Ich befinde mich in einer misslichen Lage. Das mag zum Teil
daran liegen, dass ich mich an einem Ort befinde, der so klirrend kalt ist,
dass nicht Schnee, sondern gefrorener Nebel die Landschaft um mich herum zu
eisigen Skulpturen geformt hat – und das gar nicht weit weg vom schönsten aller
Nürnis, das, so vermute ich, mit jahresendtypischem Lauwarmwetter und feinem
Sprühregen aufwartet. Blicke ich aus dem Fenster, so sehe ich eine große,
erfüllende Einsamkeit, die mir sogleich ein irritiertes Zwicken im Auge
bereitet. Dieses Zwicken bewahrheitet sich, sobald ich das urige Haus verlasse,
in dem ich’s mir im Teddyplüsch gemütlich gemacht habe, und versuche, eine
sogenannte Unternehmung zu unternehmen. Diese muss man nämlich auf halber von
50 km landschaftlicher Strecke abbrechen, weil urplötzlich (Sonntag,
strahlender Sonnenschein) völlig überraschend sehr viele andere Menschen
ebenfalls eine Lust auf eine Unternehmung verspüren und so einen herrlichen 20
km-langen Stau produzieren, weil vielleicht wird oben auf dem Gipfel unerwartet
doch noch ein Platzerl frei fürs Auto und zum Rodeln. Auch bemerkt man, dass
die Einsamkeit ein Trugschluss ist, wenn sich ein sogenannter „Waldwipfelweg
mit Wintermarkt“ auf einmal als ausgewachsene Ballermann-Veranstaltung entpuppt,
die statt Stille und Vogelsang Massenansturm und Diskobeschallung bietet und
statt frischer Luft und Nadelgehölz Eierpunsch und Langos und auf jedem noch so
kleinen Hügerl statt Schnee nurmehr Kinder sirren, die emsig Schlitten über
Erdmatsch zerren. Ich schau also lieber aus dem Fenster, zieh die Teddyjacke
noch ein bisschen enger und genieß die vorgegaukelte Einsamkeit. Aus der ich
hochschrecke durch den Gedanken an die missliche Lage. Es ist heute der 30.
Dezember. Das heißt, wenn ihr dies lest, wird Silvester schon gewesen sein
(Futur II!). Manche von euch werden dann den Kater Tag 3 verleben, andere den
dritten Marathon laufen. Manche werden den ersten guten Vorsatz schon seit
gestern gebrochen haben, andere sich selbst beschwören, dass man am Freitag
keine guten Vorsätze beginnen braucht, am Wochenende eh nicht, am Feiertag
gleich dreimal nicht und deshalb erst am 7.1. mit dem Verzicht beginnen. Die
einen werden zum hundertsten Mal vergebens versuchen, den Raclette-Geruch aus
der Wohnung zu lüften, die anderen sich über den dritten Tag Gulaschkanone in
Folge freuen. Die einen werden verzweifelt den Menschen suchen, den sie um
Mitternacht geküsst haben im Moment der höchsten Euphorie, andere nach einer
Möglichkeit, diesen Menschen endlich loszuwerden. Was ich tun werde, weiß ich
noch nicht. Aber sicher ist: Ich werde euch allen einen guten Rutsch gewünscht
haben, jauchzend und vergnügt hinein in ein völlig ungewisses Jahr mit neu
gemischten Karten und blank polierten Schuhen, die uns durchs das Abenteuer
tragen, das schon längst für uns bereitsteht. Oder anders: xunds Neus!