bei „Zucker“ im 360° (Adlerstraße) für die jungen oder „Querbeat“ in der KKK (Königstraße) für die alten Back-Hasen. Nebenan im Nano: „Pon di Attack“, eins weiter „Buckshot – das große Wunschkonzert“ im Stereo (Klaragasse), nochmal um die Ecke „Ensemble“ in der Mitte und einen großen Schritt südwärts „Pull the Trigger“ im Hirsch (Vogelweiherstraße). Die alten Hasen sollten sich nicht zu sehr verausgaben, haben nämlich am Samstag ausnahmsweise mal die Qual der Wahl: das Ballhaus (Klingenhofstraße) eröffnen, zu den „Disco Classics“ ins Terminal (Flughafenstraße) fahren oder zur „Retro Party“ ins Parks (Stadtpark)? Die jungen haben’s leichter: Abgesehen von der „Panda Party“ im Zentralcafé (Königstraße) und „7 Jahre Disko2000“ im Stereo ist alles wie gehabt. Wer die gute Idee erleidet, alles abzugrasen: Schönen dritten Advent!

Samstag, 7. Dezember 2013

Glühweinkalorien

„Nach dem Essen sollst du ruhen …“ sind ungefähr die letzten Worte, die mir durch den Kopf blitzen, bevor ich mich auf das als Sterbebett auserkorene Sofa sinken lasse. Schwer atmend, drückt doch das just einverleibte Drei-Gänge-Menü nicht nur von innen gegen den Rippenbogen, sondern schränkt auch die Lungenfunktion massiv ein. Da können zwei Meter weit sein. An tausend Schritte ist nicht zu denken. Es ist der erste Advent, und ich frage mich, wie das die kommenden vier Wochen weitergehen soll. Und wie viele Schritte man eigentlich gemeinhin so tun müsste, um halbwegs zu vermeiden, dass am zweiten Januar selbst die dehnbarste Jogginghose nur unter maximaler Spannung und flach auf dem Rücken liegend an Ort und Stelle gebracht werden kann. Ach, hätt‘ ich’s mich doch lieber nicht gefragt! Aber jetzt kann ich leider nicht mehr sagen, ich hätt‘ von all dem nichts gewusst, und sehe keinen anderen moralischen Ausweg als den, euch teilhaben zu lassen an meinen dezidierten mathematischen Überlegungen. 

Also: Besagte tausend Schritte entsprechen einer Strecke von 750 Metern und dienen laut Sprichwort freilich eher dazu, die leidgeplagte Peristaltik aus der Schreckensstarre zu erwecken. Egal. 750 Meter „gehen, moderates Tempo (5 km/h)“ entsprechen einem durchschnittlichen Verbrauch von rund 35 Kalorien. So. Laut verschiedener semi- bis unseriöser Nachschlagewerke birgt so ein niedliches, winzigkleines, im Vorbeischlendern zur Erquickung eingeatmetes Tässchen Glühwein 200 Kalorien. Alle fortfolgenden Rechnungen bis hin zum Gänsebraten möchte ich lieber euch selbst überlassen. Jetzt stellt sich nur die Frage des Umgangs mit dem kulinarischen Sündenfall der kommenden vier Wochen. „14 Tipps schlank durch den Advent“ schlagen gewiefte Alternativen wie Maronen statt Mandeln, Fleischfondue statt Raclette oder Früchtebrot statt Stollen vor. Kann man machen. Schwer unter spielverderberischen Verdacht gerät man aber schnell, wenn man sich auf dem Betriebsweihnachtsfest heimlich in die Küche drückt, um mit dem Koch darüber zu verhandeln, Blaukraut und Vogel ohne Soße zu liefern, um letzteren anschließend unterm Tisch zu häuten und zu hoffen, dass der nächstbeste Vorgesetzte nicht auf dem Speiserest bananenschalengleich von dannen rutscht (Oder auch grade, dass er’s tut!). Nervig ist auch, wer die vorbereitenden Diskussionen fürs Festtagsmahl ausschließlich um Wortbeiträge wie „Muss das jetzt sein mit dem Butterschmalz?“ oder „Könnten wir nicht vielleicht getrocknete Selleriescheiben statt des Gratins als Beilage machen?“ ergänzt. Es hilft nichts. Wir müssen da jetzt einfach alle durch. 

Was aber auf jeden Fall begünstigend wirkt, ist ein mit Hingabe absolvierter Ausdruckstanz hier und da. Machen wir! Pflichtveranstaltung für alle Schwofer ist definitiv der „Soulweekender“ im KuKuQ (Königstraße) – erfreulicherweise zweitägig. Wer’s schneller mag: „Optimus Maximus“ sind mal wieder in der Mitte (Hallplatz), „Bada Bing!“ nebenan im Stereo, und einmal um die Ecke zu „Lui Lipstick“ (Luitpoldstraße) getanzt, stolpert man unweigerlich über „We love 90s“ in der Bar 77. Am Samstag geht’s raus aus der City in die Vogelweiherallee mit „Rigorös“ in der Rakete oder der „Maximum Rock Night“ im Hirsch, weiter im Zickzack zu„Body Rock“ im Marquee (Klingenhofstraße), „Anne will tanzen“ in der Desi (Brückenstraße) oder der Notveranstaltung für „Ich bin Ü30 und weiß nicht wohin mit mir“ im Löwensaal (Schmausenbuckstraße). Die 14 Tipps nennen übrigens Glühwein als bessere Alternative zu Eierpunsch! Damit komm ich klar.

Samstag, 30. November 2013

Beauty first, safety second

Aus einem vor vielen Jahren gescheiterten Erziehungsversuch (es ging um Fahrradhelme, Frisur und Sicherheit) hat sich im Laufe der Zeit ein geflügeltes Wort entwickelt. „Beauty first, safety second“ lautet seitdem das Motto, unter dem das Tragen bestimmter Kleidungsstücke oder Accessoires in der Öffentlichkeit als gesellschaftsuntauglich und darob strikt verboten gilt. Dazu gehören Trekkingsandalen (außer im Wanderurlaub) ebenso wie Bauchtaschen (auch da), Jogginghosen (außer auf der Couch) oder hautfarbene Leggings (dito!). Es gibt allerdings Bereiche, in denen aufgrund höherer Gewalt Ausnahmen gemacht werden dürfen. In so einer Extremsituation befinden wir uns derzeit wieder.
Betroffen hiervon ist zum einen der sogenannte Komfort- oder auch Bequemschuh. Der zeichnet sich durch einen nahezu absurden Mangel an Ästhetik aus, verfügt dafür aber über eine fußgerechte Gesundform und sieht aus, als hätte man sich ein Schnabeltier ans Bein gebunden. Und das wollen wir nicht, nein. Bis zu genau dem Tag, an dem erstmals die Füße am Kopfsteinpflaster festfrieren. In großem gesellschaftlichen Konsens darf man jetzt alle Prinzipien über Bord werfen – Optik egal, Hauptsache, eine fünf Zentimeter dicke Gummisohle trennt uns von der Blasenentzündung, der Schuh ist wind- und wasserfest und so massiv, dass man ihn innen auch noch mit drei Lagen Lammfell tapezieren kann. Der zweite Bereich heißt „Mütze“, und hier wird’s schwierig, weil man die nicht einfach unter einem Hosenbein verstecken kann. Jedes Jahr versuch ich’s. Und scheitere.
Meine tiefsitzende Abneigung lässt sich vielleicht, aber keinesfalls ausschließlich mit dem Umstand erklären, dass ich mit egal welcher Mütze aussehe wie Michl aus Lönneberga (mit Verlaub) oder ein Vollidiot (ohne). Das gilt aber für die meisten Menschen. Die „Mode“-Industrie scheint sich sehnlichst zu wünschen, dass wir auf Kreationen reinfallen, die sich fiese, im Keller angekettete Designer händereibend als boshaften Coup des Jahres und Rache an der Menschheit ersonnen haben. Anders kann ich mir nicht erklären, dass so eine Mützenabteilung für Erwachsene sich in nichts von einer für Kinder oder Fasching unterscheidet. Es gibt Tierohren für die ganz Süßen, Nietenbezug, wo man sich fragt: Darf man das im Weihnachtsmarktgedränge?, man kann sich als Same verkleiden, einen Medizinball (für Notfall und Routine, man weiß ja nie) verstecken , und wer neongelben Fratzendruck trägt, meint das bestimmt als total ironische Anspielung auf die 90er-Jahre-Relikte mit dem grellbunten Haarersatzteil obendrauf. Hihi. Mützen, die man, um fettiges Haar oder einen Frisör-Unfall zu verbergen, auch drinnen auflässt, hab ich gelernt, heißen übrigens „Beanie“.
Die darf man auch im Club, und deswegen ab mit euch dorthin! „Back to the Future of Drum’n’Bass“ in der Desi (Brückenstraße), „Vernunft & Faulheit“ im Zwinger Keller (Lorenzer Straße), „Semester“ in der Mitte (Hallplatz), „F**K Forever“ im Stereo daneben und die HipHop-Edition von „3-2-1 besoffen“ draußen im Hirsch (Vogelweiherstraße) und „Why so serious“ beim Nachbarn Rakete. Am Samstag ruft die MUZ (Fürther Straße) in die „Muckibude“, die Desi „Hände hoch!“, im Mach (Kaiserstraße) sind „Goodtimes“, an die man sich im Terminal (Flughafenstraße) mit der „80er/90er Party“ erinnert und auf der Mississippi Queen (Donaustraße) mit „Abfahrt“, während das Loop (Klingenhofstraße) direkt einen „Abflug“ macht. Den mach ich jetzt auch. Inkognito. Mit Bommel.

Samstag, 23. November 2013

Adventskalenderleid

Alle Jahre wieder durchwandere ich die Adventszeit als ein tiefes Tal der Trübnis. Das hat nichts mit Wetter und Dunkelheit zu tun. Kindergarten! Auch nicht mit irgendeinem Pärchen- und Single-Dilemma. Pustekuchen! Geschenke-Stress liegt mir fern, und gegen den möglicherweise von Michael George ausgelösten bin ich weitgehend unempfänglich. Nein, was mich in der Seele schmerzt, das ist das Thema „Adventskalender“. Was, ruft ihr, das ist doch was für Kinder! Ja und, zucke ich die Achseln, dann berufe ich mich eben auf mein Inneres Kind, und das hat auch Bedürfnisse. Dann, wisst ihr bauernschlau, kauf dir doch bitte einen! Gut, der Rat ist jetzt so verkehrt nicht, schließlich besteht ja ab August die Möglichkeit. Aber selbstverständlich geht es darum nicht. Erstens ist selber kaufen doof, das ist ja, wie sich selbst ein Osternest verstecken und sich dann total übers Finden freuen. Und zweitens will ich keine Ekelschokolade in Tannenbaumform, die man 24 Tage sammelt oder vorher alle herausbricht, weil man vergessen hat, für den Kuchen Schokosplitter zu besorgen. Nein, ich möchte einen solchen, in dem Schweiß und Blut steckt. Und zwar nicht das von asiatischen Kinderhänden. 
 
Ich wende mich also mit meiner Qual an die zuständige Adventskalenderbeauftragte. „Bittebittebitte machst du mir dieses Jahr mal wieder einen?“ flehe ich. Die Antwort erfolgt so prompt wie eindeutig. „Aber sonst geht’s dir noch gut?“, nämlich. „Ja, sonst schon“, sag ich und schmeichle weiter „aber noch besser ginge es mir, wenn du diesen mirakulösen Adventskalender, den du mal genäht hast, wieder hervorstauben und liebevoll befüllen könntest. Mit Kaugummis. Oder einer Murmel. Dann wäre die Welt eine schöne.“ Hierauf folgt ein Referat, das ich zugegebenermaßen nicht zum ersten Mal höre, aber man gibt halt so leicht nicht auf. Der Vortrag handelt von Zeit im Allgemeinen und für jahrelanges Kinderglück aufgewendete im Speziellen, von Erwachsenwerden  und –sein und dementsprechendem Verhalten. Infolgedessen verweise ich empört auf die Folgen seelischer Grausamkeit und kündige an, umgehend sehr viele sehr große Stiefel zu besorgen, um sie beizeiten vor die Tür, ach was, vor gleich mehrere Türen zu stellen und eindringlich auf deren Befüllung zu hoffen. Ansonsten drohe Vergeltung, rufe ich über die Schulter und ziehe fröhlich pfeifend meiner Wege, direkt hinein ins Wochenende. Vielleicht doch gar nicht so schlecht, dieser Advent.  

Zuvor gilt’s aber, noch so einen vermale… äh … gebenedeiten Stillen Feiertag zu absolvieren. Also Freitag raus mit Euch! Menschen mit „Tics“ ab in die Mitte (Hallplatz), ein Teil davon gerne auch zu „Prinzessinnen & Superhelden“ in die Bar77 (Luitpoldstraße) oder nach nebenan, wo der Lui HipHop liebt, die Indabahn (Bahnhofsplatz) dagegen R’n’B. Das Planet (Klingenhofstraße) macht sich’s einfach und „liebt dich“, das Stereo (Klaragasse) sich, euch und „Go!Gitarre!Go!“, und das wird neun und hat zur Fete „Claire“ zu Gast.  Derweil das Jungvolk sich also kreuz und quer vergnügt, rottet sich das Altvolk wie gewohnt zu „Querbeat“ in der KK (Königstraße) und lässt sich vom House-Gewummer im Zentralcafé obendrüber ebenso wenig aus der Ruhe bringen wie vom „Crossfire“ ein paar Türen weiter im Nano – bis es vom „Gays & Friends Clubbing“ aus der Großen Liebe (Engelhardsgasse) hier herüber jodelt, muss schon viel passieren. Am Samstag haben die meisten Clubs dann zwar irgendwieeinbisschenoffen, fahren aber definitiv um zwei die Regler runter. Zeit für euch, den Pilsspelunken eures Kiezes einen Besuch abzustatten. Oder mir einen Adventskalender zu basteln. Ha!

Samstag, 16. November 2013

Augenmaß

Mein Opa hat mich einst schwer mit einem unfehlbaren Augenmaß beeindruckt, das es ihm gestattet, Abstände und Längen millimetergenau anzugeben. Ich kann das nicht. Ich weiß: Rutschst du bei Schriftgröße 11 und Zeilenabstand „Standard“ über die erste DINA4-Seite hinaus, so hast du zu viel geschrieben und es erwartet dich ein Tadel. Was ich aber kann, ist einfach so mit Augenmaß zu sagen: Das Bild / der Spiegel / die Wimpelborte hängt schief. Das kann ich auch, wenn ich mich in einem sehr seitlichen Winkel zum bemängelten Objekt befinde. Ich tät dann für gewöhnlich hingehen und mit ein, zwei beherzten Ruckern alles wieder gradebiegen. Fertig, juhu. 
Der Mann als solcher kann das nicht. Der Mann als solcher streitet erst einmal das Schiefsein per se mit Nachdruck ab, weil schließlich hat er das ja mit viel Schweiß und übermenschlichen Mühen an die Wand gearbeitet, das Bild. Dann bedarf der Mann zur Überprüfung der anrüchigen Unterstellung dringend eines Geräts. Nicht irgendeines Geräts, nein, es muss mindestens 17 Meter lang und zwölf Kilo schwer sein, denn erst dann ist ein Gerät ein ordentlich funktionierendes, den hohen Ansprüchen des Mannes entsprechendes Gerät. Ein kleines Gerät wie es eine Frau vielleicht hätte, das kann doch nicht funktionieren, am End‘ haben wir das auch noch in rosa, also, wo kommen wir denn da hin … 
Hat der Mann ein solches Gerät nicht zur Hand, so muss er sich eins basteln. Geschwind mcgyvert sich der Mann nun aus unter dem Bett hervorgekehrten Wollmäusen und abgestorbenem Blattwerk einer längst vergangenen Zimmerpflanze ein Lot. Es erfolgt nun eine gar heitere Darbietung, die mit sehr, sehr vielen Einzelschritten und sehr, sehr vielen Bleistiftstrichen an der Wand verbunden ist, derweil die Frau sich feixend zurücklehnt, von der Show bestens unterhalten fühlt und nach dem ersten vorsichtig geäußerten Halbsatz einen Teufel tun wird, noch einmal die mathematisch-physikalisch-religiös-kulinarischen Fähigkeiten des Mannes zu kommentieren. Nach geschätzten drei Arbeitsstunden der große Moment: Der Mann bringt mit dramatischer Geste das Bild an der nachjustierten Kurzware an. Kurz darauf ist die Stimmung der Frau auf dem Höhepunkt, die des Mannes eher nicht. 
Aber ich hab ja gleich gesagt: Ein bisschen Augenmaß kann ich. Und mit dem schick ich euch jetzt in die Nacht. Wer am Freitag nach „Bock im Park“ im Schnepperschütz (Hallerwiese) noch über Muttersprache und Motorik verfügt, der tanze doch direkt hinaus zum Anwesen Vogelweiherstraße und „Abrakadabra“ in allen Flügeln. Auch an den Stadtrand gedrängt sieht sich alles „Ü30“, nämlich ins Terminal (Flughafenstraße), wohingegen U30 in der Stadt bleiben und sich mit schweren Entscheidungen beschäftigen darf: King „Lui We Tone“ (Luitpoldstraße), Mathespaß mit „Pi“ im 360° (Adlerstraße), Rosatrallala in der Großen Liebe (Engelhardsgasse), eine laute „Desirene“ in der Brückenstraße, „Just Jack“ in der Indabahn (Bahnhofsplatz) oder Hawaiihemden-Party im Stereo (Klaragasse), beim sechsten und letzten Mal „Down with it!“. Am Samstag dürft ihr eure Wunden lecken – oder müsst, denn um 2 Uhr gehen die Lichter an und die Anlagen aus, damit ihr den sonntäglichen Stillen Feiertag … Ja, womit eigentlich verbringen könnt? Hm. Mit nageln, meinetwegen.

Samstag, 9. November 2013

Grüßaugust

Grüßaugust. Schönes Wort. Und schöne Sache. Grüßauguste, das sind entweder die Menschen, die vor Hotels oder Restaurants stehen und freundlich lächelnd Gäste willkommen heißen. Etwas weniger salopp nennt man diese Menschen auch Empfangschef. Ein Grüßaugust kann außerdem jemand sein, der qua Position ein bestimmtes Amt repräsentiert, das jedoch mit keinerlei Machtbefugnissen verbunden ist. Also beispielsweise auf Balkonen stehen oder in Glaskästen umherfahren und milde lächelnd zum Volke winken. 
Ein Grüßhorst zu sein ist dahingegen eine weitaus weniger edle Eigenschaft. Der Grüßhorst nämlich grüßt – eben nicht. Anstatt eines beispielsweise im Büro einmal am Tag geäußerten, halbwegs empathisch gerufenen „Guten Morgen!“ oder „Grüß Gott!“ oder wenigstens eines lapidaren „Mahlzeit!“ (morgens, mittags, abends – geht bekanntlich immer!) schlägt der Grüßhorst geschwind die Augen nieder, sobald er eines menschlichen Lebewesens ersichtig wird. Das mag eine Art spätinfantiler Reflex sein, nach dem Motto „Ich seh dich nicht, dann siehst du mich auch nicht!“, klappt aber, soweit mir bekannt ist, in den seltensten Fälle, es sei denn, man heißt Copperfield. Zusätzlich dazu versucht der Grüßhorst, indem er den Körper eng an die Wand drückt, mit dieser zu verschmelzen, um unbemerkt erst hinter dem potentiellen Grüßer wieder daraus hervorzutauchen. Funktioniert: bei Randall, dem Bösen von der Monster AG. Funktioniert nicht: beim Homo Sapiens. 
Doch wenn der Homo wirklich sapiens wär, dann wüsste er, dass bei so einem kleinen Gruß noch kein Zacken aus der griesgrämigen Krone gebrochen ist, dafür aber ein gewisser Anstand sowie ein Pluspunkt auf dem Karma-Konto gewährleistet. Mal ehrlich – ich galoppiere jetzt auch nicht direkt jedesmal quer über den Plärrer, um dem auf der anderen Seite erspähten Bekannten einen freudigen Gruß ins Gesicht zu schallmeien. Man muss sich auch nicht beim fünfzehnten Aufeinandertreffen am selben Abend herzlich und mit tränenverhangenem Blick in die Arme fallen. Aber wenn man sich kennt oder eine Ahnung des Kennens hat, weil man vielleicht bemerkt, dass der Mensch im selben Wohnhaus lebt wie man selbst, oder weil der andere Mensch einen anlächelt, dann ist es doch nun wirklich nicht mit einem unüberwindbaren Energieberg verbunden, einen Gruß zu initiieren oder zu erwidern. 
Man nehme sich ein Bespiel an Naturgängern und Waldschraten: Da wird einfach gegrüßt, sobald der Weg sich kreuzt. Aus, Ende, Äpfel. Um zu signalisieren: Hey, keine Sorge, ich mach hier das gleiche wie du, ich tu dir nichts! Und was auf dem Land recht ist, das wird doch im Großstadtdschungel grad noch billig sein. So gehet hin und grüßet euch! Fangt an mit den Türstehern, meinetwegen. Gelegenheit hierzu bietet sich wie folgt: beim „Straßenkreuzer Release“ in der MUZ (Fürther Straße), bei der (wie passend) „Smooth Society“ in der Rakete (Vogelweiherstraße) und „Pull the Trigger“ beim hirschigen Nachbarn. Im Mach (Kaiserstraße) herrscht derweil „Claustrophobie“, im Stereo (Klaragasse ) „Circus Beretton“ und im Terminal (Flughafenstraße) hebt der „Soul Flight“ ab. Und schon ist Samstag und „10 Jahre Bucovina“ mit Stefan Hantel im K4 (Königstraße), „1 Jahr Swing Ding Masters“ im Nano (ebd.), „80er Park“ im Parks (Berliner Platz), „Le Cabaret“ in der Indabahn (Bahnhofsplatz) und „Don’t rock that Boat, Baby“ auf der Mississippi Queen (Donaustraße). Richtet schöne Grüße von mir aus! 

Samstag, 2. November 2013

Siezen

Es gibt eine Phase im Leben, da weiß man urplötzlich nicht mehr genau, ob man lieber geduzt oder gesiezt werden möchte und umgekehrt. Freilich ist das kontextabhängig. Aber die Kontexte sind halt sehr verschieden und so die eigene Verwirrung groß. Wenn mich ein Punker um ‚ne Kippe und ‚nen Euro anhaut, erwarte ich, weil ich halt auch nur ein Mensch voller Vorurteil bin, dass der das duzend tut. Erfolgt die Ansprache jedoch wider Erwarten in der Höflichkeitsform, bin ich eher perplex als beleidigt. Das wiederum ist tendenziell der Fall, wenn ich mich unter vermeintlich Gleichaltrigen auf, sagen wir, einem Festival befinde, und so ein junges Rehkitz auf mich zutänzelt und „Entschuldigung, wissen Sie vielleicht, wo hier die Toilette ist?“ flötet. Da verkrampft sich mir das spätadoleszente Antlitz zu einem steifen Lächeln und ich bin geneigt, die Antwort zu verweigern oder eine solche nur zu geben, wenn das unverschämte Gör sich vor mir auf den Boden wirft und, mir jugendliches Aussehen beteuernd, um Verzeihung bittet. Dann kommt es vor, dass man in ein lockeres Gespräch gerät in einem lockeren Umfeld mit einem so pimaldaumen Gleichaltrigen, nach fünf Minuten sich dabei ertappt, wie man ständig abwechselnd „Du“ und „Sie“ sagt und selber dabei blöd findet.

Schweigen wollen wir lieber von den Momenten, in denen man sich Aug in Aug mit einer Autorität wiederfindet, deren Uniform jedoch in so eklatantem Widerspruch zum zart sprießenden Kinnflaum steht, dass man an sich halten und selbst gut zureden muss, der Autorität siezend Folge zu leisten und nicht, wie der erste Impuls befiehlt, dem Welpen über die Wange zu streichen und ihm einen heißen Kakao anzubieten. Es ist und bleibt vertrackt, jedoch nicht unlösbar. Eine Möglichkeit aus dem Dilemma zeigt uns das Gesundheitswesen. Zur Gänze wird hier einzig in der ersten Person Plural gesprochen: „Was fehlt uns denn?“ fragt der Herr Doktor, und „Haben wir vielleicht gestern was falsches gegessen?“, und da weiß man zwar noch lang nicht, was der Herr Doktor gestern gespeist hat, kann dafür aber weitgehend unbeleidigt für sich selbst antworten. Eine andere Hilfestellung bietet, wie kann es anders sein, die wunderschöne fränkische Sprache. Die löst das Problem nonchalant, indem in Situationen undefinierter Nähe schlichtweg die dritte Person Singular für die persönliche Ansprache bemüht wird. Das klingt dann so: „Hat er schon was gefunden, was ihm schmecken tät?“ oder „Darf man ihr vielleicht noch was bringen?“ oder „Hat sie denn schon eine Idee, was sie der Mama gern kaufert?“  

Mit der Lösung kann ich gut leben und geh alsgleich mal schauen, wie sich das im Nachtleben anwenden lässt, in dem wir im feiertagsaffinen November an diesem Wochenende von Tanzverboten verschont bleiben. So wird es feucht und fröhlich im Nano (Königstraße) bei der „Drunken Table Soccer Championship“, endorphinschwanger nebenan bei der „Klassiklounge“ in der KK, ekstatisch oben drüber bei der „Sonic Space Disco“, schnulzig im Marquee (Klingenhofstraße) bei der „Schlagernacht“ und auf eigenen Wunsch skurril bei der Eröffnung der „Großen Liebe“ (Engelhardsgasse). Der Samstag feiert auch nicht still, dafür „Apnea“ auf der Mississippi Queen (Donaustraße), „Take off 90s & More“ im Terminal (Flughafenstraße), „Maximum Rock Night“ im Hirsch (Vogelweiherstraße) und nebenan „Rigorös“ in der Rakete“ sowie „The Electric Dog & Urban Echoes“ in der Desi (Brückenstraße). Nebst der üblichen Verdächtigen, versteht sich. Haben wir das verstanden? 

Samstag, 26. Oktober 2013

Perspektivprobleme

Es gibt ein T-Shirt, auf dem steht „Ich bin voller Gedanken und äußere daher nicht immer den richten“. Ich muss jetzt aber ganz dringend was äußern. Nämlich: Mich treibt seit Tagen eine Fragestellung um, die zu beantworten ich bislang noch keine Möglichkeit gefunden habe – dahingegen aber sehr viele Gelegenheiten, Gesprächsrunden behutsam in eine diesbezüglich lösungsorientierte Debatte zu führen. Also. Man kennt das: Es richtet sich eine Kamera auf einen Menschen, und der Mensch, zumal weiblicher Natur, kreischt sofort laut „NICHT VON UNTEN!“ Ungefragt folgt die Erläuterung, die vermaledeite Perspektive verzerre die Leibesfülle des Abzulichtenden in unakzeptabler Weise, ließe Doppelkinne sprießen und Körbchengrößen explodieren. Man möge doch, bitteschön, das Gerät anheben und, so die Argumentation, den Menschen solcherart optisch strecken. Dieser Gedankengang ist durchaus nachvollziehbar und das Internet voller anschaulicher Beispiele.  

Und jetzt kommt mein Problem, das mir schlaflose Nächte bereitet und einen argen Denkschmerz. Gilt das mit der Leibesfülle und der Perspektive nur für Fotos? Oder ist es vielmehr so, dass auch ein Auge dieser arglistigen Täuschung anheimfällt? Hieße das dann folgerichtig, dass alle Menschen, die sich um eine sehr großgewachsene Person tummeln, entsprechend anders erscheinen als die, von denen ein eher klein geratener umgeben ist? Lebt der Große in einer Welt der Schlanken, der Kleine in einer der Pummligen? Kann ich meine eigene Wahrnehmung manipulieren, indem ich mich nur noch auf Stelzen fortbewege oder einer Liegekonstruktion? Um das herauszufinden, hilft vermutlich nur eines: Mich an frequentierter Stelle platzieren. Hochstuhl vom Waidmann meines Vertrauens leihen, Liegestuhl von irgendwem. Versuchsteilnehmer in großer Anzahl finden, die mehrfach an mir vorbeiflanieren. Ergebnisse gewissenhaft notieren. Möglicherweise vorher lieber doch noch Rücksprache mit Lehrstuhl für Soziologie über Validität des Versuchsaufbaus halten. Daraufhin von Feldforschung vielleicht besser doch Abstand nehmen. Enttäuscht Kopf zermartern, wie jetzt zum Wochenende überzuleiten sei. Wieder scheitern. Naja. Dann halt ohne.  

Wobei, vielleicht gibt’s noch eine Chance im 360° (Adlerstraße), da sind nämlich die „Girls on Top“ und im Mach (Kaiserstraße) immerhin die „Hands up for Arty“ (gute Foto-Perspektive!). In der Rakete (Vogelweiherstraße) wird – „Abrakadabra“ – gezaubert, das Parks (Berliner Platz) ist „Prüfungsgeil“, das Stereo (Klaragasse) im „Plattenrausch“ und der „Lui loves Hip Hop“ (Luitpoldgasse), derweil nebenan die Bar77 Jungvolk zu „Prinzessinnen & Superhelden“ lockt und die KK (Königstraße) Altvolk zu „Querbeat“. Am Samstag gibt’s zwei Möglichkeiten: Zu „Nürnberg.Pop“ (südl. Altstadt) zu gehen. Oder nicht. Dann aber am besten gleich weit weg. „80er/90er Party“ im Terminal (Flughafenstraße), „Hafenschänke“ in der MUZ (Fürther Straße), verschiedenste Kombinationen von „Club/Klub/Nacht/Night“ in Marquee (Klingenhofstraße), Mach und 360° oder „Tune in“ in der Desi (Brückenstraße) bieten Asyl. Oder ganz raus zu Charivaris „Discomania“ in die Westvorstadt (Fürther Stadthalle). Aber man muss es vielleicht auch nicht übertreiben. Egal aus welcher Perspektive. 

Samstag, 19. Oktober 2013

Freisprechanlagen

Man hat sich an so vieles gewöhnt. An Menschen, die in ihrem Auto brüllen, ohne dass darin sich ein Kollege, Nachwuchs oder Eheweib befände. An Menschen, die in der Gegend umherspazieren und mit starrem Blick ins Nichts hineinsprechen. Auch an Menschen, die die feierabendliche Leibesertüchtigung damit zubringen, rotschwitzig Sozialpflege zu betreiben und in ihren Walkman hineinzuschnaufen. Alles wichtig, gewiss. Immerhin: Sie kommunizieren. Denn so weit ist’s noch nicht, dass ich an dieser Stelle Simulantentum unterstellen möchte. Hierfür gibt’s nämlich eine ganz andere Spezies, der man das nicht nur unterstellen, sondern dringend urkundlich bestätigen möchte. 

Früher, als Handys noch so groß waren wie Autobatterien (gut, das sind sie jetzt wieder, aber das ist ein anderes Thema), da gab’s so eine Sorte Mensch, die sehr dringend diese Last am Gürtel befestigt mit sich führen musste. Vermutlich aufgrund eines Haltungsschadens, der ihnen irgendwie verbot, das Gerät in einer Tasche zu verstauen, war’s wichtig, es gut sichtbar mit sich zu führen. Als gänzlich unbeabsichtigter Nebeneffekt erzeugte der Mensch einen Eindruck der Wichtigkeit mindestens im Range eines Feuerwehrhauptmanns, der stets einsatzbereit und für jedermann erreichbar durch die Welt patrouillierte. Der Mensch trug’s mit Fassung und einem Hauch von Stolz ob der Bewunderung, die ihm (vermeintlich) entgegenschlug. 

Diese Zeiten sind beinahe vorbei, und wie sich die Technik fortentwickelt, so senken sich die dafür zu berappenden Preise, und das ist gut, denn nun können sich die Haltungsgeschädigten einer Neuerung bemächtigen, die ihnen die Last des Geräts und der Verantwortung vom Gürtel weg direkt ans Ohr pappt: die Bluetooth-Freisprechanlage. Einem Virus gleich scheint sie mit dem Träger Tag und Nacht verwachsen. Ob morgens beim Bäcker, nachmittags beim Tanken, abends beim TK-Pizza-und-Sixpack-Kauf, immer klebt die kleine schwarze Krake am Ohrwaschel, und dabei wird der arme Mensch nie, niemals angerufen außer Sonntagmittag von der Mama, die fragt, wie’s dem Haltungsschaden geht, aber der Wirt weiß sich seines Virus‘ nicht zu erwehren, und so trägt er mit einer von Außenstehenden nur zu leicht mit unverhohlenem Stolz zu verwechselnden Tapferkeit den Draht zu Außenwelt mit sich herum, weil es könnt ja immer sein, dass seine Superheldenkräfte benötigt werden, um Kinder aus lodernden Flammen zu retten oder Burgfräulein vor dem Drachen. 

Man hat’s nicht leicht als vielgefragte Person, und weil ich das freilich nicht verstehen kann, muss ich mir die Häme auch verkneifen. Im Diskothekenbetrieb ist die Spezies gottseidank noch eher kaum verbreitet, und deswegen flücht‘ ich mich geschwind dorthin.  Zum Semesterstart steigt „Prüfungsgeil“ in der Indabahn (Bahnhofsplatz), zum Geburtstag „5 Jahre Tonkonzum“ in der KK (Königstraße). Der Lui (Luitpoldstraße) ruft „We tone“, das Terminal (Flughafenstraße) „Get on board“, die Muz (Fürther Straße) in die „Muckibude“ und das Stereo (Klaragasse) hebt die Hände zum „Clap!“. Am Samstag ist lange Nacht der Wissenschaften, aber Studienobjekte hat’s ja auch im Ausgang mehr als genug, deswegen ab zur Feldforschung: „W.H.M.C.“ im Zwinger Keller (Lorenzer Straße), „Jockey Club Ibiza“ in der Mitte (Hallplatz), „Jazzboutique“ im Opera (Ostermayerpassage) und „Bassbot“ im Nano (Königstraße). Wenn irgendwo ein Burgfräulein in Flammen stehen sollte – sagt Bescheid! 

Samstag, 12. Oktober 2013

Anflutungsphase

Salvete, discipuli! Wir sind ja hier nicht zum Spaß, sondern um was zu lernen. Deswegen nehmen wir heute das Wort „Anflutungsphase“ durch. Das habt ihr jetzt bestenfalls noch nie gehört. Und damit das noch besterenfalls auch so bleibt, erklär ich euch, was es damit auf sich hat. Eine kurze Sprechstunde bei Dr. Google ergibt, dass sich dieses Wort ausschließlich in Verbindung mit juristischen Nachschlagewerken im Allgemeinen und den möglichen Folgen unsachgemäßen Alkoholkonsums und damit einhergehenden noch viel unsachgemäßeren Verhaltensweisen im Speziellen findet. Die Anflutungsphase bezeichnet die Zeit, die der Körper braucht, um vom Magen ins Blut und damit ins Gehirn zu kommen. Das dauert ein bisschen. Und darin liegt die Tücke, der, wie aufwww.muenchenkotzt.de eindrücklich dargestellt ist, beispielsweise Wiesn-Besucher gern zum Opfer fallen. 
Man muss ja morgens um neun in so ein Zelt hinein gehen und dann alsgleich die erste Maß frühstücken, um den Geruch zu ertragen. Und dann muss gleich die zweite hinterher und am besten auch die dritte, weil der Herr Ober grad am Tisch steht. Zwischendurch ein Schnapserl, links, rechts, vor, zurück, alles prima, ich bin der König der Welt, und von einer Minute auf die andere gehen die Lichter aus. Weil: In dem Moment, in dem das Teufelszeug im Blut angelangt ist, leitet der Körper die Resporptionsphase ein und beginnt mit dem Abbau. Wer langsam und gemütlich vor sich hin trinkt, bei dem halten sich die beiden Phasen halbwegs die Waage. Wer aber mit einem großen Durst die Literflasche Berentzen Apfeltraum in die ewigen Jagdgründe überführt, der sollte auch sich selbst eine Münze für den Fährmann in den Nike Air zur Verwahrung stecken. Die wird er spätestens dann brauchen, wenn am tags darauf der Herr Papa aufs Revier gefahren kommt, um den Nachwuchs aus der Zelle auszulösen. 
Wer sich nämlich sturzbetrinkt und dann ans Steuer setzt, der ist zwar während der Fahrt noch völlig nüchtern, könnte aber unter Umständen je nach Dauer der Reise gegen deren Ende von einem überraschend einsetzenden Suff eingeholt werden, der ihn in weniger eleganter Manier einparken und in noch weniger eleganter in die Arme des nächsten Polizeibeamten tänzeln lässt. Und das BVG vertritt hierzu eine dezidierte Meinung. Ich auch. So. Was ihr mit diesem Wahnsinnswissen anfangt, sei euch selbst überlassen. Aber denkt dran, wenn ihr beim dritten Gin Tonic aller Welt verkündet, es liefe heute ganz besonders gut. Anflutungsphase! Wenn ihr die wohlbehalten übersteht, kann’s ja losgehen. 
In der Rakete (Vogelweiherstraße) die Veranstaltung mit dem unaussprechlichsten Namen des Wochenendes (kurz: „Take Over“). Im Marquee (Klingenhofstraße) die mit dem meistmissverstandenen („Get Lucky“), im Zentralcafé (Königstraße) die mit dem nervigsten („Carpe Yolo!“), in der Bar77 (Luitpoldstraße) die mit dem femininsten („Mädelsabend“) und im Terminal (Flughafenstraße) die mit dem unaufgeregtesten („Soul Flight“). Am Samstag gehen wir schon nachmittags zum „1. St. Leonharder Kneipenfestival“ und tauschen das hierfür eingesteckte Pfefferspray später gegen die Glitterkanone, um zum „Loving Heads Festival“ in die MUZ (Fürther Straße) zu fahren. Wer sich nicht sicher über den aktuellen Wochentag ist, der schaue bitte zu Indabahn (Bahnhofsplatz) und 360° (Adlerstraße), und wer eine „Bassdusche“ benötigt, in die KK (Königsstraße). Und jetzt, liebe Kinder, einfach mal: abschalten. 

Samstag, 5. Oktober 2013

Pflasterversuche

Liebe Kinder, ihr müsst jetzt ganz stark sein. Ich habe in den vergangenen Monaten in selbstloser Aufopferungsbereitschaft eine großangelegte Feldstudie zum Thema „Pflaster“ durchgeführt. Im Zuge dessen gelang es mir, zweifelsfrei zu belegen, dass Pflaster die schlechtestentwickelte Erfindung seit Menschengedenken sind. Ich habe z.B. quer durch Europa Blasenpflaster getestet. Das sind die, die man behutsam auf die leidende Stelle klebt, dann in einen Schuh schlüpft und das Haus verlässt, nur um die Plastikschicht drei Minuten später sonstwo wieder zu finden. Wasserfeste Wundpflaster sind die, die sich bereits beim bloßen Aufdrehen des Duschhahns vom Acker machen oder nach einer Minute Abspülen an der Untertasse kleben – dort jedoch ganz ausgezeichnet, was auch für großflächige, extra stark haftende Schutzpflaster gilt, die man übers Knie legt und über kurz oder lang aus irgendwo in der Hose herauszureißen versucht, wo sie fälschlicherweise, dafür sehr hartnäckig verbleiben.

Über „absolut unsichtbare Herpes-Pads“ und den damit erlangten Anschein einer Lepra-Erkrankung wollen wir gar nicht erst sprechen. Gesprochen werden muss aber dringend über Fingerpflaster. Hierfür habe ich mir extra die Kuppe des linken Daumens entfernt. Das ging ganz schnell, und nebenbei war auch noch der erste Kürbis der Saison gescheibelt. Während der vor sich hin köchelte, begann die letzte Etappe meiner Studien, nach deren Abschluss eindeutig bewiesen war, dass egal welche Art Pflaster in egal welcher Konstruktion angebracht für Daumen nicht geeignet und einzig ein mordsmäßig eindrucksvoller Verband halbwegs akzeptabel ist. Da hab ich ganz zufällig, und jetzt kommt eingangs erwähnte Jugend ins Spiel, noch einen Beweis erbracht. 

Nämlich: So ein Daumen IST gar nicht nur zum SMS-Schreiben und PS3-Zocken da! Das muss man sich mal vorstellen! Mit so einem Daumen macht der Mensch permanent irgendwas, dessen er sich rein gar nicht bewusst ist; nachgerade ignoriert wird dieser Finger, der treu ergeben seine Aufgaben verrichtet, einem kleinen Dackel gleich, der nur das Herrchen froh machen will und sich über unter den Tisch fallende Essensreste als größte Liebesbekundung schier kringeln könnte vor Glück. Das nimmt mich aber nicht weiter Wunder, wird doch dem Daumen schon im Kinderreim mit den Pflaumen als einzigem keine Aufgabe zuteil. Das müssen wir ändern! Wir läuten das Daumen-Wochenende ein, und wer mir jetzt nicht glauben mag, der geht direkt auf die Fürther Kärwa und versucht, ohne Daumen einen Maßkrug zu heben. Jawoll! 

Oder im 360° (Adlerstraße) das „Studentenfutter“ zu greifen. Oder im King Lui (Luitpoldstraße) den „Lipstick“ nachzuziehen, das Alter von „Einfach einfach“ im Nano (Königstraße) zu zeigen, die Ausgabe vom „Dubtings Special“ im K4 (edb.) oder den Raketen-Gast (Vogelweiherstraße) bei „Kabbala ft. A.N.A.L.“. Am Samstag dürfen wieder alle Finger ran. Bei der „Maximum Rock Night“ im Hirsch (Vogelweiherstraße) zum Metal-Gruß, bei der „Disko2000“ im Stereo (Klaragasse) zum Musik-Wunsch-Betteln, bei „Beats & Style“ im Marquee (Klingenhofstraße) zum gucken, ob Föhnwelle und Push-Up noch sitzen, in der Mitte (Hallplatz), um bei „You & Me“ beständig auf Menschen und sich selbst zu zeigen und in der Indabahn (Bahnhofplatz) bei der „Lovenight“ … Ach, das will ich gar nicht wissen. Studien sind eh beendet.

Samstag, 28. September 2013

Ikeakatastrophen

Es gibt da ein Phänomen, das mich zuverlässig dazu bringt, mich auf den Boden zu werfen und in die Auslegeware zu beißen. Diese Auslegeware befindet nur leider zu dem Zeitpunkt bereits in meinem Besitz. Und dann ist es zu spät. Zweimal im Jahr ziehe ich Lockruf des Möbelhauses mit den vier gelben Buchstaben aus dem Briefkasten, denke mir: Return of the Evil! und verstaue die Ausgeburt des Bösen direkt ganz unten im Papiermüll. Weil ich keinen Kamin habe, um’s zu verbrennen. Doch alle Jubeljahre packt es mich. Ich wache auf und weiß: Neues Geschirr. Jetzt! Dann ziehe ich los, voller Tatendrang und festem Vorsatz: Reingehen, holen, rausgehen. Aus dem Traumszenario wird ein Alptraum, wenn ich vor den Regalen stehe und überrascht feststelle, dass selbst im Einrichtungsschlaraffenland die günstigen Dinge hässlich und die schönen teuer sind. 

Ich rechne und gucke und erkenne, dass es vielleicht doch nicht sein muss, einen Monatslohn aufzuwenden, nur weil ich geträumt habe, dass mein Geschirr zerbricht. Und dann setzt es ein, das Böse, der Diabolus, dieses serviettengewordenen Gezücht der Hölle. Fehler Nummer 1: Zu Beginn direkt einen Einkaufswagen geholt. Wegen Geschirr. Den dann nicht umgehend zurückgeschoben. Weil in diesem Geschäft irgendein Hormon verströmt wird, das Menschen zu Zombies werden lässt, die nicht anders können als: Ach ja, du wolltest doch schon dauernd für da und da einen neuen Teppich! Ui guck, das Kissen, das du schon ewig anschaust, ist endlich reduziert, da nimmst du doch gleich zwei! Und ey super, eine Reibe mit Auffangschale, und die ist auch noch verschließbar! Ich finde kein Ordnungsfach für den Schreibtisch, dafür aber einen neuen Mülleimer für die Küche, weil der alte, also nein wirklich!, schelte mich durch die Lampen, rette mich mit Ach und Weh vor der Bettwäsche und den Pflanzen, kämpfe mich unter Selbstgesprächen durch die Kerzen, weil es wird ja Herbst und Winter und da gibt’s doch nichts schöneres, und dann kauf ich Duftkerzen, dabei hasse ich Duftkerzen, aber das Kauf-Hormon legt neben Willen auch die Riechorgane lahm, und dann … sagt die nette Frau an der Kasse einen Preis, zu dem ich auch die dreifache Menge an Geschirr hätte erwerben können. 

Oder zumindest einen Vorhang, den man sich sinnvoll zur Abendgarderobe umnähen kann. Kommt spätestens am Freitag als Cape bei „Prinzessinnen & Superhelden“ in der Bar77 (Luitpoldstraße) gut. Nicht so gut vielleicht nebenan bei „Lui loves Hip Hop“. Mehr um Musik als um Garderobe geht’s bei den „Unknown Pleasures“ im Stereo (Klaragasse), was man mit Fug und Recht auch von „Querbeat“ in der KK (Königstraße) behaupten kann, nicht jedoch von der Indabahn (Bahnhofsplatz), die „1 Jahr Just Jack“ feiert, oder den „Girls on Top“ im 360° (Adlerstraße). Explizit um (Vintage-)Verkleidung wird tags darauf bei „Chili’s Swinging Beats & Sweets“ im Opera (Ostermayerpassage) gebeten, was genau der Dresscode „Kir Royale“ bedeutet, könnt ihr euch im Terminal (Flughafenstraße) anschauen oder lasst das einfach ganz und geht zu „Tune In“ in die Desi (Brückenstraße) oder in die MUZ (Fürtherstraße): Da steht die „Muckibude“ an und ihr bei zu spätem Erscheinen lange vor der Tür. Dabei könnte man sich allerdings auch in den neuen Teppich wickeln. Zum wärmen.

Samstag, 21. September 2013

Übergangsjacken

„Es war eine Mutter, die hatte vier Kinder: den Frühling, den Sommer, den Herbst und den Winter. Der Frühling bringt Blumen, der Sommer den Klee, der Herbst, der bringt Trauben, der Winter den Schnee.“ So lernte ich seinerzeit die Jahreszeiten, und es stand außer Diskussion, was klimatisch in den jeweiligen Monaten bevorstand. Passend hierzu verfügte der Mensch über drei Sorten Jacken: die unförmige, doch wärmebringende Winterjacke, die überflüssige und deswegen Nicht-Jacke für den Sommer sowie für die Zeit dazwischen die sogenannte Übergangsjacke. Nicht zu dick, bestenfalls wind- und wasserabweisend und mit einer frisurunfreundlichen Kapuze versehen. In drei- bis sechsmonatigem Turnus räumte man Jacken von der Garderobe in den Keller, um sie dann leicht modrig später wieder hervorzustauben. 
So. Schnitt. 
Das Jahr heute gestaltet sich mehr oder weniger wie folgt: Man wacht mitten im Winter auf und sieht sich überraschend mit einer Gluthitze von 20 Grad plus konfrontiert. Durch die schwitzt man sich einige Tage, bis man sich daran gewöhnt hat und dazu übergeht, die folgenden sechs Monate über verregnete Sommer und tropische Temperaturen zu klagen. Dann sagt der Kalender, es würde langsam mal vorbeisein mit diesem Sommer, man fürchtet sich vor Erkältung und Erfrierung, packt sich brav dick ein, um einige Wochen stets schwitzend mit sehr viel zu viel am Leib oder der Wolfgang Petry-Gedächtnistasche (Jacken, Pullis und Schals an den Henkel geknotet) durchs Leben zu wandeln. Wenn man das dann grade schön zu finden begonnen hat, wacht man morgens auf und die Welt ist ein grauer, unwirtlicher Frostklumpen. Ab jetzt hüllt man sich in Wolle und Funktionswäsche, versucht, so lang wie möglich die Inbetriebnahme der Heizung hinauszuzögern, um spätestens ab Tag zwei einzuknicken, und verflucht sich insgeheim für den festen Vorsatz, vor November keinen Glühwein anzufassen. Nun erkläre man mir bitte: Wofür, gleich wieder, braucht der mitteleuropäische, insbesondere der deutsche Mensch diese sogenannte Übergangsjacke? Die Modeindustrie möge sich doch bitte untertänigst darum ersucht fühlen, mehr Jacken des Modells „winterwarm und dennoch modisch tragbar“ zu erfinden. 
Bis es soweit ist, können wir also leider gar nicht anders, als uns selbst zu helfen, indem wir uns vornehmlich drinnen aufhalten. „Drin“ geht übrigens auch auf dem Altstadtfest, das ist nämlich mittlerweile flächendeckend in Plastikplane gehüllt. Der Rest macht Aprés-Ski im Hütterl, und wenn er das genug getan hat, geht’s los. Mit Geburtstag, schon wieder und immer noch, in der Rakete (Vogelweiherstraße). Die zählt stolze zehn Lenze, und da kann man schonmal zwei Tage durchfeiern. Oder eher vier, wegen After Hour. Und auch das Stereo (Klaragasse) hat immer noch Achtjähriges, zu dessen Ehre das „Blur DJ Set“ zu Besuch ist. Ebenfalls Geburtstag haben die „Mehrblick“-Raver und feiern das im B² (Bartholomäusstraße). Ohne Meer-, dafür mit Seeblick. Fürderhin wären da am Samstag die „ego FM-Party“ im 360° (Adlerstraße), der Herr Hantel mit „Bucovina“ im K4 (Königstraße), „80er Park“ (Berliner Platz), „Not An Alternative“ in der MUZ (Fürther Straße) und … öhm … ganz viele andere Sachen. Muss weg. Postmann hat grad geklingelt. Bringt neue Herbstjacke. 

Samstag, 14. September 2013

Spielzeugzigarette

Raucher sind der Wurmfortsatz der Menschheit. Darüber ist in jüngerer bis jüngster Vergangenheit ausreichend referiert worden. Rauchen schadet meiner Gesundheit und der meiner Mitmenschen, Rauchen lässt meine Haut altern und ist dem Spermatozoid ein Spermazid. Rauchen ist teuer und Raucher auch, Rauchen stinkt, Rauchen macht blind und tötet die Bienen. Raucher müssen leider draußen bleiben. Geraucht wird nur noch vor der Tür, vermutlich auch bald dort nicht mehr, auch nicht vor der eigenen, und geraucht wird hier und dort längst in gelbgekastelten Pranger-Planquadraten oder hinter Glas. Da kann man sich dann hinstellen mit dem Nachwuchs und auf den mitleiderregenden Süchtling im Nebel zeigen und sagen „Schau, mein Kind, der da, der ist so gut wie tot, und recht geschieht’s ihm!“ Dann steckt man dem so Belehrten eine vegane Süßigkeit ins Gesicht und zuppelt seiner Wege. 

Nun striff ich unlängst im hiesigen Tiergarten umher, um Gefangene beim Faulenzen und Eltern beim gestresst sein zu betrachten. Im und Streichelzoo war’s, als John Wayne meinen Weg kreuzte. Lässig o-beinte er ein bisschen vor mir her, an der aus dem Mundwinkel hängenden Kippe zog er mit geschlossenen Augen tief und genussvoll, in regelmäßigen Abständen wurde sorgfältig abgeascht. Der Cowboy reichte mir circa bis zum Knie. Die Rauchware war ein Kaugummi. In Zigaretten-Optik. Da frag ich mir: Was ist jetzt da los? Ich rauche stundenlang nicht, wegen Vorbild und Müll, derweil der Kunden-Nachwuchs auf korrekte nikotinaffine Körperhaltung getrimmt wird? 

Hat die Mama da ihre Brille verlegt und statt der Dinkel-Salzletten die Spielglimmstengel in die umweltbewusste Tupperware gepackt? Hat am End der Kiosk-Betreiber über die letzten 25 Jahre nicht nur Leckmuscheln, Tubengummi und grüne Alien-Knalldinger im Sortiment sorglos weiterbestellt, sondern auch die guten DOK? Da möchte ich aber kurz den Hinweis geben, dass der Fortschritt auch hier nicht Halt gemacht hat: Im diesem wunderbaren Internet gibt’s auch Kaukippen, die Rauch simulieren können. Das wär doch was. Ein großer Rauchnebel überm Kletterpark. Sieht dann fast so aus wie vor den Clubs der Stadt. 

Aber wir wollen ja lieber wissen, was sich innen abspielt. Der Raketen-„Kiss Klub“ (Vogelweiherstraße) wird zehn Jahre alt, das Stereo (Klaragasse) acht. Rauchen dürfen beide längst nicht mehr, aber dafür feiern. Im 360° (Adlerstraße) gibt’s keine Kaugummis, stattdessen „Zucker“, beim „Mädelsabend“ in der Bar77 (Luitpoldstraße) Prosecco und nebenan im King Lui beim „Latino“ kreisende Hüften. Damit tun sich die Ersatzgelenke in der Kulturkellerei (Königstraße) schwer, machen aber trotzdem „Querbeat“. Am Samstag wird ab 21 Uhr aus „Offen auf AEG“ ein „Dicht auf AEG“ in Halle 18 (Muggenhofer Straße), in der Indabahn (Bahnhofsplatz) ist überraschenderweise „Dein Samstag“, in der Mitte (Hallplatz) „Eine Nacht“, und wie sich „Klubnacht“ und „Clubnacht“ auf Mach1 (Kaiserstraße) und Bar77 verteilen, findet ihr am besten selbst heraus. Vielleicht mit Hilfe eines FCN-Schals. Das Ergebnis könnt ihr dann ja mit Rauchzeichen verkünden. 

Samstag, 7. September 2013

Urlaub

Das Kolumnistenleben ist hart und entbehrungsreich. Stets wabert das Schwert des Damokles zitternd über dem rauchenden Schädel: Was sollen die Menschen nur tun, wenn ich einmal nicht (mehr) bin, um sie anzuleiten für eine ersprießliche Freizeitgestaltung? So sitzt man also, den missmutigen Blick übers wogende Meer schweifend, an einem Strand, außenrum das Hosianna der Glückseligkeit, und hat einzig Sorgen um das Wohlergehen der Daheimgebliebenen. Der strahlende Himmel verschleiert sich, das kühle Nass wird zur Untiefe voller garstiger Ungeheuer, die mir nach dem Leben trachten. Darf. Mich. Keiner. Gefahr. Aussetzen. Muss. Arbeiten. Dem Heiligen Georg gleich stelle ich mich tapfer dem Kampf mit der giftigen Schlange, durchschneide die meteorologische Apokalypse stehenden Hauptes, behaupte mich listig gegen den drohenden Stachel des Skorpions und rette nebenbei noch das ein oder andere Leben in dem Ansinnen, das Karma-Konto ins Plus und meine körperliche Unversehrtheit auf die sichere Seite zu bringen. Nichts vermag mich von meiner Mission abzuhalten, den armen, sich vor Gram windenden Menschlein im fernen Städtchen einen Funken Freude ins zarte Antlitz zu schreiben. 
Finstere Täler durchschreite ich ebenso wacker wie ich den Gipfel erklimme, dem Gezeitenwechsel trotze ich ebenso wie dem der Klimazonen, und rette mich geschwind und flink über Serpentinen und reißende Abgründe unter ein Dach über dem Kopf, um das herum es noch so zwitschern, zirpen und scheinen kann – die Mission, die es zu erfüllen gilt, habe ich stets vor Augen, der einer an einer Angel befestigt vor dem Esel schwebenden Möhre gleich. Die Gefahr des Abschweifens besteht also ausnahmsweise einmal nicht, und so steigen wir direkt in (für korrekte lateinische Konjugationsreihen bleibt keine Zeit) medias res und schicken mit der Magie der technischen Errungenschaften die Hilfestellung fürs Wochenende direkt auf euren Frühstückstisch. 
Es mag einem zwar vorkommen, als wär’s erst gestern gewesen, doch in Wahrheit sind schon wieder Monate vergangen seit dem letzten Mekka für Trempler, Händler und Plünderer: Auf geht’s in die City, zum Graffl wegbringen oder Neues erstehen, und wenn das nichts wird, so soll der ein oder andere schon ein gutes Taschengeld verdient haben mit dem Abverkauf des eigenen Getränkeproviantes. Freitagnachts und samstagmorgens, ist also für Frühaufsteher wie Nachteulen gleichermaßen drin. Wohl eher weniger kreuzt sich mit dem Trempelmarkt der Weg all derjenigen, die sich von Freitags bis Sonntag zum „Badefesaison Kultifestival“ in die Künstlerkolonie des alten Flussbades nach Fürth (Badstraße) aufmachen und sich dort den Spätsommer gefallen lassen. Ein anderes Festival ist in Nürnberg und zwar rund um die Königsstraße: das „Bermudaviereck Festival“, allerdings nur eintägig. Desweiteren wäre im nagelneuen King Lui „Luitpoldstraße“ der „Lui Lipstick“ nachzuziehen, während im nicht mehr ganz so neuen Stereo (Klaragasse) die umso neuere Reihe „Bada Bing“ eins aufspielt. Die Desi (Brückenstraße) macht derweil in bester Hände-hoch-Manier den „Goodnight Circus“, und das ist ein gutes Stichwort, denn schnell gehen wir zu Bett und stehen erfrisch am Samstag wieder auf dem Parkett. Zehn Jahre macht die Rakete (Vogelweiherstraße) schon auf „Rigorös“ – dem bleibt kaum was hinzuzufügen außer vielleicht ein Aspirin plus C. Plus C ist auch die „Clubnacht“ in der 77 (Luitpoldstraße), plus K hingegen die „Klubnacht“ im Mach (Kaiserstraße), mit Rock der Hirsch (Vogelweiherstraße) bei der „Maximum Rock Night“ und wenn mit Rock, dann aus Lack und Leder die „Kunst und Sünde“ im Kult „Dooser Straße“. So. Das muss reichen. Muss. Mich. Erholen. 

Samstag, 31. August 2013

Bärte

„Gut geschminkt ist halb geschlafen“, pflege ich zu sagen und damit den einen, lebenslangen, unbestreitbaren Vorteil der Frauen- gegenüber der Männerwelt zum Ausdruck zu bringen. Flecken camouflieren, Falten verfüllen, Frische aufmalen – das blühende Leben! Super! Doch mit einem einzigen, kurzen Gespräch muss ich die Fahne des Triumphes wieder einholen und zu Protokoll geben, dass Irren nicht nur menschlich, sondern in diesem Fall weiblich ist. Ganz im Gegensatz zur vermeintlichen Domäne der Gesichtstarnung. Denn wofür wir Mädels morgens und gern auch mal so als Snack zwischendurch 37 verschiedene Töpfe, Tiegel und Applikatoren benötigen, bedient sich der Mann exakt genau eines Tricks: Bart. Oder, noch schöner: Faulheit. Mir war durchaus schon aufgefallen, dass so ein Rauschebart hervorragend dafür geeignet ist, fliehende wie Doppelkinne zu bedecken und faden Gesichtern eine gewisse interessante Verruchtheit zu verleihen, indem sie schlichtweg nur die Augen zwischen all dem Geflecht herausblitzen lassen. 
Dass Bart aber – und jetzt wollen wir mal dringend von gewissen modischen Verfehlungen wie beispielsweise einer witzigen Mustergebung großmütig absehen – ganz gezielt zu kosmetischen Zwecken eingesetzt wird, war mir irgendwie nicht klar. „Du bist halt einfach zu faul zum rasieren!“, hielt ich einem Dreitagebart vor. Der darauf empört: „Das stimmt ja überhaupt nicht!“ Und ich erfuhr: „Mit so einem Bart kann man dem Gesicht total gut Kontur verleihen, die man sonst nicht hätte.“ Außerdem, hört hört!, mache der Gesichtsbewuchs den Träger älter und reifer und damit interessanter. Er kaschiere (ha!) das formfreie Kinn und verleihe der Wangenpartie eine erstrebenswerte Kantigkeit, wozu eine Frau ja wohl leider beim besten Willen mit ihrem Farbtopf nicht in der Lage sei. Die Argumentationskette ging dann so weiter und so fort, bis ich mich mit dem Rücken zum Frisiertisch befand. Muss also hiermit wenngleich widerwillig, so doch offiziell, Platz machen auf dem Siegertreppchen im Geschlechterkampf und teilen. Werde mich jedoch nicht so leicht geschlagen geben und besorge mir zwar nicht Theaterbart, so doch den Bastelsatz für „Urinella“. 
Bis der eintrifft, geh ich zur Vorreiterveranstaltung in Sachen Gender Mainstreaming im Stereo (Klaragasse) und klebe mir den dargereichten Schnurrbart an, so wie alle bei „Circus Berreton“. Verkleiden dürft ihr euch auch bei der „Panic on Titanic“-Mottoparty auf der Mississippi Queen (Donaustraße), und weniger Bart, dafür mehr Bouncing Booties gibt es bei Teil 1 der Eröffnungsfeier des „neuen Königs der Stadt“, dem King Lui (Luitpoldstraße). Nebenan in der Bar 77 sind die „Allstars“ zugange und im 360° (Adlerstraße) die „Girls on Top“. Am Samstag steigt die große „Summer Session“ im Anwesen Vogelweiherstraße, im Zentralcafé (Königstraße) übernimmt „About:Bass – Dubmarine Takeover“ und im Mach (Kaiserstraße) wieder die Verkleidungsfreude : „Pyjamarama“!  Wenn ihr alles richtig gemacht habt, dann hilft am Sonntag auch kein Bart mehr. Es sei denn, ihr kämmt ihn euch über die Augenringe. So! 

Samstag, 24. August 2013

Fruchtfliegen und Urzeitkrebse

Wer Würmer hat, ist nie allein. Dieser Spruch ist so wahr wie der Umstand befremdlich. Welches andere unerwünschte Haustier dieser Tage Hochkonjunktur hat, ist eins, das, so kann ich mich erinnern, im Bio-Unterricht hochgelobt wurde – allein die Gründe sind mir heut ein Rätsel. Man bespricht ja, leider, auch nicht lang und breit die Urzeitkrebse aus dem YPS-Heft. Dabei  sind die Ähnlichkeiten frappierend. 
Wie der Urzeitkrebs erwächst Drosophila Melanogaster – vulgo: die gemeine Fruchtfliege – aus toter Materie. Wie der Urzeitkrebs bewegt sich tage- bis wochenlang rein gar nichts, bis eines Morgens völlig überraschend ein großes Gewusel auftritt. Wie der Urzeitkrebs ernährt sich das fliegende Gezücht von Nichts, und wie der Urzeitkrebs verstirbt es nach einigen Tagen sinnbefreiter Existenz. Der Unterschied: Das Dahinscheiden der Zappeltiere im Glas beweinte man bitterlich und zwang den Erziehungsberechtigten durch Nahrungsverweigerung und Luftanhalten, sich auf die Suche nach Ersatz zu machen. Den Abtritt der Fruchtfliege bemerkt man nicht, denn für jeden geflügelten Mitbewohner, den man erschlägt, erscheinen zehn neue auf dem Tapet. Genauer: auf der Tapete. Denn dort sitzen sie und lauern, diese Biester. Egal, zu welch großer Reinlichkeit man sich diszipliniert, ob man achtzehnmal am Tag den Müll rausbringt oder jedes einzelne Obst umgehend sofort in die Nahrungskette überführt – das Insekt bleibt. 
Man könnte jetzt nachlesen über Lebenszyklen, Embryonal- und Larvenentwicklung sowie Verpuppung. Doch das gilt es tunlichst zu unterlassen, wenn man sich nicht die kommenden Wochen ausschließlich von Eingedostem ernähren will, das garantiert noch niemals ein Obst auch nur aus großer Entfernung gesehen haben könnte. Lieber lesen wir „So mischen Sie Ihre Fruchtfliegenfalle: Nehmen Sie ein Glas und mischen Sie darin 1 Teil Essig, 1 Teil Fruchtsaft, 2 Teile Wasser, 1 Tropfen Spülmittel. Stellen Sie das Glas am besten in die Nähe Ihres Obstkorbes.“ Ich erweitere: „Anschließend nehmen Sie sich noch ein Glas und geben dorthinein Obstbrand und machen sich einen gemütlichen Abend außerhalb, derweil daheim (hoffentlich) ein großes Sterben stattfindet.“ 
Mal gucken, wo’s so hingehen kann auf der Flucht. Die Rakete (Vogelweihestraße) hat sich nach vergangenem Wochenende auf „Blue“ geeinigt, nebenan gibt’s „Summer Vibes and BBQ“. Die Indabahn (Bahnhofsplatz) ist „Prüfungsgeil“, die Bar77 (Luitpoldstraße) offen für „Prinzessinnen & Superhelden“. Mitte (Hallplatz) und Stereo (Klaragasse) machen ein gemeinsames „Sommerfest“ und die Kulturkellerei (Königstraße) „Querbeat“. Tags darauf beginnt die erste Runde „Sonnendeck“ in der Desi (Brückenstraße) bereits am frühen Nachmittag, später das „Sommerfest“ im Terminal (Flughafenstraße), während man im Loop Club (Klingenhofstraße) „80s forever“ ausruft und im Nano (Weikertsgässchen) die „Renegade Snares“ hervorholt. Sonntag: „Sonnendeck“ Teil 2. Oder „Nasty“ ins Gärtla (Beuthener Straße). Danach wieder fliegen. Ins Bett. 

Samstag, 17. August 2013

Prokrastination

Prokrastination. Spitzenwort. Setzt sich, Nicht-Lateiner aufgemerkt, aus folgenden Bestandteilen zusammen: „pro“ heißt „für“ und „cras“ heißt „morgen“. Was du heute kannst besorgen, geht morgen genauso gut. Die „Aufschieberitis“ ist aber viel mehr als faulheitsbedingtes Nichtsnutzertum. Eine andere Bedeutung der Prokrastination lautet „Erledigungsblockade“. Der Mensch ist blockiert darin, die Aufgabe, mit der er grad betreut ist, auszuführen. Er ist verzweifelt. Dabei setzt die akute Unzulänglichkeit erstaunliche Energien frei. Und ist eigentlich eher eine Zeit herausragender Erledigungs-de-blockade. Während die akut abzuschließende Tätigkeit (Masterarbeit, Steuererklärung, Partykolumne) nämlich ums Gotterbarmen nicht erledigt werden will, erfahren andere urplötzlich größte Zuwendung. Diese anderen Aufgaben hatte man zuletzt unverschuldet schleifen lassen. 

Zu viel Arbeit für Papierkram, zu gutes Wetter für Wohnungsputz, und überhaupt ist eh bald Winter, da kann man sich dann um diese Sachen noch viel besser kümmern. Urplötzlich tauchen aus dem Nichts also lauter Dringlichkeiten auf, die absolut keinen Aufschub gestatten. Von einem Tag auf den anderen ergilben Vorhänge und müssen gereinigt werden, der Dielenboden schreit vorwurfsvoll nach einer Ölung. Keine Sekunde länger ist die Unordnung im Gewürzregal zu ertragen, und beim wirklich überfälligen Verräumen zahlreicher Versandhaus-Kartons zeigt sich das Kellerabteil von einer überraschend unsortierten Seite, die man den übrigen Hausbewohnern keinesfalls weiter zumuten sollte. Man kann, nein, muss Briefe an die Omas schreiben, und der Umstand, dass diese eine winzigkleine Spezialglühbirne in der Lichterkette seit Monaten nicht mehr funktioniert, macht einen gewissenhaften Besuch im Baumarkt unabdinglich. Hier wird also gar nicht aufgeschoben, sondern schwer gearbeitet. Man lehnae sich entspannt zurück und betrachte stolz das Tagwerk. Gebe euch zuvor jedoch noch Hilfestellung zum Prokrastinieren. 

Wer eben dies als „Tic“ akzeptiert hat, trägt den am besten in die Mitte (Hallplatz) und die erfolgreich und mühsam auswendig gelernte Zahl „Pi“ dem Türsteher im 360° (Adlerstraße) vor. Wer dem „Tonkunzum“ anheimfällt, ist in der Kulturkellerei (Königsstraße) gut aufgeboben, und wer einen „Plattenrausch“ erleidet, im Stereo (Klaragasse). Elektronische (und andere) Räusche stehen beim „Rakete Sommerfest“ bevor (Vogelweiherstraße), und da lohnt es sich gar nicht erst, heim zu fahren, schließlich geht es Samstagmittag direkt mit dem „Vier Farben Festival“ weiter. Wem’s da zu bunt wird, der saust ins Cult (Dooser Straße) und zelebriert „Die Macht der Nacht“ oder durchläuft „Flashbacks“ im Nano (Weikertsgässchen). Erscheinungen hat man vielleicht bei der „Ü30 House Edition“ im Terminal (Flughafenstraße) und dem „Verboten gut feiern!“ im Marquee (Klingenhofstraße). Jetzt den Sonntag noch mit „Glücksgut“-Grillen im KuGa (Königstraße) verfüllen. Alles geschafft! 

Samstag, 10. August 2013

Hundenichthalter

Mit Fug und Recht kann ich behaupten, ein tierlieber Mensch zu sein. Ich errette Igel von befahrenen Straßen und gräme mich anschließend über deren Verbleib, ich helfe schleimigen, fetten Kröten gruselnd auf ihrem zwanghaften Weg, und der Umstand, vor zehn Jahren auf der Autobahn einer Maus nicht rechtzeitig ausgewichen zu sein, bereitet mir schlaflose Nächte. Ich kann auf Anhieb eine Taube von einem Spatz unterscheiden und bin zu Tränen gerührt vor hilfloser Wut, wenn im Fernsehen ein Hyänenwelpe verendet. Doch jede Liebe hat ihre Grenzen, und meine Grenze beginnt bei unerzogenen Hunden. Konkreter: bei unerzogenen Hundebesitzern. Ähnlich wie Menscheneltern erachten Hundeeltern ihren Spross als das Schönste und Liebenswerteste, was der Welt je geschenkt wurde, projizieren diese Sicht auf die beglückte Umgebung und setzen entsprechende Reaktion voraus. 

Jetzt ist das aber so: Ein wunderschöner junger Hund verliert schlagartig seinen Liebreiz, wenn er aus einem Gewässer wieder auftaucht und sich im Sandbuddeln übt. Sich dann, weil er ja weiß, dass jeder Mensch ihn liebt, direkt vor einen hinstellt, um mit Effet und Élegance das Fell auszuschütteln. Wenn er nun, Lob erwartend, im Triumphzug erst um einen herum und dann über einen hinweg stolziert, um anschließend in Siegerpose auf dem Rücken des vermeintlich neuen Fans zu verharren, wird’s schwierig. Noch schwieriger wird’s, wenn der dazugehörige Befehlshaber mit verklärtem Blick danebensteht grad noch so ein „Ja mei, er ist halt noch recht jung, gell!“ herausbringt. Weder Pfiffe vorneweg noch Entschuldigungen erachten weitere sogenannte Halter (eigentlich: eben-nicht-Halter) für angemessen, wenn ein riesenhaftes Fellungeheuer triefend nass und bis zur Schulter voller Schlamm fröhlichst auf eine kontemplative Gruppe zusteuert, um diese dann in einer Art Hunde-Twister so zu durchqueren, dass beim Drüberlatschen auf jedem einzelnen Stück Stoff mindestens drei Pfotenabdrücke hinterlassen werden. Das hatter aber fein gemacht, denkt sich die Nichthalterin, und zwinkert der konsternierten Gruppe fröhlich zu.

Gottlob sind Hunde in Diskotheken eher spärlich gesät, und deswegen flüchten wir uns schnell dorthin. Größtes Ding am Wochenende: Freitag und Samstag „Brückenfestival“ (Theodor-Heuss-Brücke) mit jeweils Aftershow in Desi (Brückenstraße) und MUZ (Fürther Straße). Ansonsten der „Hirscheffekt“ genau dort (Vogelweiherstraße), „Smooth Society“ beim Nachbarn Rakete, „Pon di Attack“ im Nano (Weikertsgässchen) und „WHMC“ im Stereo (Klaragasse). Samstag geht es fröhlich weiter mit „Dein Samstag“ in der Indabahn (Bahnhofsplatz), „Samstag360“ im Kreisklub (Adlerstraße), „Eine Nacht“ in der Mitte (Hallplatz), „Klangbrause“ in der Kulturkellerei (Königstraße) und den „Disco Classics“ im Terminal (Flughafenstraße). Und am Sonntag fühlt ihr euch dann elend. Hundeelend.


Samstag, 3. August 2013

Technische Versiehrtheit

Ich finde ja, ich bin technisch recht bewandert. Ich erfreue mich u.a. des Besitzes eines Fernsehers (und werde ausgelacht, weil ich Videotext nutze) und eines Notebooks (bei dem ich manchmal vergesse, dass ich das habe, um nicht an einen Ort gefesselt zu sein). Ich kann mittlerweile „Smartphone“ sagen und mit Stolz behaupten, meinen MP3-Player noch nie „Walkman“ genannt zu haben. Meine technische Versiertheit stößt jedoch immer dann an ihre Grenzen, wenn die Technik nicht von alleine das macht, wofür sie geschaffen wurde. In Analogie zum Lichtschalter bedeutet das: Ich möchte irgendwo drücken, und dann hat das zu funktionieren. Tut es das nicht, sehe ich mich gerade noch dazu imstande, die Birne zu wechseln. Geht das dann auch nicht, kaufe ich mir entweder umgehend eine neue Lampe oder rufe den Vermieter oder gleich den Stromanbieter an, um ihn einer hochnotpeinlichen Befragung zu unterziehen, wieso zum Donnerwetter jetzt die Leitung tot ist. Welcher Schritt fehlt? 

Genau. Der, mich in internistischer Art und Weise mit der Lampe auseinanderzusetzen, um sie zu reanimieren. Es hapert hierbei jedoch nicht primär an Versiertheit, sondern an Geduld, und außerdem ist der Mensch ja anpassungsfähig. Versehentlich alle TV-Programmbelegungen gelöscht? Halb so wild, kaum vier Wochen später weiß ich, dass ZDF jetzt auf der 10, HSE24 dafür auf der 1 ist.  Empfinde das als durchaus evolutionären Vorteil. Schwierig wird’s jedoch, wenn die Technik, und das tut sie naturgemäß, schneller evolutioniert als ich, denn das führt uns wieder zur Geduld, oder besser: in Ermangelung derselben an den Rand eines Anfalls. Das neue Notebook läuft mit Windows 8 statt Vista? Am alten arbeitet sich’s doch auch ganz gut. Das neue Handy (!) ist, weil zwei Jahre jünger, nicht exakt so aufgebaut wie sein Vorgänger? Vielleicht stört es doch nicht so sehr, dass das alte dauernd ausgeht, sei’s wegen Absturz oder Akkuschwäche. Kommt irgendwer und zwingt mich zur Umstellung, indem er das Altgerät aus dem Fenster wirft, erfolgt erst der Anfall, dann die Anpassung. Und schon bin ich wieder sehr versiert.  

Mindestens ebenso wie ihr darin, euch im Nachtleben herumzudrücken. Es braucht halt einen kleinen Stups, aber den könnt ihr haben. Am Freitag in Richtung Kulturkellerei (Königstraße, „Klassiklounge“), Mitte (Hallplatz, „Optimus Maximus“) oder Stereo (Klaragasse, „Disko2000“), einen größeren Stups in die Indabahn (Bahnhofsplatz, „Best Friday“) oder Bar77 (Luitpoldstraße, „We love 90s“) und einen großen ins Marquee (Klingenhofstraße, „Die große Schlagernacht“). Am Samstag ins Stars zum Abschiedstrinken (Engelhardsgasse), in die Rakete (Vogelweiherstraße, „Rigorös“), den Hirsch (ebd., „CSD Abendparty“) oder mal ins Loop (Klingenhofstraße, „Indie X-Tasy“). Und am Sonntag auf den Marienberg („Folk im Park“). Hopp! 


Samstag, 27. Juli 2013

Nachbarschaftskonzerte

Das mag jetzt vielleicht etwas überraschend kommen, aber ich schlafe derzeit mit offenem Fenster. So man das schlafen nennen kann, eher gare ich vor mich hin. Der Nutzeneffekt ist also gleich null, höchstens kommt noch ein Nutzen in puncto Selbstverteigungsstrategien hinzu, schließlich muss man sich neuerdings auch gegen unerwünschtes Fensterln wappnen. Der Nebeneffekt jedoch ist beachtlich, weil: Ganz automatisch wird man zum Konzertkritiker. Und wie es einem echten Kritiker so geht, muss er sich viele Vorstellungen anhören, die er solcherart freiwillig womöglich nicht gewählt hätte. Sehr viele Menschen tun derzeit sehr viele Dinge bei offenem Fenster, anstatt zum erledigen der Sachen einfach in den Keller zu gehen, was schon aus klimatischen Beweggründen sehr viel schlauer wäre. Jetzt muss man wissen, dass die Nachbarschaft hier zahlreich und die Kakophonie an Lauten entsprechend variantenreich ist. 

Ich weiß nun Dinge wie: Ein Knabe ist in der seligen Umarmung des Stimmbruchs angelangt (Dur), ein anderer zu selten in der seiner Mutter (Moll). Eine Dame weiß der Seligkeit, die sie empfindet, wenn sie in irgendjemandes Umarmung angekommen ist, nachdrücklich im Tremolo Ausdruck zu verleihen (allegro, forte), eine weitere bevorzugt Muttersprache und Geschirr, um sich irgendjemandes Umarmung zu entwinden (prestissimo, fortissimo).Desweiteren gibt es da eins, das strebt derzeit eine Karriere als Gitarrensänger an und eins, das so Gott will auch nur den Gedanken an die Opernsängerinnenkarriere bald an den Nagel hängt. Angesichts dieser Kulisse fühle ich mich in meiner Auffassung bestärkt, dass heiße Sommernächte nicht zum Schlafen gedacht sind, das kann man immer noch hinterher nachholen. Im Oktober. Wofür hingegen sie bestens geeignet sind, ist zum Dolce Vita-Zelebrieren. Das findet freilich auch eher außen statt, auf dem Bardentreffen und dem ganzen Außenrum und Hinterher zum Beispiel, aber es sollen ja nicht alle so gegen Sauna allergisch sein wie ich. 

Elektronische Aufgüsse gibt’s am Freitag bei „Laute feine Sachen“ im Nano (Königstraße), „Abrakadabra“ in der Rakete (Vogelweiherstraße) sowie „Wildstyle“ im Stereo (Klaragasse). Einer namens „Hit the Billy“ steigt im Zentralcafé (Königstraße) empor und definitiv zum letzten Mal aufgegossen wird die „Disco 25“ im Stars (Engelhardsgasse). Gießen muss man die derzeitige Steppenlandschaft, die einst Grünanlage war, womöglich, noch viel dringender aber eure Schlünder. Mit Wasser, natürlich, aber wenn sich da mal ein Schnapserl hinzuverirrt, da kann man dann auch nichts machen. Wer am Samstag tagsüber nicht ba(r)den mag, der fahre ins Gärtla (Beuthener Straße) und erfreue sich am „Soul BBQ“. Das Terminal (Flughafenstraße) macht „80er/90er“,  der Hirsch (Vogelweiherstraße) begießt sein 19-jährigen Bestehen und die Indabahn (Bahnhofsplatz) ein „Sommerfest“. Und im Cult (Dooser Straße) wird gänzlich unbeeindruckt von der Witterung zum guten alten, fröhlich-bunten „Schwarz Tanz“ geladen. Alles ganz freiwillig. Immerhin.